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Anna „Delvey“ Sorokin – Die Frau, die alle an der Nase herumführte

Von Gucci-Tasche zum Gefängnis-Overall – Der Fall von Anna “Delvey” Sorokin ging als einer der größten Betrugsfälle der letzten Jahre in die Geschichte ein. Dabei steht eine Frau im Rampenlicht, die ihre eigene Realität nach ihrem Belieben verbogen und neu erfunden hat.

Steckbrief

Vollständiger Name: Anna Sorokin
Geboren: 23. Januar 1991, Russland
Größe:1,62m
Sternzeichen: Wassermann

Die bürgerlichen Anfänge der Anna Sorokin

Anna Wadimova Sorokin erblickte am 23. Januar 1991 in einem Vorort von Russland das Licht der Welt. Im Alter von 16 Jahren zieht sie mit ihren Eltern nach Eschweiler in Nordrhein-Westfallen. Von Luxus und Glamour ist keine Spur. Ihr Vater verdient sich sein Geld als LKW-Fahrer und baut sich später eine eigene kleine Firma auf. Von Wohlstand kann also nicht die Rede sein.

Trotzdem will sich Anna schon in jungen Jahren von ihrem sozialen Stand abheben. In der Schule ist sie eher als schlaues, unauffälliges Mädchen bekannt. Aber sie präsentiert sich ihren Mitschülern immer in teuren Markenklamotten. Das brachte ihr auch den Spitznamen “Barbie” ein.

Nach ihrem Abitur zieht es Anna Sorokin in die Welt hinaus. Einen Platz am Central Saint Martins College in London für ein Kunststudium ließ sie allerdings sausen und machte stattdessen 2012 ein Praktikum bei einem Berliner Fashionagentur. 2013 folgte ein Praktikum bei einem Pariser Magazin für Kunst und Fashion. Danach endete das Leben von Anna Sorokin. Stattdessen tauchte Anna Delvey auf der Bildfläche auf, die sich selbst auf ihrem Instagram-Account als “Retired intern” bezeichnete, was übersetzt “Praktikantin im Ruhestand” bedeutet.

 

 

Anna Delvey: Jetset-Leben auf Rechnung

2014 tauchte Anna Delvey das erste Mal in New York auf. Sie interessierte sich für Mode, für Kunst und für das Leben der High Society. Besuche bei angesehenen Boutiquen und Kunstgalerien ermöglichten ihr das Knüpfen von Kontakten. Wenn die junge Frau, die sich stets nur in eleganten Outfits teurer Marken präsentierte, auf ihren Werdegang angesprochen wurde, erzählte sie von reichen Eltern und ihrem eigenen Vermögen. Aus der Praktikantin war plötzlich eine Jungunternehmerin geworden, die mit ihrem Geld Kunstprojekte fördern wollte. Damals ahnte noch niemand, dass der ganze Reichtum auf einem Fundament aus Lügen errichtet war. Denn das Geld, mit dem Anna sich ihren Zugang zu luxuriösen Partys und teuren Accessoires verschaffte, stammte von den Auszahlungen gefälschter Schecks. Immer wieder erzählte die junge Frau, ihr würde ein gewaltiges Erbe zustehen und das Geld, was sie für teure Restaurants oder die Hotelbesuche mit ihren Freunden verpulverte, wäre nicht der Rede wert.

Um ihren Lebensstil zu festigen, soll Anna Delvey sogar versucht haben, einen Kredit über 22 Millionen US-Dollar für ihr eigenes Kunstzentrum zu beantragen. Allerdings lehnte die Bank das Darlehen von umgerechnet 18,2 Millionen Euro ab, sodass sich die junge Frau nach neuen Investoren umsah, die eine lockere Brieftasche hatten.

 

 

Das Bröckeln der Fassade

Dutzende Male hat Anna Delvey sich mit Geld, das ihr nicht gehört, ihr Luxusleben versüßt. Sie ließ sich von Freunden und vermeintlichen Geschäftskunden auf schicke Reisen einladen oder organisierte teure Partys und Shopping-Touren. Wenn es ans Bezahlen ging, hatte sie jedes Mal plausible Ausreden dabei. Mal war die Kreditkarte gerade abgelaufen, ein anderes Mal hatte sie ihre Brieftasche vergessen. Ihr Umfeld glaubte die Lügengeschichten, die Anna erzählte. Immerhin musste es stimmen, wenn sie vorher noch mit dem Geld so um sich schmeißen konnte.

Eine Reise nach Marokko wurde ihr allerdings zum Verhängnis. 2017 lud Anna Delvey ihre Freundin Rachel Williams ein, mit ihr für einen Kurzurlaub nach Marrakesch zu fliegen. Sie organisierte eine kleine Villa, die geschlagene 7000 US-Dollar kostete – pro Nacht! Auch die Flugtickets reservierte sie. Aber Williams übernahm die Rechnung, weil es Probleme bei der Bezahlung gab.

Die beiden Frauen waren nicht alleine. Annas Personal Trainer und ein Fotograf flogen mit nach Marokko. Die Vier verbrachten ein paar Tage in dem Luxusresort, schwammen im Pool oder gingen auf großzügige Shopping-Touren. Beim Bezahlen funktionierte dann plötzlich keine der zwölf Kreditkarten, die auf Anna Delvey ausgestellt waren. Rachel Williams musste die Kosten übernehmen.

Wieder zurück in New York wurde der jungen Frau dafür die Rechnung präsentiert: stolze 62.000 Dollar kostete allein das Hotel, in das Anna sie “eingeladen” hatte. Rachel versuchte immer wieder, mit ihrer vermeintlichen Freundin das Gespräch zu suchen, um an ihr Geld zu kommen. Als Anna aber immer wieder abwimmelte und irgendwann auch gar nicht mehr ans Handy ging, wandte sich Rachel Williams schließlich ans FBI. Daraufhin wurde Anna Delvey 2017 in Untersuchungshaft genommen.

 

 

Neues Zuhause und neue Kleider

Ein US-Gericht verhandelte fast zwei Jahre den Fall von Anna “Delvey” Sorokin. Die Betrügerin wurde in sechs Fällen wegen schwerem Diebstahl angeklagt. Neben Rachel Williams saßen auch Hoteliers und Kunsthändler auf der Anklagebank. Nach und nach wurde klar, wie weitreichend die Lügengeschichten der vermeintlichen Junginvestorin tatsächlich gingen. Unter anderem hatte sie von einer Bank 100.000 US-Dollar als Darlehen bekommen, das sie wiederum als Sicherheit nutzen wollte, um ihren Kredit von 22 Millionen Dollar zu beantragen. Die nötigen Dokumente, Telefonate und selbst die Kontaktpersonen hatte Anna alle gefälscht. Erst, als man einen Kontakt mit ihrer vermeintlichen Schweizer Bank herstellen wollte, musste sie ihr Vorhaben abbrechen. Allerdings hatte sie da schon Zugriff auf knapp 55.000 Dollar aus dem Darlehen.

Die Gesamtschulden von Anna Sorokin beliefen sich nach Feststellung des Gerichtes auf 275.000 US-Dollar, was 220.000 Euro entspricht. Die Summe lag aber wohl weit unter dem tatsächlichen Betrag, den die junge Frau sich ergaunert haben dürfte. Das US-Gericht konnte nämlich nur die Rechnungsposten für die Verhandlung verwenden, für die es auch nachweisliche Schuldpapiere gab. Weil einige ehemaligen Freunde und Bekannte von Anna nur ihr Wort bekommen hatten, irgendwann ihr Geld zurückzubekommen, gingen sie leer aus.

Anna Sorokin wurde außerdem zu einer Haftstrafe von vier bis zwölf Jahren auf Rikers Island verurteilt. Die Haute Couture musste sie gegen einen orangenen Gefängnis-Overall eintauschen.

 

 

Neustart ohne Reue

Im Februar 2021 endete die Haftstrafe von Anna Sorokin vorläufig auf Bewährung. Wegen guter Führung durfte die junge Frau den Strafvollzug früher verlassen. Nur wenige Stunden später postete sie bereits wieder auf Instagram. Zu sehen war sie – erneut – in Pose mit dicker Sonnenbrille. Außerdem veröffentlicht sie ein Bild aus dem Film “Basic Instinct” von der männermordenden Sharon Stone. Zu dem Bild schreibt sie: “Pleading for fith.” Auf Deutsch bedeutet das so viel wie “Ich verweigere die Aussage!”

Die New York Times hat Anna Sorokin zu einem Interview gebeten und ihr die Frage gestellt, ob es ihr leidtun würde. Sie antwortete darauf, dass sie es lediglich bedauern würde, wie sie manche Sachen angefangen habe. Auf die Frage, ob sie es wieder machen würde, wenn sie die Chance hätte, antwortete Anna: “Vermutlich schon!”

Tatsächlich scheint der Neustart für Anna “Delvey” Sorokin rosig zu sein. Netflix produziert eine Miniserie zu ihrer Geschichte, die den Titel “Inventing Anna” trägt. Dafür soll die Streaming-Plattform der Hochstaplerin rund 320.000 Dollar gezahlt haben. Von dem Geld dürfte Anna aber kaum etwas sehen. Immerhin muss sie zunächst ihre Schulden von 275.000 Dollar an ihre Opfer zurückzahlen. Außerdem droht ihr die Abschiebung aus den USA, weil sie nur eine deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Bis dahin macht Anna Sorokin aber weiter wie bisher, wie jüngste Bilder auf ihrem Instagram-Account beweisen – mit Luxus und Prunk, den sie sich vermutlich nicht leisten kann!

 

 

Foto: Instagram @theannadelvey

Melanie Bojko
Melanie Bojko
Melanie Bojko bringt als Chefredakteurin der AJOURE´ ihre Expertise und Leidenschaft für Inhalte und Trends in die Medienwelt ein. Neben ihrer redaktionellen Tätigkeit leitet sie die Marketing-Agentur NEBO marketing GmbH, wo sie ihre Fachkenntnisse in praktische Marketingstrategien und -lösungen umsetzt. Berlin, die pulsierende Hauptstadt, ist ihr Zuhause, wo sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern lebt. In ihrer Freizeit taucht Melanie gerne in die Welt der Bücher ein und hat eine Vorliebe fürs Reisen, um neue Kulturen und Orte zu entdecken.

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