Was gibt es Schöneres als den Beginn einer Beziehung, wenn alles rosig und der neue Partner einfach rundum perfekt erscheint? Doch für viele Menschen wird diese Erfahrung getrübt durch die Sorge, den geliebten Menschen nicht halten zu können. Verlustängste können verschiedenste Gründe haben, doch gibt es Wege, sie zu überwinden.
Die Wurzel allen Übels: So entstehen Verlustängste
Wie bei vielen psychischen Problemen liegt die Ursache für Verlustängste häufig in der Kindheit. Menschen, die ohne einen Elternteil aufwachsen mussten – sei es wegen einer Scheidung oder eines Todesfalles – übertragen dieses traumatische Erlebnis mitunter auf ihre Partner. Doch auch das Gegenteil kann zu Verlustängsten führen: Überprotektive Eltern nehmen ihren Kindern jede Entscheidung ab und verhindern so, dass gesunde Bewältigungsstrategien entwickelt werden. Soziale Interaktion wird somit zur Herausforderung – insbesondere, wenn es um die emotionale Nähe in einer romantischen Beziehung geht. Diese Unsicherheit kann sich noch verstärken, wenn ein Mensch oft von seinem Partner verlassen wurde. Dabei wird die Angst jedoch nicht von dem Verlust selbst ausgelöst, sondern weil nie der richtige Umgang mit Trauer erlernt wurde.
Auswirkungen auf Beziehungen
Hinter all diesen Auslösern steht letztlich mangelndes Selbstvertrauen und das Gefühl, nicht liebenswert genug zu sein. Aus diesen Gründen fühlen Betroffene sich oft unzulänglich gegenüber dem Partner oder einsam selbst innerhalb einer Beziehung. Obwohl es objektiv gut im Liebesleben läuft, haben Betroffene oft ein schlechtes Gefühl oder können sich bei ihrem Partner nicht richtig fallenlassen. Verstärkt wird dieser Eindruck noch von Bindungsängsten, die oft mit Verlustangst einhergehen. Problematisch für die Partner von betroffenen Personen ist, dass sie nicht wirklich helfen können.
Ein derartig verunsicherter Mensch wünscht sich natürlich Bestätigung von seinem Gegenüber. Um ihn an sich zu binden, erbringt er permanent Liebesbeweise und überhäuft seinen Partner mit viel zu viel Aufmerksamkeit – und treibt ihn dadurch eher von sich weg. Denselben Effekt hat übertriebene Eifersucht. Aus Angst, durch jemand Besseren ersetzt zu werden, wird jedes kleine Indiz als Zeichen der Untreue betrachtet, egal, wie irrational es erscheinen mag.
Diese drei typischen Strategien der Verlustangst können einen Partner leicht überfordern, sodass dieser sich zurückzieht. Als Resultat wachsen die Verlustängste – und somit beginnt der Teufelskreis von neuem.
Wege aus dem Teufelskreis: Wie du Verlustängste überwindest
Um diese oft lange eingeschliffenen Verhaltensmuster zu korrigieren, bedarf es Geduld, nicht nur vom sozialen Umfeld, sondern auch von sich selbst. Bei der Suche nach den Ursprüngen der Verlustangst kann eine Psychotherapie helfen. In Gesprächen mit einem Profi kannst du herausfinden, wie frühere Verluste dein Selbstwertgefühl angegriffen und somit zu den jetzigen Symptomen der Verlustangst geführt haben. Über die eigenen Verhaltensmuster zu reflektieren, kann helfen zu erkennen, ob man durch die Strategien der Verlustangst (Einforderung, Überhäufung, Eifersucht) womöglich abschreckend auf andere Menschen wirkt.
Dabei ist jedoch wichtig, nie zu vergessen, dass diese Mechanismen nichts daran ändern, dass du liebenswert und wertvoll bist. Dafür bist du nicht auf deinen Partner angewiesen. Versuche, eine negative Reaktion deines Partners nicht persönlich zu nehmen, sondern sie im Kontext der Situation zu betrachten. Um deine Gedanken nach einem schwierigen Gespräch zu sortieren, kann es helfen, sie aufzuschreiben. Damit kannst du nicht nur die eigene Stressbewältigung nachvollziehen, sondern auch das Verhalten des Partners reflektieren. Versuche dabei, dir seine Liebesbeweise bewusst zu machen, statt dich auf negative Gefühle zu versteifen.
Zudem solltest du dir klarmachen, dass dein Partner dir nicht gehört. Er ist nicht verpflichtet, seine eigenen Bedürfnisse gegenüber deinen zurückzustellen. Du brauchst ihn auch nicht, um zu überleben, sondern ihr bereichert gegenseitig euren Alltag. Das bedeutet aber nicht, dass dein Partner dir nicht helfen kann, deine Verlustängste zu bewältigen. Sprich offen mit ihm darüber und erkläre ihm deine Situation. Gemeinsam könnt ihr dann Schritte erarbeiten, die euch als Paar stärken, wie Hobbys und Rituale. Weitere Hilfe bieten dabei Paartherapien, die auch deinem Partner helfen können.
Ein starkes Selbstvertrauen stärkt auch deine Beziehung
Neben der Beziehungsarbeit ist es wichtig, das eigene Selbstwertgefühl und die Sozialkompetenzen zu fördern. Denn egal, wie hart du arbeitest, manchmal halten Beziehungen einfach nicht. Mach dir bewusst, dass die meisten Menschen diese Erfahrung durchmachen – und sie ist für jeden schmerzhaft. Ein sicherer Kreis aus Familie, Freunden und Bekannten kann dir helfen, bei einer Trennung nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. In einem stabilen Sozialgefüge verteilt sich der Fokus von der Partnerschaft auf andere Bezugspersonen, sodass das Gefühl der Abhängigkeit schwindet. In diesem Netzwerk kannst du Vertrauen üben, die eigene Wahrnehmung der Realität prüfen und Verhaltensänderungen austesten. Der sichere Rahmen bestärkt das Wissen darum, Verlusten nicht hilflos gegenüberzustehen.
Der Weg aus der Verlustangst ist beschwerlich, insbesondere, da bestimmte Verhaltensmuster oft jahrelange Gewohnheiten geworden sind. Es braucht Zeit, um sich die eigenen Fehler einzugestehen und an sich zu arbeiten, doch ist es die Mühe wert. Denn Verlustangst wirkt sich nicht nur auf die Partnerschaft aus, sondern erschwert es insgesamt, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. Egal, ob du ihn alleine oder mit einem Therapeuten zusammen tun willst – es ist wichtig, den ersten Schritt überhaupt zu machen.
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