Erscheinen dir Feminismus und Frauenrechte wie ein alter Schuh? Tatsächlich wirkt das Thema heute manchmal etwas ausgetreten. Deine Rechte als Frau sind für dich wahrscheinlich schon ganz normal! Aber kannst du dir vorstellen, dass Frauen vor einhundert Jahren ohne die Erlaubnis eines Mannes weder studieren, berufstätig sein, noch Auto fahren durften? Dein heutiges selbstbestimmtes Leben als Frau wurde erst durch den Kampf großer Frauen und Freidenkerinnen möglich. Eine der bekanntesten unter ihnen war die französische Philosophin und Schriftstellerin Simone de Beauvoir.
Ein Leben ohne freie Wahl?
Simone de Beauvoir wurde 1908 in Paris als Tochter wohlhabender Eltern geboren. Durch den Ersten Weltkrieg verarmte die Familie. Mit nur noch einem kleinen Angestelltengehalt war der Vater kaum noch in der Lage, Simone und ihre Schwester Hélène mit einer ausreichenden Mitgift auszustatten. Das schmälerte ihre Aussichten auf eine Ehe und damit die weitere sichere soziale und finanzielle Versorgung. Vater de Beauvoir bereitete seine Töchter auf ein Leben als berufstätige Frauen vor. Als Alternative wäre ihnen noch der Gang in ein Kloster geblieben.
Obwohl sie als junge Frau tief gläubig gewesen sein soll, kam dies für Simone nicht in Frage. Sie hatte Glück. Sie war klug und wach genug, die ersten neu erstrittenen Frauen-Rechte in Anspruch zu nehmen. Nach der Oberschule schrieb sie sich als eine der ersten Studentinnen an der berühmten Pariser Sorbonne ein.
Simone – die Lehrerin und leidenschaftliche Querdenkerin
Nach dem Studium arbeitete Simone de Beauvoir als Gelegenheitslehrerin. Ihr erstes eigenes Geld verdiente sie durch einen kleinen Lehrauftrag in Psychologie. Jener zu diesem Zeitpunkt noch jungen Wissenschaft, die erst durch Sigmund Freuds revolutionäre Erkenntnisse den Zuspruch fand, die sie eigentlich verdiente. Ihr Geld nutze sie neben der Finanzierung des Lebensunterhaltes für Ausflüge in die Welt der Künstler und Intellektuellen von Paris. Sie besuchte einschlägige Cafés und engagierte sich in einem Wohltätigkeitsverein. Die Vorurteile und Barrieren ihrer Zeit trieben sie schon bald zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Geschlechterbild.
Was machte den Mann zu einem Mann und bliebe einer Frau tatsächlich nichts anderes übrig, als unter der Führung eines Mannes zu leben?
Die Idee von der sozialen Prägung des Geschlechts
Beauvoirs Überlegungen zielten immer mehr in eine ganz besondere Richtung. Ihre Beobachtungen und Gesellschaftsstudien ließen sie zu dem Schluss kommen, dass das Wesen der Frau vielmehr vom Umfeld geprägt wurde als bisher angenommen.
Das damals noch strenge Sittenbild ging davon aus, dass eine Frau als schwach und weniger wert als der Mann geboren werde. Den geistigen Leistungen einer Frau wurde nur in Ausnahmefällen Beachtung geschenkt. Noch im 19. Jahrhundert durften Frauen nicht öffentlich ihre Meinung kundtun. Von politischen Veranstaltungen waren sie komplett ausgeschlossen. Als höchste Ziele der Weiblichkeit galten Heirat und Mutterschaft.
Simone de Beauvoir kam zu der These, dass die Frau keineswegs von Geburt an schwach oder gar minderbemittelt sei. Vielmehr werde sie vom sozialen Umfeld dazu gemacht und in einem Zustand ständiger Abhängigkeit und Unterwerfung gehalten. Eine Frau könne also, wenn es denn notwendig oder gefordert wäre, auch ganz andere Züge annehmen.
Als eine der ersten Freidenkerinnen und Feministinnen der Welt unterschied sie zwischen „Sex“ und „Gender“. Dem körperlich angeborenen Geschlecht sowie der angenommenen beziehungsweise ausgeübten Geschlechter-Rolle.
Zwei ihrer bekanntesten Zitate lauten:
„Nur weil eine Frau eine Vagina hat, verhält sie sich noch nicht wie eine Frau.“
„Man ist nicht als Frau geboren, man wird es.“
Der dritte berühmte Ausspruch ist sinngemäß besser auf Englisch zu verstehen:
„Woman is as woman does.“ (Die Frau ist, was sie tut)
Sie richtete ihre Überlegungen dabei keineswegs nur anklagend gegen eine dominierende Männerwelt. Vielmehr kritisierte sie auch die unterdrückten Frauen ihrer Zeit, die sich durch ihr Verhalten eben zu genau dem machen ließen!
Simone de Beauvoirs Leben mit Jean Paul Sartre
Um 1929 herum hatte Simone den berühmten französischen Philosophen Jean Paul Sartre kennengelernt.
Beide ließen sich auf ein für die damalige Zeit sehr eigenartiges Liebesexperiment ein, das sie „Pachtverhältnis“ nannten. Ohne Zwang, Verpflichtungen oder gar eine Heirat wollten beide für zwei Jahre auf Probe zusammenbleiben. Danach hätte jeder seines Weges gehen können, ohne dafür Gründe nennen zu müssen. Schlussendlich sollten beide ein Leben lang verbunden bleiben!
Das Paar reiste viel, lebte aber nie zusammen in einer Wohnung. Simone traf an der Seite Sartres die Denker und Revolutionäre ihrer Zeit. In Kuba trafen sie auf Che Guevara und Fidel Castro. Neben den gemeinsamen Reisen begann Simone auf eigene Faust zu reisen. In den USA lernte sie den Schriftsteller Nelson Algren kennen. Mit ihm soll sie über viele Jahre eine intensive Liebesbeziehung gepflegt haben. Dennoch blieben auch Sartre und sie stets von gegenseitigem Respekt geprägt verbunden.
Das große feministische Werk ihrer Zeit
Im Jahr 1949 kam Simone de Beauvoirs Buch „Das andere Geschlecht“ auf den Markt. Ihre Thesen und die kritische Auseinandersetzung mit dem Rollenbild von Mann und Frau revolutionierten das damalige Denken.
Neben der bereits erwähnten Theorie zur Ausbildung der „Frau“ durch das soziale Umfeld widmete sie sich intensiv der Frage nach den Unterschieden zwischen Mann und Frau. Der Mann galt im damaligen Weltbild als das Absolute, das Subjekt. Die Frau dagegen wurde nur in Abhängigkeit zum Mann, als das Objekt, betrachtet.
Für einen heutigen Geist sicher nur schwer begreifbar, hatte die Frau ohne den Mann praktisch keine Daseinsberechtigung. Jetzt hast du sicherlich ein Bild davon, wie wichtig die Arbeit von Simone de Beauvoir und anderen Feministen des 20. Jahrhunderts war!
Simone de Beauvoir wurde 78 Jahre alt. Ihr Leben lang wirkte sie als Schriftstellerin und Philosophin. Sie blieb unverheiratet, hatte keine Kinder und unterhielt diverse Liebschaften mit Gleichgesinnten beiden Geschlechts.
Fotos: rowohlt Verlag, Jerry Bauer; Copyright holder is Archives Gallimard at Paris, Archives Gallimard no longer exists – Schwarzer, Alice: Simone de Beauvoir, Reinbek, Rowohlt, 2007, ISBN: 978-3-498-06400-6, S. 68, Gemeinfrei, Link; Moshe Milner – Crop of File:Flickr – Government Press Office (GPO) – Jean Paul Sartre and Simone De Beauvoir welcomed by Avraham Shlonsky and Leah Goldberg.jpg, CC BY-SA 3.0, Link
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