Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es dir – für immer. Das hat Konfuzius ein Mal gesagt und wie wir alle wissen, hatten die alten Chinesen meist Recht. Nur wie sieht es mit diesem Spruch in der Liebe aus? Schließlich gehören wir niemandem außer uns selbst. Und wenn jemand gehen möchte, wieso sollte er wieder zurückkommen wollen?
In Zeiten der Globalisierung stehen die meisten Beziehungen auf kurz oder lange dem Thema Fernbeziehung gegenüber. Entweder möchte der Partner ein Auslandssemester machen, er bekommt ein unwiderstehliches Jobangebot oder er fühlt sich dazu berufen, ein bisschen um die Welt zu reisen. Dies sind nur drei gängige Gründe für eine vorübergehende Distanz zwischen zwei Menschen – und damit kommt nämlich die zweite Person ins Spiel: Was macht sie mit einer solchen Entscheidung? Mitkommen? Zuhause Trübsal blasen? Ziehen lassen und… nicht verzagen? Das hätte wohl der alte Konfuzius gemacht. Natürlich bringt es wenig, seinen Partner zu überreden versuchen, seine Träume nicht zu verwirklichen. Trotzdem ist es eine schwierige Gratwanderung, erstens hinter ihm zu stehen und zweitens sich selbst dabei nicht zu vergessen. Was will man selbst: Möchte man vielleicht auch dem Alltag für einige Zeit den Rücken kehren? Oder steckt man zuhause in eigenen Projekten, die es unmöglich machen, im Traum des Anderen ein Plätzchen zu finden?
So oder so, einen geliebten Menschen ziehen zu lassen ist eine Angelegenheit, die sich keiner wünscht, der verliebt ist. Wir Frauen beziehen so einen Umstand dann auch schnell auf uns bzw. die Beziehung an sich. Möchte er etwa gehen, weil es ihm zu eng mit uns wird? Warum möchte er überhaupt weg von mir? Oder hat das Ganze gar nichts mit mir zu tun? Kann ich vielleicht einfach mitkommen?
Solche Fernbeziehungsprobleme werden von Beziehung zu Beziehung anders gelöst, daher gibt es unter ihnen wunderschöne Beispiele, wie so etwas funktionieren kann sowie Geschichten ohne happy-end. Ob Konfuzius gesagt hätte, dass es dann einfach nicht so sein sollte? Und was ist mit den Menschen, die ihren Partner ganz gehen lassen, also eine Beziehung beenden, aber mit der Hoffnung weiterleben, dass er zurückkommen
wird?
Eine Freundin von mir litt lange unter einer Erkrankung, welche die Partnerschaft irgendwann nicht mehr tragen konnte. Also lies ihr damaliger Freund sie frei. Sie ging in eine Klinik – und kam nie wieder zurück zu ihm. Eine andere Freundin von mir beschloss nach ihrer Ausbildung, ein One-Way-Ticket nach Australien zu kaufen. Obwohl sie in einer festen und äußerst glücklichen Beziehung war. Vielleicht war gerade das der Grund, wieso sie sich überhaupt trauen konnte, diesen Wunsch zu äußern. Sie flog also nach Melbourne, um dort bei einer Einheimischen zu wohnen, zu arbeiten und das Land zu erkunden. Sie blieb ein Jahr lang. Ihren Freund hat sie 11 Monate nicht gesehen, bis er im November zu ihr flog und sie gemeinsam zurückkehrten. Ich hatte damals darauf gewettet, dass die beiden es schaffen würden. Mit der Angst im Nacken, dass ich an keine Beziehung mehr glauben würde, wenn dieses Paar daran scheitern würde. Sie sind es nicht.
Das Leben schreibt die besten (Liebes-)Geschichten. Natürlich auch die Traurigsten. Konfuzius’ Satz hat mir immer geholfen, solche Umstände annehmen zu können und zu akzeptieren, dass das Abenteuer Leben außerhalb der Komfortzone liegt. Dass jeder Mensch anders ist und eine Distanz auf Zeit nicht sofort bedeutet, dass jemand versucht, vor dir zu fliehen. Sondern vielleicht einfach versucht, sich selbst zu finden. Das Schöne am Leben ist ja, dass man zumindest die eigenen Entscheidungen in der Hand hat und überlegen kann, ob man gemeinsam an diesem Strang ziehen möchte, oder, ob man auf ein Mal selbst derjenige ist, der geht.
Fotos: Anika Landsteiner