StartLifestyleFoodStevia: Wie gesund ist die Zucker-Alternative wirklich?

Stevia: Wie gesund ist die Zucker-Alternative wirklich?

Über wenig ist sich die Ernährungswissenschaft so einig wie über weißen Kristallzucker: Jemand, der zu seinem Konsum rät, würde vermutlich von jedem Ernährungsberater auf diesem Planeten für verrückt erklärt werden.

Als im Jahr 2011 das Süßungsmittel Stevia für den deutschen Markt zugelassen wurde, versprach es, der neue heilige Gral unter den Zuckeralternativen zu werden. Mit seiner viel höheren Süßkraft als der von weißem Kristallzucker bei niedrigerer Kalorienzahl, sowie seiner für Karies nicht verwertbaren Zusammensetzung, konnte es zwar erstmal gar nicht mehr als andere bereits seit langem zugelassene Süßstoffe, aber das Schlagwort, das Stevia von seiner Konkurrenz abhob, war „natürlich“.

Wo chemische Süßstoffe für Viele nicht so ganz zur bewussten und gesunden Ernährung passen wollten, füllte das aus einer subtropischen Pflanze gewonnene Stevia eine mit der Zeit immer größer gewordene Nische. Aber ist es wirklich so einfach? Oder ist auch dieser Ernährungs-Hype doch zu schön, um wahr zu sein?

Natürlich gesund?
Die Gewinnung und Vermarktung von Stevia

Im Gegensatz zu im Labor hergestellten Süßstoffen wie Aspartam, Acesulfam oder Cyclamat wird Stevia aus einer Pflanze gewonnen und somit allgemein als natürliches Produkt betrachtet. Tatsächlich ist dies allerdings insofern irreführend, dass der Gewinnungsprozess von der Stevia-Pflanze bis zum Endprodukt extrem aufwändig und hoch industriell ist: Von einem naturbelassenen Produkt kann am Ende der Produktionskette also keine Rede mehr sein.

Hinzu kommt, dass der Großteil der Produktion von den Steviolglycosiden, die wir später im Supermarkt vorfinden, im unter ökologischen Gesichtspunkten nicht unbedingt fortgeschrittenen China stattfindet. Selbst falls der ursprüngliche Anbau der Steviapflanze unter biologisch nachhaltigen Bedingungen stattgefunden haben sollte, ist von einer ebensolchen Verarbeitung also eher nicht auszugehen.

Auch wird pures Steviolglycosid selten als reines Produkt angeboten oder in Fertigprodukten als einziges Süßungsmittel eingesetzt (zu den Gründen erfährst du im nächsten Punkt mehr) und oft sogar mit anderen synthetischen Süßstoffen vermischt.

Ein perfekter Ersatz?
Was bei der Verwendung von Stevia zu beachten ist

Dass die Süßkraft von Stevia im Vergleich zum Volumen deutlich höher ist, als bei dem üblicherweise zum Kochen und Backen verwendeten Kristallzucker, muss man insbesondere beim Backen immer bedenken. Zwar kann der Kuchen schon mit nur ca 20g Stevia genau so süß wie mit der im Rezept angegebenen Menge Zucker werden, aber durch das geringere Volumen verschieben sich die Mengenverhältnisse des Rezeptes dadurch oft recht drastisch. Deshalb wird gerade speziell zum Backen konzipiertes Stevia-Pulver oft mit einem Füllstoff versetzt, der diese Diskrepanz ausgleicht.

Aber nicht nur deshalb werden bei den meisten dank Stevia kalorienreduzierten Industrieprodukten oft nur Teile des Zuckers durch Stevia ersetzt: Viele Esser finden den Eigengeschmack von Stevia gewöhnungsbedürftig bis absolut ungenießbar. Er wird häufig als „bitter“ oder „lakritzig“ beschrieben und von der an Rohrzucker gewöhnten Allgemeinheit eher skeptisch betrachtet. Es gibt aber durchaus auch viele Konsumenten, die der Geschmack überhaupt nicht stört.

Stevia

Eine Gefahr für die Gesundheit?
Was Studien über den Zusammenhang mit Krebs ergaben

Als 2016 „Coca-Cola life“, eine mit Stevia gesüßte Version der beliebten Coca-Cola auf den Markt kam, folgten bereits kurze Zeit später Gerüchte darüber, dass Stevia eine gesundheitsschädigende und sogar krebserregende Wirkung habe.

Die dazu durchgeführten Studien an Ratten bestätigten dies zwar in Teilen (die Tiere, die die Höchstdosis erhielten, wiesen gesundheitliche Beeinträchtigungen auf), es stellte sich aber schnell heraus, dass die Stevia-Menge, die die Ratten erhielten, viel zu hoch war, um die Ergebnisse auf den Menschen übertragen zu können. Eine derartig hohe Menge Stevia im Vergleich zum eigenen Körpergewicht kann ein Mensch faktisch überhaupt nicht zu sich nehmen.

Im Nachhinein kam außerdem heraus, dass mit Coca-Cola konkurrierende Limo-Marken, die andere Süßstoffe verwendeten, jene Studien überhaupt erst in Auftrag gegeben hatten, was vermuten lässt, dass deren Absicht von vorne-
herein nur war, der Konkurrenz zu schaden.

Eine weitere verbreitete Kritik an jeder Form von kalorienreduzierten Süßstoffen, ist die Theorie, dass ihr Konsum sich negativ auf den Blutzuckerhaushalt auswirken kann: Sobald der Körper das Signal für „süß“ erhält, schüttet er das zum Blutzucker-Abbau nötige Insulin aus. Wenn dann aber der erwartete Zucker nicht im Blutkreislauf ankommt, wird das Signal eines Mangels gesendet, was zu Heißhungerattacken führen kann.

Zur Gewichtsabnahme eingesetzt, kann Stevia, das in diesem Falle den anderen Süßstoffen gegenüber keinerlei Vorteile vorweist, nach dieser Theorie also genau das Gegenteil von dem bewirken, wofür es gedacht war.
 

Wie so oft in Fragen der Ernährung gilt also auch hier: Die eine einzig wahre Antwort gibt es nicht. Solange du im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung gelegentlich auf Stevia zurückgreifst, und keine negativen Folgen bemerkst, prima! Aber die universelle Kristallzucker-Ersatz-Lösung für alle Situationen, als die die Nahrungsmittelindustrie es uns verkaufen möchte, ist wohl auch Stevia leider nicht.
 

Fotos: Daniele Depascale, pat_hastings / stock.adobe.com

AJOURE´ Redaktion
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