Sie ist noch immer die Grand Dame of Crime – Agatha Christie. Selbst 2022, 46 Jahre nach ihrem Tod, werden ihre zeitlosen Kriminalfälle immer noch mit frischem Anstrich neuerzählt. Der beste Beweis dafür ist „Tod auf dem Nil“, eine Neuauflage des Krimiklassikers rund um den belgischen Meisterdetektiv Hercule Poirot, die am 10.02.22 in den deutschen Kinos anläuft.
Doch was Agatha Christie besonders interessant macht ist, dass sie in ihren Büchern nicht nur den Männern den Vortritt überließ: Im Jahr 1930 veröffentlichte sie nämlich mit „Mord im Pfarrhaus“ ihr erstes Buch mit der illustren Hobbydetektivin Miss Marple, die auch heutzutage noch mindestens genauso bekannt ist wie ihr Kollege Poirot. Sie schuf damit eine der ersten weibliche Ermittlerinnen, die nicht als bloße Handlangerin eines männlichen Detektivs fungierte, sondern eigenständig und gerne auch gegen den Willen der professionellen Männer ermittelte, nachdem sie mit Tommy und Tuppence bereits ein vollkommen gleichberechtigtes Kriminalisten-Duo erschaffen hatte.
Auch das Morden erlaubt Christie den Frauen, und zwar nicht nur dem klassischen Femme-Fatale-Typ, sondern gerne auch der scheinbar gewöhnlichen Hausfrau. Vollkommenere Gleichberechtigung von Mann und Frau war damals kaum denkbar.
Die 1930er-Jahre waren eine turbulente Dekade, in der sich auch viele weitere starke Frauen behauptet haben. Auf drei von ihnen wollen wir gerne einen genaueren Blick werfen.
Eleanor Roosevelt
Eleanor Roosevelt war als Frau von US-Präsident Franklin D. Roosevelt die erste First Lady, die dieser Rolle auch politischen Einfluss verlieh, anstatt sich lediglich ihren häuslichen Pflichten anzunehmen, was zur damaligen Zeit als sehr kontrovers wahrgenommen wurde. So nutzte sie die 1933 beginnende Präsidentschaft ihres Mannes, der aufgrund seines geschwächten Gesundheitszustands noch dazu auf ihre Hilfe baute, um ihre eigenen politischen Ziele zu verfolgen und gab sogar selbst wöchentliche Pressekonferenzen.
Vor allem setzte sie sich für Menschen- und Frauenrechte ein, unterstützte tatkräftig die League of Women Voters und sorgte sich auch stets um Belange, die Kinder und sozial Benachteiligte betrafen. Außerdem gab sie ab 1936 die tägliche Kolumne My Day heraus, die von vielen verschiedenen Zeitungen aufgegriffen wurde, schrieb noch eine weitere monatliche Kolumne und moderierte eine wöchentliche Radioshow.
Sogar gegen rassistische Diskriminierung positionierte Eleanor Roosevelt sich klar – bereits gut zwei Jahrzehnte vor Beginn des Civil Rights Movement – und arbeitete nicht nur eng mit Mary McLeod Bethune zusammen, der Gründerin des National Council of New Negro Women und der Hauptorganisatorin des Federal Council of Negro Affairs, das eine beratende Funktion in der Roosevelt-Regierung innehatte, sondern war mit ihr auch freundschaftlich verbunden. Auch ist es wohl kaum ein Zufall, dass zu Beginn von Roosevelts Amtszeit 1933 mit der Ernennung von Frances Perkins zur Secretary of Labor auch die erste Frau ins Kabinett einzog.
Natürlich begann Eleanors Aktivismus nicht aus heiterem Himmel mit der Präsidentschaft ihres Mannes und endete auch nicht mit ihr. Schon in den 1920er Jahren war sie u.a. aktives Mitglied der Women’s Trade Union und der Women’s International League for Peace and Freedom, verlegte die Zeitschrift Women’s Democratic News und setzte sich öffentlich für das Equal Rights Amendment sowie die Rechte von Müttern und Arbeiterinnen ein – bei einer Demonstration wurde sie sogar wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt verhaftet.
Darüber hinaus stand sie dem Women’s Advisory Committee vor und hielt somit die höchste US-politische Rolle inne, die eine Frau bis 1928 je erreicht hatte. Nach Franklins Tod wurde sie sowohl von Präsident Truman als auch später von Präsident Kennedy zur US-Delegierten der Vereinten Nationen ernannt, eine Position, in der sie bei der Ausarbeitung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte half.
Frida Kahlo
Frida Kahlo entdeckte ihre Berufung durch ein tragisches Unglück: ihr Bus kollidierte mit einer Trambahn, wobei sie sich lebensbedrohliche Verletzungen u.a. am Rückgrat zuzog und ihr Becken von einer Metallstange durchbohrt wurde. Ans Bett gefesselt und meistens in ein Gips- oder Stahlkorsett geschnürt, begann sich Frida die Zeit mit der Malerei zu vertreiben, wobei sie sich dank eines kleinen Spiegels selbst Modell stand. Ihre Schmerzen sollten ein wiederkehrendes Motiv ihres Lebens werden – das gleiche galt für ihre Selbstportraits, in denen sie vor allem die Schattenseiten ihres Lebens verarbeitete: körperliche Gebrechen, viele Fehlgeburten, das angespannte Verhältnis zwischen ihr und ihrem untreuen Mann und der innere Zwiespalt, den sie durch ihre europäisch-mexikanischen Wurzeln erlebte.
Angespornt und inspiriert durch das künstlerische Schaffen ihres Ehemannes Diego Rivera wurde Fridas Leben in den 1930ern vor allem durch ihre Kunst bestimmt. Als sie im Jahr 1938 überraschend ihre ersten Gemälde für je 200 US-Dollar verkaufen konnte, begann sie sich nach finanzieller Unabhängigkeit zu sehen und hoffte, ihre Gemälde könnten der Schlüssel dazu sein. Zwar war Frida Kahlo zu Lebzeiten bei weitem nicht so bekannt wie heute, fast 70 Jahre nach ihrem Tod, aber sie konnte trotzdem zahlreiche Solo-Ausstellungen ihrer Werke in New York, Paris und ein Jahr vor ihrem Tod endlich auch in ihrer mexikanischen Heimat vorweisen.
Ab 1937 erschienen immer wieder Fotos von ihr und Artikel über sie in der amerikanischen Ausgabe der Vogue. Zu ihren berühmten Bewunderern zählten u.a. Pablo Picasso, Wassily Kadinsky, Marcel Duchamp und André Breton. Außerdem erstand der Louvre nach ihrer Pariser Ausstellung 1939 ihr Selbstportrait „El marco“ (dt: Der Rahmen) und machte sie somit zur ersten mexikanischen Künstlerin des 20. Jahrhunderts, die dort ausgestellt wurde.
Obwohl die Beziehung zwischen Diego und Frida durch seine zahlreichen Affären belastet wurde, war Frida Kahlo übrigens nicht bereit, seine Seitensprünge unvergolten zu lassen. Stattdessen nahm auch sie sich vielerlei Liebhaber, u.a. war die lebenslange Marxistin mit Leo Trotzki liiert, drehte den Spieß aber auch gerne noch direkter um und spannte Diego seine Liebschaften kurzerhand aus. Nichtsdestotrotz bleiben die gegenseitige Unterstützung und Zuneigung der beiden bis heute legendär und wurden bereits in einer Vielzahl Dokumentar- und Spielfilmen über Fridas Leben thematisiert.
Grace Hopper
Das herausragende Schaffen von Grace Hopper spannte nahezu sechs Jahrzehnte, begann jedoch im Jahr 1930. Da absolvierte sie nämlich ihren Master in Mathematik an der Eliteuniversität Yale, 1934 folgte der Doktortitel im selben Fach. In den 1920er und 30er Jahren schaffte es zwar eine ungewöhnliche hohe Zahl an Frauen bis zum Doktorat, doch die Leistungen, die Grace in besonders von Männern dominierten akademischen und beruflichen Feldern erbrachte, sind dennoch außergewöhnlich und waren damals nahezu einzigartig. Schon ein Jahr nach ihrem Masterstudium begann sie am Vassar College, einer Universität für Frauen, an der sie zuvor selbst Mathematik und Physik studiert hatte, zu unterrichten, doch schon während ihrer Doktorzeit kristallisierte sich ihr Interesse für Computertechnik heraus.
In den folgenden Jahren entwickelte sich Grace Hopper zu einer Computerpionierin und wurde zu einer der ersten drei Programmierer der US-Geschichte. Möglichkeit dazu erhielt sie durch ihre Arbeit für die US-Navy, die sie zwar nur widerwillig aufnahm, ihrem Schaffen an der Harvard Universität allerdings so einiges zu verdanken hat. Und das gilt auch für uns, die das hier gerade am Computer oder Smartphone lesen: Auf Grace geht zum Beispiel FLOW-MATIC zurück, die erste Programmiersprache, die englische Worte umfasste und somit sehr benutzerfreundlich war – dass möglichst viele Menschen problemlos mit Computern arbeiten können, war nämlich schon immer eines ihrer größten Ziele. Trotz des enormen technischen Fortschritts, den wir auch seit Graces Tod im Jahr 1992 erleben durften, basieren noch immer viele unserer Errungenschaften auf ihrer grandiosen Vorarbeit im IT-Bereich.
Übrigens stammen auch die noch heute benutzten Computerbegriffe „Bug“ und „Debugging“ aus ihrer Arbeitszeit: Zwar bezeichneten Ingenieure schon seit dem 19. Jahrhundert mechanische Fehlfunktionen als „bugs“, Grace Hopper aber war die erste, die den Begriff auch im Zusammenhang mit Computern benutzte, als sich eine Motte in den Computer „Mark II“ verirrt hatte und für einen Systemausfall sorgte. Die tote Motte wurde von ihr in das Logbuch des Projekts geklebt und mit dem Satz „First actual case of bug being found“ (dt: Der erste Fall, in dem tatsächlich ein „Bug“ gefunden wurde) kommentiert. Sinn für Humor hatte sie also auch.
Fotos: Joop van Bilsen / Anefo, CC0; Douglas Chandor, Public domain; Guillermo Kahlo, Public domain; James S. Davis, Public domain / Wikimedia Commons