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Kolumne: Zeig mir deinen und ich zeig dir meinen… Neue Liebe – neues Risiko!

Es ist also soweit, Frau hat einen neuen Partner und den will sie auch behalten.

Er ist potentiell der letzte Mann in ihrem Leben, endlich der Eine, nach dem sie immer schon gesucht hat. Das glauben wir leider all zu oft und deshalb stellt sich auch all zu oft folgendes Problem: Wir wollen mit dem neuen Partner selbstverständlich auch Sex haben, was an für sich ja kein Problem ist, aber wir wollen diesen dann auch ohne lästiges Gummi haben. Mit viel Gefühl und natürlich viel Vertrauen. Vertrauen? Nein danke! Bloßes Vertrauen in die Aussage meines Gegenübers legen, der vielleicht im dümmsten Fall doch nur seinen Spaß und nicht mich will? Hier bin ich mir selbst die Nächste und das ist auch gut so. Ich will es schwarz auf weiß haben, ein Dokument, das mein Vertrauen in den anderen noch untermauert. Kein Ehevertrag, nein! Aber manchmal habe ich das Gefühl, ich verlange so etwas in der Richtung, denn die Reaktion auf meine Bitte ist oftmals im ersten Moment ein ziemlich verstörter Gesichtsausdruck.

Ich will einen Aids-Test, sonst läuft hier gar nichts ohne Kondom!
Aber wann kann man so etwas vom anderen verlangen, muss man sich dazu schon länger kennen oder ist das nicht auch gleich möglich? Ich für meinen Teil finde, dass ein Test selbstverständlich ist! Wenn ich einen neuen festen Partner habe, mache ich von selbst einen Termin beim Arzt aus und mache einen Test. Es sollte übrigens nicht nur auf Aids, sondern auch auf alle anderen „gängigen“ sexuell übertragbaren Krankheiten, getestet werden. Und den Gang zum Arzt erwarte ich auch von meinem Partner. Ich will hier auch nicht lange bitten und betteln müssen. Nein, für mich ist das eine Selbstverständlichkeit, das gehört sich einfach so! Oder etwa nicht? Wir spielen doch auch kein Russisches Roulette mit einer geladenen Pistole in unserem Privatleben.

Winter mein Name, ich habe einen Termin für ein Aids-Test

Also wieso sollten wir es dann beim Sex tun? Es gibt keinen Grund hier ein unnötig hohes Risiko einzugehen und es ist auch normal, dass jeder Mensch in einem gewissen Alter ein (Sex-)Leben vor uns hatte!!! Aber selbst beim Arzt ist das Thema Aids-Test immer noch ein heikles Thema. Aber wieso? Wieso diese Scham vor etwas, was schon in den Schulen klar gestellt werden sollte. Verhütung, Safer Sex und Aids stehen heutzutage ja wohl auf jedem Stundenplan. Ich komme in die Praxis von meinem Hausarzt, eine riesengroße Rezeption mit vielen Arzthelferinnen, die nur so hin und her wuseln. Viele fleißige Bienchen in rosa Kitteln. Ich bin endlich an der Reihe und sage in einer normalen Lautstärke: „Winter mein Name, ich habe einen Termin für einen Aids-Test.“ Einen kurzen Augenblick hört das Gewusel im Bienenstock auf, als hätte ich die Stopp-Taste auf einer Fernbedienung gedrückt. Die jüngste von den kleinen Arbeiterbienen läuft hochrot an und muss dringend weg. Dann werde ich ganz diskret um die Ecke, an das Ende der Theke, gebeten. Hier werde ich gefragt, was ich alles testen lassen möchte. Aber leider so leise, dass ich die gute Frau einfach nicht verstehe. Irgendwann gibt sie dann auch auf, nachdem ich sie das vierte Mal frage, was sie von mir wissen möchte. Ich habe es beim zweiten Mal zwar schon verstanden, aber ich wollte einfach noch ’ne Runde drehen, da ich ihr Unbehagen förmlich riechen konnte und mich das ganze Getue ziemlich amüsiert hat. Also schickt sie mich in Zimmer 3, weil sie sich einfach nicht traut lauter zu sprechen. In Zimmer 3 angekommen, finde ich 2 Frauen vor, davon ist eine offensichtlich Praktikantin, die sich jetzt schon sichtlich unwohl fühlt. Eine extrem gut aussehende Frau, mit tiefschwarzen Haaren kommt nun auf mich zu und bittet mich Platz zu nehmen. Sie fragt mich, was ich denn testen lassen möchte, weil das komischer Weise noch nicht ausgefüllt sei. Ich antworte ihr: „Alles was sexuell übertragbar ist.“ Sie: „Oh, das ist ja ’ne ganze Latte!“

Kurze Pause. Unsere Blicke treffen sich, ich grinse sie an und sie sagt ganz trocken: „Naja, darauf hoffen sie ja dann wohl auch… ODER?“ Die Praktikantin, die leider keinen rosa Kittel bekommen hat, sondern nur ein graues Shirt trägt, bekommt schon Schweißausbrüche und schaut angesichts der Thematik beschämt auf den Boden. Selbst wenn sie die Arme unten hält, kann sie die dunklen Flecken auf ihrem Shirt nicht mehr verbergen. Endlich ist hier mal jemand, der etwas lockerer mit diesem Thema umgeht! Die Frau nimmt mir Blut ab und weil ja Morgen Wochenende ist, frage ich sie, wie lange ich wohl auf das Ergebnis warten muss. Sie: “Bis Dienstag, schätze ich. Solange müssen sie noch schön brav die Beine zusammenhalten! Schaffe sie das?“ Und so folgt eine Spitze der nächsten… Wir beide laufen zu Höchstform auf. Der kleinen Praktikantin steht der Mund offen und es würde mich nicht sonderlich wundern, wenn sie nach diesem Tag alles hin geschmissen hat. Die Ärmste stand heute wohl mit gerade mal knapp 16 Jahren vor ihrem ersten Herzinfarkt.

Also hier meine Frage: Warum schämen sich so viele vor dem Gang zum Arzt? Man ist kein Held, wenn man das tut, auch wenn man vielleicht Leben rettet. Nein, es ist bzw. sollte einfach nur ganz normal sein!

Foto: istockphoto.com

Mia Winter
Mia Winter
Mia Winter ist bekannt für ihre direkte und unverblümte Art, mit der sie die Themen Liebe und Erotik in ihrer Kolumne bei AJOURE´ angeht. Ihre Texte sind ein mutiges Eintauchen in die Tiefen menschlicher Intimität und Beziehungen, wobei sie kein Blatt vor den Mund nimmt. Mit einer Mischung aus persönlichen Anekdoten und scharfsinnigen Beobachtungen schafft Mia es, ihre Leser zu fesseln und gleichzeitig zum Nachdenken anzuregen. Ihre Kolumnen sind für viele ein Leuchtturm der Ehrlichkeit in einem Meer von Klischees und Tabus.

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