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Was bedeutet es wenn sich das Klima weiterhin so erwärmt?

Hitzeperioden, Starkregen und Stürme mehren sich. Langsam, aber sicher bekommen wir zu spüren, dass der Klimawandel real ist. Dennoch ändert sich nicht viel. Gipfeltreffen und Klimakonferenzen enden regelmäßig ohne oder mit nur unbefriedigenden Ergebnissen. Doch wie wird es weitergehen, wenn wir es tatsächlich nicht schaffen die Erderwärmung zu begrenzen und den Klimawandel aufzuhalten? Klimaforscher prognostizieren dramatische Kettenreaktionen, die deutliche Folgen für unsere Welt haben werden.

Kritische Punkte in unserem Klimasystem

In Berichten über Klimakonferenzen ist immer wieder von 1,5- oder Zwei-Grad-Zielen die Rede. Man will verhindern, dass sich unser Erdklima bis zum Ende des Jahrhunderts um mehr als durchschnittlich zwei Grad erhöht. Eine Zahl, die uns geradezu lächerlich erscheinen mag. Was bedeuten schon 1,5 oder zwei Grad mehr oder weniger? Noch dazu über einen so langen Zeitraum? Sehr viel, wie die beängstigenden Prognosen der Klimaforscher zeigen. Denn auch bei diesem vermeintlich geringen Temperaturunterschied können sogenannte „Kipppunkte“ in unserem Klimasystem überschritten werden, die dann Kettenreaktionen mit unüberschaubaren Folgen auslösen. Als Kipppunkte bezeichnen Wissenschaftler bestimmte Schwellenwerte an für unser Klimasystem entscheidenden Stellen. Werden diese überschritten, hat das jeweils schwerwiegende Folgen für das ganze Klimasystem, die nicht mehr aufzuhalten sind.

Wo liegen mögliche Kipppunkte?

Wissenschaftler haben einige wichtige Kipppunkte für unser Erdklima identifiziert und machen dort bereits jetzt beunruhigende Beobachtungen. Schreitet die Entwicklung dort weiterhin so voran, drohen uns dramatische Folgen. Einige wichtige Kipppunkte wollen wir kurz vorstellen:

Die Permafrostböden der Nordhalbkugel

23 Millionen Quadratkilometer der nördlichen Halbkugel sind mit Permafrostboden bedeckt. Weite Teile von Sibirien, Kanada und Alaska tauen niemals auf – eigentlich. Denn nun beginnen sie doch zu tauen. Das Gefährliche dabei: Die gefrorenen Böden werden, wenn sie tauen, gigantische Mengen an Treibhausgasen freisetzen, die die Erderwärmung enorm vorantreiben können.

Die weltweiten Eisvorkommen

Nicht nur auftauende Böden sind ein Problem, auch Gletscher und Pole schwinden bedrohlich schnell. Dadurch steigen nicht nur die Meeresspiegel, auch der umliegende Ozean erwärmt sich. Das Meereis reflektiert nämlich Sonnenlicht wie ein Spiegel und strahlt Wärme dabei stärker zurück als die Wasseroberfläche. Schwindet die Eisdecke, wird das Wasser zunehmend erwärmt und das Eis schmilzt noch schneller. Eine sich selbst beschleunigende Reaktion tritt ein.

Besonders die Eisdecke der Arktis bereitet den Forschern Sorgen, denn sie ist schon merklich kleiner geworden. Auch die Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis sind langfristig gefährdet. Die dadurch steigenden Meeresspiegel werden unabsehbare Folgen haben. Inseln und breite Küstenregionen würden im Meer versinken. Auch große Metropolen wie Tokio oder New York wären davon betroffen.

Die großen Waldbestände

Die äquatorialen Regenwälder sind schützenswerte, einzigartige Ökosysteme, deren zunehmende Zerstörung durch den Menschen schon lange Grund zur Sorge liefert. Mit dem Klimawandel muss sich diese Sorge noch verschärfen. Ein globaler Temperaturanstieg um mehr als zwei Grad könnte zu Hitze und Trockenheit und damit zum Absterben dieses Ökosystems führen.

Auch die großen nördlichen Waldgebiete, wie etwa in der Taiga, sind gefährdet. Trockenheit, Waldbrände und Stürme setzten ihnen mehr und mehr zu.

Wälder speichern enorme Mengen Kohlenstoff. Durch Waldsterben und Waldbrände gelangt entsprechend viel Kohlendioxid in die Atmosphäre und heizt die Klimaerwärmung zusätzlich an.

Forscher haben noch etliche weitere Kipppunkte, wie regionale Luftströmungssysteme, Korallenriffe oder Methanauslösung aus dem Meeresgrund im Blick. Sie alle können letztlich unser Klima zum Kippen bringen – mit schwerwiegenden Folgen für uns und unsere Umwelt.

Dürre durch Klimaerwärmung - Kippppunkte

Heißzeit oder Eiszeit?

Unser Klima ist ein komplexes und empfindliches System. Schon jetzt bekommen wir zunehmend Probleme mit Starkregen und Überschwemmungen, Hitze und Dürre oder Stürmen. Es ist kaum vorherzusagen, was bei zunehmender Erderwärmung und Überschreiten der Kipppunkte tatsächlich geschehen wird. Aber eines scheint sicher: Es wird zu nachhaltigen Veränderungen mit schwerwiegenden Folgen kommen.

Eine prognostizierte Möglichkeit ist das Eintreten einer „Heißzeit“. Die letzten Sommer haben uns einen kurzen Vorgeschmack davon geliefert. Doch Hitze und Trockenheit könnten auch zu einem globalen Dauerproblem werden. Eine klimatische Kettenreaktion kann die Erderwärmung fatal beschleunigen. Ein globaler Temperaturanstieg um fünf bis sechs Grad könnte eintreten. Gletscher und Pole würden tauen und der Meeresspiegel um 10 bis 60 Meter ansteigen. Ganze Küstenregionen und Landstriche verschwänden im Meer. Hitze und Dürre hätten Trinkwassermangel und Hungersnöte zur Folge.

Nicht weniger beängstigend klingt ein anderes mögliches Szenario. In Roland Emmerichs „The Day After Tomorrow“ führt das Abschmelzen des Gletschereises zum Versiegen des Golfstroms und damit zum plötzlichen Eintritt einer Eiszeit. Ganz so wie in der Hollywood-Inszenierung müssen wir uns das nicht vorstellen, doch völlig an den Haaren herbeigezogen ist das Szenario nicht. Tatsächlich ist der Golfstrom vor Grönland ebenfalls ein Kipppunkt. Er fungiert als eine Art „Wärmepumpe“ für Nord- und Nordwesteuropa. Er transportiert warmes Wasser aus tropischen Gefilden zu uns und beschert uns so unser mildes Klima. Sein Funktionieren beruht auf bestimmten Verhältnissen von Temperatur, Süß- und Salzwasser. Durch das Tauen der Gletscher steigt der Süßwassergehalt, was tatsächlich das Strömungssystem des Golfstroms stören oder gar zum Erliegen bringen könnte. Für uns könnte das einen spürbaren Temperaturabfall – eine Eiszeit mit all ihren Folgen – bedeuten.

Egal welches Szenario letztlich Realität werden könnte, die Prognosen sind beängstigend und wir, unsere Kinder uns unsere Enkel werden damit zu kämpfen haben, falls wir es nicht doch noch schaffen, unser Verhalten schnell zu ändern und dem Klimawandel Einhalt zu gebieten.

Können wir die Klima-Kipppunkte aufhalten?

Maßnahmen und Lösungen zur Verhinderung oder Verlangsamung der Überschreitung von Kipppunkten im Klimasystem sind von entscheidender Bedeutung, um die Auswirkungen des Klimawandels einzudämmen. Hier sind einige Ansätze und Strategien:

  1. Reduzierung von Treibhausgasemissionen: Die Hauptursache des Klimawandels ist die Freisetzung von Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) in die Atmosphäre. Die Verringerung dieser Emissionen durch Maßnahmen wie den Übergang zu erneuerbaren Energien, Energieeffizienzsteigerungen und die Reduzierung der Abholzung von Wäldern ist von entscheidender Bedeutung.
  2. Aufforstung und Waldschutz: Wälder spielen eine entscheidende Rolle bei der Speicherung von Kohlenstoff. Durch die Aufforstung und den Schutz bestehender Wälder können große Mengen an CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden.
  3. Nachhaltige Landwirtschaft: Die Umstellung auf nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken, die den CO2-Fußabdruck der Landwirtschaft verringern, kann ebenfalls zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen.
  4. Schutz von Ökosystemen: Ökosysteme wie Korallenriffe, Feuchtgebiete und Mangroven spielen eine wichtige Rolle bei der Kohlenstoffspeicherung und dem Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels. Ihr Schutz und ihre Wiederherstellung sind von entscheidender Bedeutung.
  5. Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS): Technologien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoff können dazu beitragen, CO2-Emissionen aus Industrieprozessen und Energieerzeugungssystemen zu reduzieren.
  6. Anpassungsmaßnahmen: Da einige Kipppunkte bereits in Bewegung sind, ist die Anpassung an die bereits eintretenden Veränderungen unerlässlich. Dazu gehören Maßnahmen wie der Küstenschutz vor steigenden Meeresspiegeln und die Anpassung landwirtschaftlicher Praktiken an veränderte klimatische Bedingungen.
  7. Internationale Zusammenarbeit: Da der Klimawandel ein globales Problem ist, ist die Zusammenarbeit zwischen Ländern von entscheidender Bedeutung. Internationale Abkommen wie das Pariser Abkommen sind wichtige Schritte zur Bewältigung des Klimawandels.
  8. Bewusstseinsbildung und Bildung: Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für den Klimawandel und seine Auswirkungen ist entscheidend. Deshalb kann Aufklärung dazu beitragen, Veränderungen im Verhalten und in der Politik herbeizuführen.

Leider gibt es keine Einheitslösung, sondern eine Kombination dieser Maßnahmen ist erforderlich. Die Umsetzung dieser Maßnahmen erfordert gemeinsame Anstrengungen auf globaler, nationaler und lokaler Ebene. Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung zu handeln, um die Kipppunkte im Klimasystem zu verhindern und die negativen Auswirkungen des Klimawandels einzudämmen. Jeder einzelne kann seinen Teil dazu beitragen, sei es durch Energiesparen, umweltfreundliche Entscheidungen oder die Unterstützung von Initiativen zur Bekämpfung des Klimawandels.

Fotos: Alexander; piyaset / stock.adobe.com
Quellen: Kéfi S, Saade C, Berlow EL, Cabral JS, Fronhofer EA. Scaling up our understanding of tipping points. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci. 2022 Aug 15;377(1857):20210386. doi: 10.1098/rstb.2021.0386. Epub 2022 Jun 27. PMID: 35757874; PMCID: PMC9234815.
Potsdam Institute for Climate Impact Research, Kipppunkte im Klimasystem

AJOURE´ Redaktion
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