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Alexa Feser: „Berlin ist eine unfassbar lebendige, pulsierende Stadt“

Alexa Feser – eine Frau mit großen, bedeutsamen Worten und einer besonderen Stilistik. Im Interview mit der Singer-Songwriterin sprachen wir u.a. über feinstoffliche Kommunikation und natürlich auch über ihr neues Album „Zwischen den Sekunden“ und haben bei der Gelegenheit auch gleich einmal nachgefragt, was dazwischen denn eigentlich so genau passiert.

Ajouré: In deiner aktuellen Single „Wunderfinder“ geht es darum, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren und empfänglich für die kleinen Dinge, die so besonders sind, zu sein. Wie gelingt dir das in unserer schnelllebigen Zeit am besten?

Alexa: Mir selber gelingt es manchmal gar nicht und manchmal ziemlich gut. Ich stelle fest, dass, wenn ich überfordert bin und zu viele Dinge auf einmal machen muss, ich überhaupt nicht multitaskingfähig bin. Deshalb konzentriere ich mich lieber nur auf eine Sache und erlebe diese dann dafür aber auch intensiver. Ich versuche die Dinge zu entschleunigen und sie in meinem Tempo zu machen und mich nicht unter Druck zu setzen. So nehme ich das Schöne um mich herum viel mehr war, als wenn ich gehetzt bin und zu viele Sachen auf einmal machen müsste.

Ajouré: Dein drittes Album erscheint jetzt. Wie würdest du es beschreiben?

Alexa: Ich habe das Album ja „Zwischen den Sekunden“ genannt, weil ich denke, dass das, was ich auf dem Album beschreibe, immer auch diese situativen und kleinen Momente sind, in denen sich ganz viel entscheidet. Es gibt Songs wie „Rückwärtstag“, in dem es darum geht, dass man etwas ungeschehen machen möchte, was in einem kurzen Augenblick passiert, das ein ganzes Leben verändern kann – beispielsweise, wenn man in einem Streit Schluss macht oder dass man sich entscheidet, aufzubrechen, wegzugehen. Und dass man diesen Entschluss relativ schnell in seinem Kopf fasst und die Auswirkungen, auch emotional, dann relativ groß sind. Ich glaube, dass wir alle Dinge relativ schnell entscheiden und die Auswirkungen dieser Entscheidungen dehnen sich aus, auch auf unser Umfeld. Man merkt dann manchmal erst, wie sehr man mit anderen Menschen verknüpft ist und welche Verbindungen man zu einander hat.

Ich glaube, es sind verschiedene Momente, die in einem Bruchteil von Sekunden passieren – sowohl alltägliche, als auch einschneidende und dramatische, aber auch schöne Erlebnisse. Ich habe ja am Alexanderplatz gewohnt, als das Album entstand, und mich mit vielen Menschen dort unterhalten und ihre Geschichten erfahren – teilweise sehr einschneidende Schicksale, wie z.B. von einem Tag auf den anderen eine Diagnose zu bekommen, die das ganze Leben betrifft und womit man erst einmal lernen muss, umzugehen. Ich glaube, das ist so der Grundkonsens des Albums.

Ajouré: Was passiert denn eigentlich „Zwischen den Sekunden“?

Alexa: Wir rechnen ja in Sekunden, Minuten, Stunden, Tagen, Jahren. Ich habe aber immer das Gefühl, dass die wirklich wahren Momente, das Feinstoffliche, in einem Bruchteil passiert, da gibt es keine Maßeinheit für. Es ist generell schwierig, eine Maßeinheit zu finden für Dinge, die entscheidend sind. Zeit kann sich ja auch dehnen. Wie ich eben schon meinte: Etwas kann in einem Sekundenbruchteil passieren, aber eine absolute Ausdehnung der Zeit mit sich führen, indem es einen das ganze Leben lang beschäftigt. Deshalb ist Zeit eine relative Sache. Manche Dinge passieren quasi zwischen den Sekunden, weil man manchmal keine genaue Zeit oder Timing für gewisse Dinge hat. Das Leben passiert wahrscheinlich dann, wenn man es am wenigsten erwartet – irgendwo zwischen Himmel hoch jauchzend und zu Tode betrübt und zwischen gelangweilt und aufgeregt. Ich finde es schön, wenn man die Zeit nicht so linear betrachtet.

Ajouré: Was ist auf dem Album anders, was ist gleichgeblieben?

Alexa: Ich glaube, dass es einfach nur eine Fortführung von dem ist, was ich generell mache und ich weiß nicht, ob man sich immer verändern will oder ob das nicht einfach passiert, weil man ja lebt und nicht immer der gleiche Mensch ist. Wahrscheinlich bin ich in fünf Jahren auch noch einmal ein anderer Mensch als ich es jetzt bin. Retrospektiv kann ich sagen, es hat sich wahrscheinlich dann doch mehr geändert als man denkt, weil man älter wird und immer weiter voranschreitet, mit dem was man macht, und auch andere Einflüsse hinzukommen. Ich ziehe für jedes Album auch immer an andere Orte, somit hat jedes Album auch den Einfluss von dem Ort, an dem es gerade entsteht. Ich würde sagen, dass das Album ein zuversichtliches ist – mit sehr viel Hoffnung, die ich mir selber auch immer auf die Schultern lege, um das ganze Business zu überstehen. Als Musiker ist das ein ganz schön schwieriges Geschäft, wie ich finde.

Man ist freiberuflich und weiß daher auch nie, wie es weitergeht. Aber natürlich auch in Bezug auf das ganze Leben – politische Dinge, z.B., wenn man merkt, wie manchmal so die Stimmung kippt und man das Gefühl hat, dass sich Unruhe, Angst und Sorgen verbreiten. Ich bin der Meinung, dass das Urvertrauen, dass wir ja in uns haben, manchmal verloren geht. Das Album ist aber auch melancholisch, wie es immer ist, wenn ich etwas mache. Weil es eine Ehrlichkeit hat und ich finde, das Leben hat immer verschiedene Facetten und ist nicht nur eindimensional zu sehen. Deshalb kann man auch nicht immer nur glückliche Songs schreiben, sondern auch solche, die aus dem Leben gegriffen sind und die sind durchaus auch melancholisch. Aber Melancholie muss auch nicht immer traurig sein. Bei mir ist es auch ein befreiendes und sehnsüchtiges Gefühl. Ich mache immer sehnsüchtige Sachen, weil ich selber das Gefühl habe, ich bin nie angekommen, muss immer noch weiter.

Das Album hat einen Aufbruch, weil ich selber auch immer aufbrechen will. Es ist auch selten, dass ich an einen Ort zweimal hingehe; ich freue mich immer neue Dinge zu sehen und schaue ungerne zurück oder gehe auch ungerne an den Ort zurück, an dem ich schon einmal war. Ansonsten muss das jeder für sich noch einmal individuell entscheiden, das ist ja nur meine Sicht der Dinge und ich glaube, dass die Zuhörer da auch noch einmal etwas Eigenes hineininterpretieren – was auch das Schöne an Musik und Kunst ist, dass es für jeden noch einmal etwas anderes bedeuten kann. Darauf bin ich schon sehr gespannt.

 

Ajouré: Seit etwas mehr als zehn Jahren lebst du schon in Berlin. Hat die Stadt Einfluss auf deine musikalische Entwicklung genommen?

Alexa: Ganz extrem! Berlin ist eine unfassbar lebendige, pulsierende Stadt, die charakterlich ähnlich wie ich ist. Sie ist super ehrlich, super euphorisch und manchmal auch traurig und eigen. Ich glaube, mit Berlin muss man sich schon anfreunden. Wenn man nach Berlin kommt und denkt, dass die Stadt in einem etwas verändert, dann lässt sie dich links liegen. Ich glaube, mit Berlin muss man einen Pakt schließen und selber genauso viel reinstecken, um von Berlin etwas geschenkt zu bekommen.

So war das auch bei mir: Ich bin hierhergekommen, mit nichts und habe aber auch nicht die Hoffnung gehabt, dass sich jetzt alles ändern wird in meinem Leben, sondern ich habe mir gedacht, dass ich es selber, zusammen mit Berlin, verändern möchte. Genau das ist dann auch passiert. Ich bin jetzt glücklich zehn Jahre in Berlin – natürlich gibt es auch traurige Zeiten, wie es im Leben nun einmal so ist, die Stadt hat mir aber immer auch geholfen meinen Weg zu finden. Ich bin in der Zeit, in der ich hier lebe, fünfmal in unterschiedliche Bezirke umgezogen; auch um herauszufinden, wo mein Platz ist. Ich habe gelernt, dass es diesen Platz gar nicht gibt, sondern dass diese Stadt dazu gemacht ist, sie unfassbar gut kennenzulernen, dass man sie bis ins hohe Alter kennenlernen kann, wenn man denn möchte. Man kann mit Berlin zusammen erwachsen werden. Das ist schön, ich fühle mich hier auch sehr wohl, gerade weil Berlin kein Komfort ist.

Ajouré: Eine Weile warst du auch als DJane unterwegs. Vermisst du etwas aus der Zeit?

Alexa: Das Gute ist ja, dass man das Feiern in Berlin nicht ablegen muss. Jetzt feiere ich eher auf der Tanzfläche und nicht mehr hinterm Pult. Aber ich habe alles noch da – meine Platten, meine Decks, mein Mischpult – und wenn es mich dann manchmal überkommt, dann lege ich auch für Freunde auf und dann machen wir einen kleinen Umtrunk bei mir zu Hause. Wir gehen aber auch gerne weg. Zwar bin ich nicht mehr ganz so lange unterwegs bis fünf oder sechs Uhr morgens, aber ich liebe es nach wie vor.

Ajouré: Für das aktuelle Album hast du am Alexanderplatz gelebt – für viele nicht gerade der schönste Ort in Berlin. Was hat dich dahingezogen und was ist das Besondere daran für dich?

Alexa: Ich glaube, weil ich in vielerlei Hinsicht auch schnell mal faul werde und der Alexanderplatz mir natürlich die Möglichkeit geboten hat, mich ständig in Bewegung zu halten und alles mitzubekommen. Da finden sowohl Heiratsanträge über Megafon statt, als auch Demonstrationen. Ich habe dort die unfassbar skurrilsten, schlimmsten aber auch schönsten Momente erlebt – und ich habe tatsächlich auch direkt auf den Platz geblickt. Ich glaube, ich habe mir den Platz ausgewählt, weil da der absolute Melting Pot von allen Menschen, die es hier in Berlin gibt, ist. Mehrere tausend Menschen überkreuzen tagtäglich diesen Platz, allein schon wegen der S- und U-Bahn. Dort ist es so voller Geschichten und unterschiedlicher Menschen.

Einer meiner Songs auf dem neuen Album heißt deshalb auch „Linie 7“, in dem es darum geht, dass mir Menschen an dieser Linie ihre Geschichten erzählt haben. Der Alexanderplatz hat mir unfassbar viel Material zum Schreiben gegeben, andererseits war es auch sehr unbequem dort zu leben. Ruhe gibt es dort nicht, du kannst dich nicht einfach mal zurückziehen und chillen, weil du immer das Gefühl hast, etwas machen zu müssen, sonst gehst du unter. Ich habe zweieinhalb Jahre dort gelebt, vielleicht brauche ich deshalb jetzt etwas Ruhigeres. Das wechselt bei mir aber auch ständig ab – immer, wenn ich das eine hatte, brauche ich das andere wieder mehr.

Alexa Feser

Ajouré: War es eigentlich Zufall, dass du für jedes Album in einen anderen Stadtteil umgezogen bist?

Alexa: Ich habe das bewusst entschieden, aber auch, weil ich früher schon oft umgezogen bin und festgestellt habe, dass so ein Umzug zwar immer unfassbar stressig und anstrengend ist, man danach aber einen freien Geist in der neuen Wohnung hat und einen Neubeginn starten kann. Ich habe an jedem Ort auch immer unterschiedliche Songs geschrieben, denn sie beeinflussen meine Songs. Natürlich habe ich eine eigene Stilistik, aber die Themen und Geschichten sind schon von den Orten und den Menschen dort beeinflusst.

Ajouré: Wie schaffst du es, Emotionen so treffend in Worte zu verpacken? Hattest du schon immer deine eigene Stilistik?

Alexa: Ich war früher echt total schüchtern und ein Spätzünder. Mit 16 war ich noch nicht so reif wie die anderen Mädels. Wenn die schon Interesse an Jungs gezeigt hatten, war ich noch im Wald Pilze sammeln und Baumhäuser bauen. Ich glaube, das hat mir auch immer eher so die Außenseiterrolle beschert, denn die anderen fanden mich uncool. Später im Abitur hat sich das dann ganz schnell gewendet. Bestimmt habe ich daraus, aus der Not, aber auch eine Tugend gemacht, weil ich emotional auf mich gehört habe, wie ich mich fühle – da war ich immer sehr ehrlich zu mir.

Dann habe ich angefangen, emotional ehrlich auch immer zu allen anderen zu sein, weil ich gemerkt habe, dass, wenn man offen und ehrlich anspricht, was einen traurig macht oder stört, es die anderen oft gar nicht so vor den Kopf stößt, sondern sie froh darüber sind. So bin ich dann auch zum Songschreiben gekommen. Mit 13 Jahren habe ich angefangen, mit ganz spartanischen Sachen und natürlich noch sehr naiv, wenn man in dem Alter über Liebe schreibt. Dann sind noch die ganzen Geschichten aus meinem Leben hinzugekommen, die mir ganz andere Möglichkeiten gegeben haben, um darüber zu schreiben und mich sprachlich weiterzuentwickeln. Ich glaube, die Art wie ich spreche, ist einfach ein Erfahrungswert, der so einfach über die Jahre gekommen ist. Ich glaube, vor zehn Jahren habe ich auch noch anders gesprochen und höchstwahrscheinlich werde ich in zehn Jahren auch wieder anders sprechen. Ich versuche einfach immer emotional ehrlich zu sein und nichts zu verschleiern oder zu vertuschen.

Ajouré: Gibt es Themen, über die es dir schwerfällt zu schreiben? Und gibt es etwas, dass dich sprachlos macht?

Alexa: Klar, gerade wenn es um Angelegenheiten in der Familie geht, die sind natürlich besonders emotional. Mein Privatleben versuche ich schon immer sehr bei mir zu behalten. Gerade Freunde und Familie, die einen schon so lange kennen, sind immer knallehrlich zu einem. Das stößt einen zwar manchmal auch ganz schön vor den Kopf, aber ich glaube man braucht das auch. Wenn man von der Mutter gesagt bekommt, dass dieses und jenes jetzt nicht so cool war, dann ist man schon erstmal überrascht. Im ersten Moment tut es zwar weh, aber man setzt sich dann damit auseinander und dann fängt es im nächsten Moment an zu arbeiten. Wenn man dann aber fair zu sich und dem anderen ist, muss man auch einmal Dinge annehmen können und darüber reflektieren. Ich glaube, dass ich das viele Jahre nicht konnte und oftmals engstirnig war. Aber je älter ich werde, desto mehr öffne ich mich – das ist das Gute am Älterwerden.

Alexa Feser
Ajouré: Gehst du mit Kritik, wenn sie aus deinem privaten Umfeld kommt, anders um, als wenn sie aus der Öffentlichkeit stammt?

Alexa: Ja, tatsächlich unterscheide ich das sehr stark, weil ich weiß, dass die Kritik von meiner Familie immer ehrlich ist – sie wollen mir nur helfen, zur Seite stehen und mir einen guten Ratschlag geben. Von den Medien … hmmm … es gibt halt immer unterschiedliche Motive, warum Leute Dinge schreiben. Es ist halt auch immer ein Geschäft, bei dem es um Reize und Aufmerksamkeit geht. Ich glaube, dass viele Medien gewisse Dinge schreiben, weil sie vermeintlich interessanter für andere sein könnten, auch wenn sie nicht der Wahrheit entsprechen. Es wäre ja auch zu schade, tatsächlich über jemanden sagen zu können „Da stimmt alles! An demjenigen habe ich nichts auszusetzen!“ Es ist viel spannender etwas herauszufiltern oder aufzubauschen, weil es für die Leute da draußen viel interessanter ist und sie etwas Spannendes wollen. Sonst würden Shows wie „Dschungelcamp“ ja auch gar nicht laufen. Die Leute wollen Reibungen und deshalb arbeiten die Medien auch mit diesem Phänomen. Am Anfang habe ich mich manchmal noch daran gestört, aber mittlerweile versuche ich das sehr entspannt zu sehen. Man muss halt viel Eitelkeit ablegen.

Ajouré: Viele deiner Songs spiegeln thematisch sicher auch Persönliches wider. Fällt es dir schwer, dein Inneres so nach außen zu kehren und dich dadurch vielleicht auch verletzbar zu machen?

Alexa: Das ist ganz lustig, weil man das ja im stillen Kämmerchen schreibt, da ist man der einsamste Mensch, man bekommt die Außenwelt nicht mit und ist sich manchmal gar nicht darüber im Klaren, dass das, was man auf Papier bringt oder komponiert – vor allem in traurigen Phasen – irgendwann einmal ganz viele Leute hören werden. Das stelle ich immer erst fest, wenn ich mit den fertigen Songs ins Studio gehe und sie das erste Mal vorspiele. Dann habe ich manchmal das Gefühl, dass ich noch nicht ganz bereit bin und den richtigen Moment für mich abwarten muss, in dem ich stärker bin, um den Song zu spielen.

Aber man muss damit dann auch Frieden schließen, dass das ein Teil von einem ist und man sich anderen nackt zeigt. Das ist aber auch okay, denn das ist ein Teil von meinem Seelenleben und auch das, was die Leute mit mir teilen wollen. Das ist genau das Gefühl, was alle anderen auch haben. Ich bin einfach nur ein Multiplikator oder auch Katalysator für das, was die Menschen fühlen. Als Künstlerin sauge ich all das, was in der Luft liegt, natürlich auch auf – ich bin wie ein Schwamm. Diese vielen Emotionen immer mit sich herum zu tragen und dann aufs Blatt Papier zu bringen ist nicht immer einfach. Natürlich sind das meine Songs, aber dennoch trägt meine Musik auch die Handschrift von vielen Menschen mit denen ich meine Erfahrungen gemacht habe. Ich glaube, ich bin einfach wie ein Sprachrohr, das diese Gefühle übersetzt und nach außen trägt.

Alexa Feser
Ajouré: Wie siehst du die Kommunikation miteinander in unserer heutigen, von Social Media geprägten, Zeit? Verlieren wir den menschlichen, ehrlichen Umgang?

Alexa: Das ist eine tolle Frage! Darüber mache ich mir natürlich auch Gedanken. Ich gehöre ja zu der Generation Y – die Folgegeneration ist ja von Anfang an schon mit Computern, Social Media und der nonverbalen Kommunikation groß geworden. Wir Menschen sind ja eigentlich darauf geeicht, zu kommunizieren. Wenn wir uns gegenübersitzen und miteinander sprechen, dann findet da ja noch viel mehr statt als nur das Gespräch – der Blick, die Gestik, das Feinstoffliche zwischen uns. Ich bin froh aus einer Generation zu sein, in der ich mich mit dieser Feinstofflichkeit noch sehr auseinandergesetzt habe. Gerade wenn es um Verabredungen geht, damit fängt es schon an.

Wenn du als kleines Mädchen um 15 Uhr mit der Freundin verabredet warst, konntest du nicht mal schnell eine Nachricht schreiben, dass du später oder gar nicht kommst. Du hättest höchstens rechtzeitig vorher auf dem Festnetz anrufen müssen – in der Hoffnung, noch jemanden zu erreichen. Das hat viele dazu gezwungen, verbindlich zu sein und Verabredungen einzuhalten. Diese Verbindlichkeit hat dazu geführt, dass man sich auf manche Situationen, auf die man vielleicht gar keine Lust hatte, eingelassen hat und dann gemerkt hat, dass es doch gar nicht so schlimm war. Ich habe das Gefühl, dass wir uns diese Chance manchmal nehmen, weil wir diese Bequemlichkeit haben, auch mal kurzfristig abzusagen.

„Ghosting“, wie es ja so schön heißt, ist auch so ein Problem – dass, wenn man plötzlich keine Lust mehr auf eine Beziehung hat, man sich gar nicht mehr die Mühe macht, sich damit auseinanderzusetzen, auch gemeinsam mit dem anderen, um vielleicht herauszufinden, was schiefgelaufen ist. Ich glaube, diese feinstoffliche Kommunikation, die man hat, wenn man sich gegenübersitzt, eine ganz wichtige für uns Menschen ist. Sie macht uns glücklich, weil es nichts Schöneres gibt, als sich in die Augen zu schauen und ehrlich auszutauschen. Wenn ich etwas schreibe, weiß ich ja nicht, wie es bei dem anderen ankommt. In einem persönlichen Gespräch merkt man das schon alleine am Tonfall und an der Gestik. Das nehmen wir uns alles dadurch!

Ich finde es schade, dass diese Feinstofflichkeit, die für uns ja essentiell ist, z.B. der siebte Sinn, wenn man mit jemandem redet und merkt, ob er einem sympathisch ist oder eben nicht, verloren geht. Ich glaube, viele junge Leute verlernen das auch und werden zu emotionalen Krüppeln. Das fängt schon an, wenn man am Tisch sitzt und Essen bestellt, dass dann jeder sein Handy rausholt und damit rumspielt. Ich finde das immer so befremdlich, denn wenn ich mit Menschen am Tisch sitze, dann konzentriere ich mich in dem Moment komplett auf sie. Vielleicht bin ich da altmodisch, aber wenn du junge Leute fragst, dann ist das für sie völlig normal. Und ich weiß nicht, ob ich mich an diese Normalität vielleicht einfach gewöhnen muss, an diese Zukunftsvision von uns, in der wir uns noch viel mehr voneinander abnabeln und isolierter sind. Aber ich als Mensch merke, dass ich die echte Kommunikation gerne haben möchte.

Manchmal mache ich mein Smartphone aber auch bewusst aus und bin dann nur über das Festnetz erreichbar, für dringende Fälle. Ich finde es wichtig, dass man sich auch einmal auf eine Sache fokussiert, denn ich merke selber, dass ich das früher viel besser konnte. Natürlich benutze ich auch Social Media, alleine für meine Künstler-Seite. Sowas ist heute ja total wichtig. Aber ich merke auch, dass das etwas mit mir macht und dass es nicht immer etwas Gutes ist. Denn diese „Best of“-Version von einem auf Facebook – hier Urlaub, da das leckere Essen – man bekommt ja gar nicht mit, dass diese Leute auch mal schlechte Tage haben, zu Hause ein Rohr verlegen, traurig sind oder irgendetwas passiert ist. Es gibt ja immer nur die „Best of“-Version von jedem zu sehen. Und dann sieht man sich selber in einer vielleicht weniger schönen Situation und denkt sich „Man, denen geht es allen echt verdammt gut!“ und fragt sich, warum alle immer so gut drauf sind und es selber einem schlecht geht und man nicht vorankommt.

Dabei ist das völliger Trugschluss und genau das muss man sich bewusstmachen. Die sozialen Medien sind ein großer Zirkus der Eitelkeiten, wo jeder nur die Version von sich nach draußen gibt, die er gerne zeigen möchte, aber nicht die Wahrheit. Deshalb muss man auch unbedingt den Kontakt zu vielen realen Menschen offline pflegen und sie ganz oft treffen. Ruhig auch mal Spieleabende veranstalten – ohne Handy! Oder sich auf den Boden legen und Musik hören, aber auch hier wieder ohne Handy, sondern mit CDs oder mal wieder ein Buch lesen, kein E-Book, sondern ein richtiges.

Alexa Feser
Ajouré: Es hat etwas gedauert, bis du bei einer Plattenfirma untergekommen bist. Wie hast du es geschafft, am Ball zu bleiben und immer weiter zu machen?

Alexa: Ich glaube, diese innere Ruhe hatte ich nie und ich habe sie auch jetzt noch nicht, weil ich natürlich nicht wissen kann, ob alles gut gehen wird. Die Reise ist natürlich nie abgeschlossen – nach dem letzten Album ist immer vor dem nächsten Album. Das Einzige, was mich immer hochgehalten hat, ist tatsächlich die Leidenschaft. Das ist so ein innerlicher Drang, sich mitzuteilen. Ich glaube, man muss das auch ein bisschen zu seinem Leben machen. Denn wenn ich es von meiner privaten Person trennen würde, dann würde es auch nicht funktionieren. Musik ist natürlich auch privat für mich wichtig, daher macht es auch Spaß und man hat einen etwas längeren Atem, denn es gibt auch immer mal Gegenwind und man muss sich immer wieder nach vorne kämpfen. Aber ich habe dieses Urverständnis in mir, dass ich Musik so sehr liebe, dass ich gar nicht anders kann. Ich glaube jeder, der etwas findet, das er liebt und machen muss, hat diesen längeren Atem.

Ajouré: Ab Mai bist du auf Tour. Worauf dürfen sich deine Fans schon freuen?

Alexa: Ich komme mit meiner Band und ich bin gerade dabei, meine Piano-Parts neu zu setzen. Ich werde Songs von meinem neuen, aber auch vom alten Album singen – es wird also sehr emotional. Die ersten drei Konzerte werde ich noch unfassbar nervös und aufgeregt sein und wahrscheinlich wird es mir noch schwerfallen, mich so zu zeigen, aber dann wird alles gut. Ich freue mich schon sehr.

 

Fotos: Marcel Schaar / Peter Goebel PR

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Corinna Kolonko
Corinna Kolonko
Corinna Kolonko, besser bekannt unter ihrem Spitznamen "Coccoletta", ist eine wahre Flâneuse und im Herzen eine echte Parisienne. Mit einer unerschütterlichen Leidenschaft für fotogene Spaziergänge 📸, Kaffee ☕️, Croissants 🥐 und alles, was mit Mode und Schönheit zu tun hat 💕, bringt sie einen Hauch von Paris in die Straßen von Berlin. Bei AJOURE´ betreut Coccoletta die Ressorts Fashion, Beauty und People und bringt ihre einzigartige Perspektive und ihren unverwechselbaren Stil in jeden Artikel ein.

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