In einer Welt, in der harte Pornographie nur einen Mausklick entfernt ist und eine völlig durchsexualisierte Gesellschaft kaum mehr Tabus kennt, klingt der Begriff Händchenhalten ungefähr so aufregend wie ein Seminar über das deutsche Steuerrecht. Doch weit gefehlt. Denn wahrscheinlich ist diese unschuldige Geste eine der magischsten Berührungen überhaupt, die zwischen zwei Menschen ausgetauscht werden kann.
Jeder erinnert sich noch an die erste Liebe, an das vorsichtige Herantasten an seinen Schwarm. An die schüchternen Blicke und das Kribbeln im Bauch, wenn der andere zurücklächelt. An das behutsame Annähern von Händen und vor allem an die Euphorie in dem Moment, in dem du merkst, dass die andere Hand nicht zurückgezogen wird, sondern im stummen Einverständnis mit deinen Gefühlen mit deiner Hand verschmilzt – ein Moment voller Zauber. So unschuldig, und doch ein Versprechen auf mehr.
Der Mut, der dazu gehört, die Hand eines anderen Menschen zu nehmen, sollte auf keinen Fall unterschätzt werden. Denn diese Geste ist ein Bekenntnis zu deinen Gefühlen, die du dir von der anderen Person zwar erhoffst, derer du dir aber nicht sicher sein kannst. Es ist ein Verlassen der Komfortzone. Ein Flug auf Sicht ohne Geräte. Wir wollen die Bedeutung des ersten Kusses keinesfalls herabwürdigen, doch kann man sich zu diesem Zeitpunkt in der Regel schon sicher sein, dass die Gefühle auf beiden Seiten vorhanden sind, während das Tasten nach der Hand des anderen eher einem hoffnungsvollen Stochern im Nebel gleicht.
Wir liefern dir hier Argumente, warum das Händchenhalten so schön, so wichtig und so besonders ist, und was es über deine Beziehung aussagt.
Jeder kann es tun – immer und überall
Die Geste, einander an den Händen zu halten, kennt weder Alter noch räumliche oder zeitliche Limits. Es bedarf auch keiner besonderen Fähigkeiten. Es ist eine Geste für jedermann. Kaum eine Situation ist vorstellbar, in der Händchenhalten unangebracht wäre. Du kannst die Hand deines Liebsten sogar auf einer Beerdigung nehmen, ohne irritierte Blicke zu ernten. Gerade weil diese Geste so unschuldig und so alltäglich ist, ist sie so besonders. Und zwar für Menschen jeden Alters. Ob frisch verliebtes Teenagerpärchen im Kino oder 85jähriges Ehepaar im Park – Händchenhalten ist immer angebracht.
Glücklicherweise ist Händchenhalten auch ohne jede Vorkenntnis möglich. Die Angst, etwas falsch zu machen wie beim Küssen oder dem ersten Sex, spielt hier keine Rolle. Händchenhalten ist nichts, was man mühsam erlernen muss. Nichts, was Erfahrung voraussetzt, um es gut zu machen. Es ist auch nichts, was Person A besser kann als Person B. Du musst keinem Vergleich standhalten. Wir haben noch nie den Satz gehört „Oh, die Julia kann aber toll Händchenhalten.“ In einer Welt, in der nur allzu oft die eigene Performance kritisch beäugt wird, ist es geradezu befreiend, etwas tun zu können, das wie von selbst läuft.
Eine Geste der Zusammengehörigkeit
Wenn zwei Menschen Hand in Hand durch die Welt gehen, ist das nichts weniger als ein klares Bekenntnis zum Partner. Wir gehören zusammen – und jeder darf es wissen. Es ist ein Signal sowohl an den Partner als auch an die Welt. Es ist eine sehr leise Geste, kein marktschreierisches Demonstrieren eines Besitzanspruchs – und doch genügt es völlig, um das auszudrücken, was es bedeutet. Um Zusammengehörigkeit zu signalisieren, ist es nicht notwendig, mit der eigenen Zunge nach den Speiseresten im Mund des anderen zu wühlen. Händchenhalten ist dezent, aber doch nachdrücklich und klar.
Zudem schafft Händchenhalten Nähe. Und was Nähe schafft, stärkt die Liebe. Es gibt viele Dinge, die du tun kannst, um deine Beziehung zu festigen. Händchenhalten ist eines der einfachsten davon. Es ist eine kleine Geste mit großer Wirkung. Denn es zeigt, dass du nicht allein bist in dieser Welt. Das Leben lässt sich zu zweit besser meistern und jemanden an deiner Seite zu wissen, gibt Sicherheit, Ruhe und Geborgenheit. Es bedeutet, dass du einen Verbündeten in deinem Leben hast, jemanden, der dir zur Seite steht und dich unterstützt. Es muss nicht gleich ein „Wir gegen den Rest der Welt“ – Statement nach dem Vorbild von Bonnie und Clyde sein, jedoch schweißt diese Nähe, die für alle sichtbar ist, mehr zusammen als du vielleicht denkst.
Händchenhalten als erotische Komponente
Das erste Händchenhalten ist auch deswegen so zauberhaft, weil es auf eine eigentlich völlig harmlose Art das erste Mal die natürliche Distanzzone, die jeder Mensch um sich herum aufgebaut hat, durchbricht. Es ist ein Hineintasten in die Welt des anderen. Ein Versuchsballon, um herauszufinden, ob man sich miteinander auch körperlich wohlfühlt.
Händchenhalten kann daher auch ein Versprechen auf mehr sein. Die Hände sind hochempfindliche Körperteile, die aufgrund der Anzahl von Nervenenden besonders sensibel auf Berührungen reagieren. Durch die Alltäglichkeit dieser Geste hat der erotische Aspekt bedauerlicherweise etwas gelitten. Jedoch ist es nie zu spät, um die Sinnlichkeit wieder zu entdecken, die entsteht, wenn du mit den Fingerspitzen über die Handflächen deines Liebsten streichelst. Welche Blicke du ihm dabei zuwirfst, und welche Worte du ihm währenddessen ins Ohr flüsterst, bleibt selbstverständlich dir überlassen. Der Fantasie sind jedoch keine Grenzen gesetzt.
Das Spielen mit den Fingern und Händen kann ein sehr schönes Vorspiel sein, gerade wenn ihr euch in der Öffentlichkeit befindet und daher gerade keine andere Art der Berührung möglich ist.
Leider gerät das Händchenhalten heute in so manchen Beziehungen oft in Vergessenheit. Ob es aus Bequemlichkeit oder Nachlässigkeit nicht mehr geschieht, spielt keine Rolle. Es wäre jedoch sehr schade, wenn die Bedeutung dieser Geste und deren Wirkung auf deine eigene Beziehung keine Wertschätzung mehr erfährt. Hab auch keine Angst davor, einfach mal wieder die Hand deines Partners in der Öffentlichkeit zu nehmen, auch wenn du es länger nicht mehr getan hast. Er wird es nicht als Klammern oder als Ausdruck von Besitzdenken ansehen, sondern als liebevolle Geste der Zuneigung. Probiere es einfach aus! Deine Beziehung wird davon profitieren.
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