Wenn sich der Stresspegel zunehmend hochschraubt, hat jeder Mensch seine eigenen Strategien, um damit umzugehen. Vermutlich würdest du nicht auf die Idee kommen, dich an einer Atemtechnik zu versuchen, die die amerikanischen Navy Seals mit Erfolg in Stresssituationen anwenden. Doch es lohnt sich, sich für den Notfall mit dem sogenannten Box Breathing zu befassen.
Was ist Box Breathing?
Es geht dabei um eine simple, aber effektive Atemtechnik, die dir in Stresssituationen zu mehr Gelassenheit und Konzentriertheit verhilft. Bei den Navy Seals sind Stresssituationen Alltag. Schließlich wird die am besten trainierte US-Spezialeinheit der Erde für extrem gefährliche Einsätze abkommandiert.
In Gefahrensituationen ist jeder angespannt und fokussiert. Stresshormone fluten den Körper. Doch man darf ihrem Einfluss nicht erliegen. Es ist kein Zufall, dass bei den Navy Seals nur ein einziger von 1.000 Bewerbern den Selektionsprozess übersteht und die Grundausbildung beginnt. Diese ist so hart, dass nur 15 Prozent der Neulinge sie zu Ende bringen.
Worum geht es beim Box Breathing?
Ungeteilte Aufmerksamkeit, konzentriertes Registrieren dessen, was geschieht, ständige Reaktionsbereitschaft und die Fähigkeit zu schnellen Entscheidungen garantieren das eigene Überleben, wenn Navy Seals im Einsatz sind. Um dem situativen Stress in Extrem-Situationen zu begegnen, ist hartes Training nötig.
Vor allem das Mentaltraining wird als Geheimwaffe am Einsatzort angesehen. Eine der Techniken, mit denen Navy Seals sich in Stresssituationen behelfen, kann auch dir im Alltag helfen. Das Box Breathing ist eine wirkungsvolle Technik, um selbst unter Adrenalineinfluss Ruhe, Gelassenheit und Konzentriertheit auszustrahlen.
Box Breathing step by step
Diese Atemtechnik besteht je nach Interpretation aus vier Phasen plus der vorbereitenden Ausatmung. Diese wird manchmal als Schritt eins von fünf genannt. Zum Üben dieser Atemtechnik empfiehlt sich ein ruhiger Raum, in dem du das Box Breathing trainieren kannst, bis es sitzt.
Vorbereitung: Nimm einen aufrechten Sitz ein. Atme nun langsam aus, bis sämtlicher Sauerstoff aus deinen Lungen entwichen ist. Wichtig ist, dass du die vorbereitende Ausatmung ganz bewusst vornimmst. Deine volle Konzentration ist beim Ausatmen.
Schritt 1: Während du in aufrechter Haltung langsam und bewusst einatmest, zählst du im Geiste langsam bis vier. Du konzentrierst deine Gedanken lediglich auf das Einströmen der Luft durch deine Lungen und bis in den Bauch.
Schritt 2: Nun hältst du die Luft an und zählst langsam bis vier.
Schritt 3: Im Anschluss atmest du die Luft durch den Mund langsam aus. Du zählst dabei erneut bis vier. Du konzentrierst dich dabei darauf, wie die Luft aus deinem Körper weicht.
Schritt vier: Bevor du diese Übung wiederholst, pausiert du den Atem und zählst wieder bis vier. Diese einfache Sequenz wird fünf bis zehn Minuten lang geübt.
Was ist der Effekt dieser Atemtechnik?
Das bewusste Atmen und Pausieren hinterlässt ein Gefühl der Konzentriertheit auf dich selbst statt auf den Stress, der dich vereinnahmen will. Dein Geist wird ruhig, dein Körper entspannt sich. Du gönnst dir vor dem nächsten Schritt in die stressige Situation eine Atempause und schöpfst Kraft.
Sobald du deine Atmung bewusst kontrollierst, wird sie tiefer. Das langsame Zählen begünstigt eine tiefe Bauchatmung. Der bewusste Atemvorgang beruhigt das Nervensystem. Er regelt die Hormonausschüttungen auf ein normales Maß herunter und fokussiert den Geist auf die Arbeit oder Situation, die bewältigt werden muss.
Wann immer du dich gestresst und nervös fühlst, geht dein Atem automatisch schneller. Der Körper verbraucht unter Stress mehr Sauerstoff. Der Herzschlag erhöht sich. Mit dem Box Breathing kannst du diese Vorgänge effektiv kontrollieren. Nach einem unruhigen, erlebnisreichen, stressigen Tag kannst du diese Atemtechnik auch verwenden, um besser einschlafen zu können.
Bewusstes Atmen sorgt für physiologische Anpassungen
Der Organismus reagiert auf das Box Breathing mit physiologischen Anpassungen: Er reguliert deine Stressempfindlichkeit herunter. Er verringert die Hormonausschüttungen und entspannt die Muskulatur. Der Organismus senkt mit zunehmender Beruhigung sowohl den Blutdruck als auch die Körpertemperatur. Der unter Stresseinfluss abgeflachte Atem wird wieder tiefer.
Wenn du dich verspannt, ängstlich, verstimmt, nervlich überreizt oder deprimiert fühlst, solltest du es also mit dem Box Breathing versuchen. Mit Mentaltraining kannst du eine Menge tun, um dich wieder in die Spur zu bringen.
So neu ist diese Idee übrigens gar nicht. Das buddhistische Geistestraining und die Atem-Meditation zielen auf dieselben Dinge ab. Sie gehen in ihren angestrebten Zielen allerdings sehr viel tiefer als das Box Breathing.
Der Atem nimmt Einfluss auf den Geisteszustand
Dass Box Breathing auch die Stimmung und die Geistestätigkeit beeinflusst, ist nicht so erstaunlich, wie es klingt. Bewusst tief einzuatmen, erhöht den Sauerstoffgehalt des Blutes. Die tiefe Bauchatmung entspannt den Körper. Dieser Effekt wird seit Jahrhunderten bei der Meditation auf den Atem genutzt.
Die Konzentration steigt mit zunehmendem Atemtraining. Du kannst dich vom Stress weg auf die eigentlich wichtigen Dinge konzentrieren. Dein Stresspegel sinkt, deine geistige Frische verbessert sich. Viele Menschen in Berufen, die mit Hektik, Stress und potenziellen Gefahrensituationen behaftet sind, nutzen das Box Breathing, um ihre Nerven zu beruhigen.
Durch die kontrollierte Tiefenatmung werden diverse Körperfunktionen positiv beeinflusst. Daher kannst du diese einfache Atemtechnik auch bei Panikattacken, Ängsten, Stress, post-traumatischen Belastungen oder leichten Depressionen nutzen. Die bewusste Tiefenatmung kann durch den entspannenden Effekt außerdem schmerzlindernd und schlaffördernd wirken.
Tipps, die beim Üben helfen können
Wichtig ist für Übende, einen gleichmäßigen Atemrhythmus zu etablieren. Zu tiefes und schnelles Ein- und Ausatmen oder zu schnelles Zählen können zu Schwindel führen. In diesem Fall solltest du eine Weile ruhig sitzenbleiben und ganz normal weiteratmen.
Mit der Zeit gewöhnt sich der Körper an das Box Breathing. Mit jeder Übungssequenz wirst du es besser beherrschen, weil dein Lungenvolumen sich erweitert. Zudem gewöhnen sich Geist und Körper an diesen Atemrhythmus. Viele Läufer schalten beim Lauftraining automatisch in einen ruhigen Atemmodus, der dem Laufen dient.
Gleiches passiert, wenn du das Box Breathing regelmäßig übst. Schließlich kannst du es in jeder Lebenslage anwenden. Wer meditiert, kann das Box Breathing zusammen mit einem kurzen Mantra wie OM üben. Das Mantra wird beim Ausatmen durch den Mund stimmlos ausgehaucht.
Wann sollte man das Box Breathing unterlassen?
Problematisch kann das Box Breathing für Menschen sein, die durch eine Lungenfunktionsstörung, Asthma, eine Raucherlunge, COPD oder Corona-Spätfolgen vorbelastet sind.
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Quellen: medicalnewstoday.com; flowlab.com; flowgrade.de