StartPeopleInterviewsMarie Mouroum: Kampfsportlerin, Stuntfrau und Schauspielerin

Marie Mouroum: Kampfsportlerin, Stuntfrau und Schauspielerin

Wenn es bei internationalen Filmproduktionen gefährlich wird und selbst Superhelden-Schauspielerinnen nicht mehr weiterwissen, dann ist es für Marie Mouroum Zeit, sich aufzuwärmen und in den Tag zu starten. Sie wird an Seilen durch die Luft geschleudert, springt aus Autos, durch Fenster und über alles, was ihr im Weg steht. Wenn das nicht hilft, packt sie eine ihrer vielen akribisch gelernten Kampfsportarten aus und lehrt Feinden das Fürchten. Im wahren Leben ist Marie aber alles andere als eine furchteinflößende Kampfmaschine. Sie lacht viel, hat einen großartigen Humor und strotzt nur so vor Energie. Wie sie zu Stuntfrau wurde, in welche Rollen sie bereits schlüpfte und wohin ihre Reise gehen soll, verriet sie uns im Interview, während wir mit ihr durch Berlin liefen.

Vom Berliner Model zur Stuntfrau und Schauspielerin neben den größten Stars dieser Welt, wie Angelina Jolie, Chris Hemsworth, Scarlett Johansson und Robert Downey jr. Was ist das morgens für ein Gefühl, wenn du aufwachst?

Also vom Gefühl her ist es genau gleich. Trotzdem bin ich sehr stolz darauf, dass ich diese Chance bekommen habe, meinen Traum auszuleben. Das ist mir jeden Tag bewusst. Es ist ein gutes Gefühl die Ehre zu haben, seinen Traum zu verwirklichen.

Du hast schon so viel erreicht, von dem andere nur träumen können. Planst du dennoch weiter? Wohin soll die Reise für dich in den nächsten Jahren gehen?

Ich bin noch nicht an dem Punkt gekommen, an den ich eigentlich möchte. Es gibt noch ganz viele Ziele in meinem Leben und ich habe noch so viele Sachen vor. Ich liebe die Stuntkarriere, möchte aber auch mehr in den Schauspiel-Bereich gehen. Dieser Job hat mir ganz viele Türen geöffnet. Jetzt möchte ich als eigener Charakter mehr in das Schauspiel gehen.

Bist du morgens aufgewacht und dir war klar: Ich bin Stuntfrau – oder wie kam das?

Nein, ganz und gar nicht. Ich war schon mein Leben lang in das Film-Business involviert, weil ich als Kind in einer Schauspielagentur war. Werbungen und Aufträge für Sportmodels habe ich dort unter anderem abgedreht. Seit ich acht oder neun Jahre alt bin, mache ich schon Kampfsport. 2008 wurde in Berlin der Film Ninja Assassin gedreht. Für den Film wurden ganz viele Kinder gesucht, die im Hintergrund Kampfsport machen. Damals war ich 15 Jahre alt und wusste noch gar nicht, dass es den Beruf Stuntman bzw. Stuntfrau gibt. Dann habe ich gesehen, wie diese Stuntleute komplett ausrasten. An dem Set habe ich auch meinen heutigen besten Freund kennengelernt.

Ich hatte damals gar nicht die Absicht Stuntfrau zu werden. Ich wollte einfach nur die gleichen Moves draufhaben. Seitdem ich 15 Jahre alt bin, habe ich mit ihm ganz viel Judo und Taekwondo trainiert. Außerdem sind wir zu Akrobatikshows gefahren und haben dort zusammen gelernt. Als ich 18 war, bekam ich eine Anfrage für den Film „Hänsel und Gretel Hexenjäger“. Dort wurden Stuntfrauen gesucht, die Hexen spielen. Das war dann auch meine erste Stuntrolle auf der großen Leinwand.

Nach dem Film wurde ich immer wieder für Stuntrollen angefragt und bin auf diese Weise in dieser Nische geblieben.

Welche Kampfsportarten beherrschst du?

Ich komme aus dem traditionellen Kyokushin Karate. Das ist Vollkontaktsport, den ich international gekämpft habe. Ich beherrsche aber auch Pencak Silat. Das ist eine Form des Kung-Fu aus Indonesien. Das habe ich ebenfalls international gekämpft und wurde 2007 in Singapur Weltmeisterin. Judo und Taekwondo sind dann später mit dazu gekommen. Ob ich eine Lieblingssportart habe kann ich nicht sagen. Ich liebe die Kunst an sich dahinter. Man lernt miteinander und voneinander. Es ist ein Training für Körper und Geist, weil ganz viel dabei im Kopf stattfindet.

Deine erste feste Rolle in einem Marvel-Film hast du dir bereits gesichert. Sollte Black Panther 2 erscheinen (und er ist für 2021 angesetzt), dann wirst du wieder als Kämpferin der Dora-Milaje-Bodyguard-Frauen am Start sein. Gibt es schon News?

Ich gehe schwer davon aus, dass ich die Rolle wieder bekomme, aber man weiß es nie. Spätestens Ende Sommer, also im September oder im Oktober, sollte ich mehr darüber wissen. Ich fände es super schön, wenn die anderen Stuntfrauen auch wieder mit am Start wären. Wir haben uns richtig gut beim Dreh des ersten Teils kennengelernt. Und selbst, wenn es jetzt mit Marvel vorbei ist, habe ich trotzdem sehr wichtige Erfahrrungen für mein Leben gemacht.

Marie Mouroum Interview

Aktuell drehst du für James Bond in England. Wirst du hier reine Stuntfrau sein oder schlüpfst du in eine Rolle?

Momentan bin ich im Stuntteam und double die Hauptdarstellerin. Wenn mich das Stuntteam gehen lässt und von der Produktion her klar ist, dass sie kein Stuntdouble mehr brauchen, dann habe ich eine kleine Chance auf eine Rolle vor der Kamera. Das ist davon abhängig, wie jetzt der Drehplan verläuft. Mit ganz viel Glück kriege ich aber tatsächlich eine Rolle.

Wie sieht denn so ein typischer Drehtag bei dir aus?

Für Bond haben wir gerade zwei Wochen in Jamaika gedreht. Das war sehr entspannt. Wir waren oft an den Stränden. Momentan bereiten wir eine Szene in England vor und müssen dort gerade ganz viel proben. Das heißt, wir sind am Set, bereiten alle Stunts vor und üben diese bis zum Umfallen. Das Material wird dem Regisseur und den Schauspielern gezeigt. Die geben dann ihre Meinungen dazu ab. Eventuell müssen dann im Nachhinein Szenen geändert werden, bis sie perfekt aussehen.

Gibt es Unterschiede von der Schwierigkeit der Stunts zwischen Filmen wie James Bond und z. B. Avengers? Oder ist das alles irgendwie ähnlich?

Also für mich ist es ein großer Unterschied. Bei Avengers wird sehr viel mit CGI gearbeitet. Ich habe also buchstäblich mit der Luft gekämpft und mir vorgestellt, dass dort sieben Meter hohe Viecher vor mir stehen. Es gibt eine coole Aufnahme von mir, wie ich nur mit der Luft kämpfe. Erst später im Film habe ich überhaupt gesehen, was ich da gemacht habe. Das ist der Unterschied für mich. Bei Marvel wird ganz viel im Nachhinein bearbeitet und bei Bond wird eher auf praktische Effekte gesetzt.

Gab es denn schon Situationen am Set, in denen du tatsächlich Angst vor einem Stunt hattest?

Ich würde es eher als Respekt bezeichnen. Für manche Stunts bedarf es mehr Überwindung als für andere. Bei manchen Aktionen ist man einfach froh, dass es gutgegangen ist.

Was war denn dein gefährlichster Stunt?

Ich komme ja aus dem Kampfsport und ich liebe es zu kämpfen und zu performen. Alles, was damit zu tun hat, ist mein Ding. Sich von einem Auto anfahren zu lassen oder in einem Auto zu sitzen, während es mit einem anderen Auto zusammenkracht, habe ich schon hinter mir. Stunts, die an Seilen durchgeführt werden, sind generell gefährlich, weil du keine Kontrolle über deinen Körper hast, wenn du erstmal in der Luft bist. Verletzt habe ich mich zum Glück noch nie ernsthaft. Ein paar kleinere Verletzungen zieht man sich in diesem Beruf immer zu. Das kann man nicht vermeiden.

Gibt es etwas, was du stunt-technisch nicht tun würdest?

Man hat das Gefühl, dass man so etwas nicht sagen soll, weil die Stuntleute immer taff sein wollen. Es ist aber sehr wichtig, seine eigenen Grenzen zu kennen und damit offen am Set umzugehen. Es kommt sogar vor, dass Leute dann anfangen zu lachen, weil sie so eine Ehrlichkeit noch nie vorher im Stuntgeschäft gehört haben. Durch mein umfangreiches Training bin ich jedoch beim momentanen Dreh sehr gut auf alles vorbereitet.

Wie lange übt man denn in der Regel für die einzelnen Stunts?

Das kann ich jetzt nicht so beantworten. Das kommt immer auf den Stunt an. Je anspruchsvoller der Stunt, desto mehr Zeit brauche ich für die Vorbereitung. Außerdem hängt meine verfügbare Zeit auch vom Produktionsbudget ab.

Angenommen du hast eine Tochter. Wärst du damit fein, wenn sie auch Stuntfrau werden will?

Damit würde ich auf jeden Fall klarkommen. Natürlich würde ich ihr sagen, dass man sich in dieser Angelegenheit nicht überschätzen sollte. In diesem Job musst du dich selbst sehr gut einschätzen können. Nichtsdestotrotz ist es ein toller Beruf, in dem du immer mit etwas Neuem konfrontiert wirst.

Am 16. Oktober startet Maleficant 2 in den Kinos. Hast du wieder eine Rolle bekommen oder tobst du dich als Stuntfrau aus?

Tatsächlich habe ich keine Rolle, sondern bin „nur“ das Stuntdouble für eine der Feen. Es war auf jeden Fall eine tolle Erfahrung.

Training wird bei dir ganz großgeschrieben. Wie sieht dein Wochen-Workout aus? Wie viel Disziplin muss man haben, um hier ganz vorne mitspielen zu können?

Training ist das A und O. Am besten trainierst du jeden Tag und immer verschiedene Sachen. Ich bin wie gesagt nicht nur im Kampfsport zu Hause, sondern mache auch viel Turnerei, Akrobatik, gehe manchmal tanzen, versuche ein wenig Breakdance zu lernen und ganz nebenbei gehe ich dann noch ein bisschen klettern. In dem Bereich helfen alle möglichen Sportarten. Fitnesstraining, Krafttraining und Kardiotraining stehen immer mit auf dem Plan.

Wie sieht es bei dir in Sachen Ernährung aus?

Ich bin bestimmt kein Ernährungsfreak. Ich liebe Schokolade und es vergeht kein Tag, an dem ich sie nicht esse. Trotzdem lebe ich gesund und versuche auch nur Lebensmittel zu mir zu nehmen, von denen ich weiß, dass sie gut für mich sind. Fastfood oder ähnliches würde ich zum Beispiel niemals essen. Ich ernähre mich fast vegan. Außerdem trinke ich fast nie Alkohol. Der Zucker und die Schokolade sind meine Aussetzer.

Marie Mouroum

Wenn du in einer Beziehung bist und in eine Diskussion gerätst, geht dein Partner dann schon mal vor dir in Deckung oder diskutierst du sachlich? 🙂

Neee (lacht). Im Beruf und beim Stunts drehen lebe ich meine Action komplett aus. Im Privatleben bin ich nicht unbedingt kampfbedürftig. Was mir wichtig wäre ist, dass mein Partner auf jeden Fall auch sportlich aktiv ist. Er muss das ja nicht auf meinem Niveau machen oder alles mitmachen, aber das generelle Interesse an Sport ist mir wichtig. Für mich ist Sport ein extrem wichtiger Punkt im Leben. Ich könnte mir nicht vorstellen mit einem Mann zusammen zu sein, der keinen Sport mag.
Ansonsten gestaltet sich eine Beziehung für mich noch auf andere Art und Weise schwierig. Ich bin ja immer unterwegs und bin ständig von anderen Männern umgeben. Die Stunt-Branche ist von Männern definitiv dominiert. Als Partner brauchst du in dieser Hinsicht ein starkes Selbstbewusstsein. Anders herum würde ich es genauso sehen.

Wie ist die Resonanz von Männern und Frauen auf Social-Media im Hinblick auf deine Arbeit?

Es kommt relativ viel Feedback. Besonders auf die Videos, in denen ich irgendwelche Moves poste. Ein Foto mit dem Star Wars-Stuntteam ist auch sehr beeindruckend. Ich habe das Gefühl, dass es eher Frauen sind, die mir schreiben, dass ich sie inspiriere. Von Männern bekomme ich natürlich auch Nachrichten. Möglicherweise sind sie auf Social-Media-Plattformen eher eingeschüchtert.

Wie kamst du zu deinen Rollen in Amerika?

Bevor ich die Rolle in Black Panther bekommen habe, war ich nur in Deutschland beruflich aktiv. Zwischenzeitlich habe ich kurz gedacht, dass ich den falschen Beruf gewählt habe. Als ich dann mit meinem Studium fertig war, kam der Anruf aus Amerika. Ich wusste nicht einmal, für welchen Film ich nach Atlanta fliege. Ein paar Tage später wurde ich in der Business-Class dorthin geflogen.

Im Filmstudio habe ich dann bei einem Casting mitgemacht. Das ging ungefähr eine halbe Stunde. Direkt danach bin ich auch sofort wieder in den Flieger gestiegen und zurück nach Berlin geflogen. Das war bisher eine der heftigsten Erfahrungen meines Lebens.

Beim Casting musste ich verschiedene Kampfchoreos nachmachen und vor dem Regisseur ordentlich die Powerfrau raushängen lassen. Anscheinend habe ich überzeugt, denn ich bin die erste deutsche Stuntfrau, die für einen Film nach Amerika geholt wurde. Durch Avengers haben sich so einige Türen für mich geöffnet. Alleine in Amerika habe ich ja schon drei Filme gedreht. Hier in Europa kommen jetzt Filme wie James Bond, Star Wars oder Maleficant 2 noch mit dazu.

Der Regisseur von Black Panther hat mich mehrmals intern abgelehnt, bevor ich überhaupt eingeladen wurde. Das größte Kriterium für die Auswahl der Stuntfrau war, dass sie dark-skin sein muss. Beim Casting war ich vom Hautton her mit Abstand die hellste. Aber der Stuntkoordinator hat mich dreimal bei ihm vorgeschlagen und mich dann einfach eingeladen, obwohl ich dreimal abgelehnt wurde. So viel Glück musste ich erst einmal haben. Dafür bin ich extrem dankbar.

Was steht produktionstechnisch nach Bond an?

Nach Bond werde ich in einer Serie für ZDF-Enterprise eine Hauptrolle spielen. Die Serie heißt „Beat‘em up“. Das ist eine Art Kampfsport-Spiel, welches man über eine App und Social-Media verfolgen kann. Es ist ein bisschen wie UFC nur etwas persönlicher. Es gibt drei Hauptcharaktere, von denen auch gezeigt werden soll, warum sie dort antreten. Die verschiedenen sozialen Hintergründe werden ebenfalls beleuchtet. Wir haben aber noch nicht mit dem Dreh angefangen. Entweder startet es Ende dieses Jahres oder Beginn 2020.

 

Fotos: Manuel Cortez

AJOURE´ Redaktion
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