StartPeopleInterviewsMaria Ehrich: 7 Monate, 1 VW Käfer und unzählige Kilometer

Maria Ehrich: 7 Monate, 1 VW Käfer und unzählige Kilometer

Am 30. August ist das Buch „Leaving the frame: Eine Weltreise ohne Drehbuch“ von Schauspielerin Maria Ehrich erschienen. Am 3. Oktober kommt der Film dazu in die Kinos – eine Story, wie sie wohl viele Menschen gerne selbst erlebt hätten. Gemeinsam mit ihrem Freund Manuel reiste die Wahlberlinerin in einem VW Käfer von Mexiko nach Neufundland. Unzählige Kilometer voller Erlebnisse, Geschichten und Ereignisse liegen hinter den beiden. Wir wollten natürlich wissen, wie man auf so eine Idee kommt, welche Tipps Maria für andere Reiselustige hat, wo Probleme entstanden sind und ob ein VW Käfer die beste Wahl für so eine unglaubliche Reise ist. Maria, die seit ihrem zehnten Lebensjahr vor der Kamera steht, wusste, dass es Zeit für eine Veränderung war. Und so begann das wohl größte Abenteuer ihres bisherigen Lebens.

„Leaving the frame“ – in sieben Monaten durch Kenia, Hawaii und von Mexiko nach Neufundland in einem VW Käfer. Welches Wort beschreibt deine Reise am besten?

Es ist ein Wort aus dem brasilianischen Portugiesisch: „Saudade“ [spricht man: Saudaji]. Dieses Wort beschreibt eine Art süßes Fernweh oder süße Melancholie.

Warum?

Es ist ein Wort, welches es nur im Portugiesischen gibt, doch das Gefühl kennt jeder. Man will in die Welt hinaus oder sehnt sich nach irgendetwas oder irgendjemandem. Genau so war es auch bei uns. Immer wenn wir an einem neuen Punkt angekommen sind, waren wir gedanklich schon wieder einen Schritt weiter. Vor der Reise hatten wir diese Sehnsucht nach der Reise, während der Reise haben wir uns auf die nächsten Städte und Gegenden gefreut und am letzten Punkt der Tour haben wir bereits an Zuhause gedacht. So in etwa kann man das wohl beschreiben.

Mexiko Anfang Roadtrip

Wenn man nach so einer langen und intensiven Reise nach Hause kommt, fällt man dann emotional nicht erst einmal in ein Loch?

Wir haben zunächst einmal von dieser ganzen Reise gezehrt. Wir waren viel entspannter als zuvor. Manu sagte sogar, dass ihn mittlerweile nicht einmal mehr der Berliner Straßenverkehr stresse. Er meinte, die Reise hätte ihn enorm auf den Boden geholt. Bei mir war das ähnlich. Etwa einen Monat lang hielt dieses Gefühl an und dann dachte ich mir schon: „so langsam könnten wir ja wieder los“ (lacht). Doch das war natürlich nicht möglich, denn dann ging die Postproduktion des Filmes los. Wir mussten erst einmal das ganze Material sichten, was sich auf rund 8 Terabyte belief.

Wie bist du auf diese Idee gekommen?

Der ausschlaggebende Grund war diese Unzufriedenheit in mir und mit meiner Situation. Bei Manu war es ähnlich. Wir wollten unser eigenes Projekt stemmen. Also haben wir unsere Kräfte gebündelt und darüber nachgedacht, was wir machen könnten. Nicht einfach nur reisen, sondern die Möglichkeit entdecken, uns auf irgendeine Art und Weise ausleben zu können, die wir selber bestimmen können. Wir wollten auf der einen Seite gerne Reportagen drehen, da wir die Geschichten besonderer Menschen in die Welt hinaustragen, etwas tun, und auf der anderen Seite aber auch von diesen Leuten lernen wollten. Genau das haben wir geschafft.

Wir hatten natürlich Angst, dass so eine Reise die Beziehung gewaltig strapazieren und prüfen könnte. Vor allem ich habe hierüber immer wieder nachgedacht. Auf der anderen Seite war es vor der Reise aber auch so, dass man sich nicht vorstellen kann oder will, dass es während der Tour tatsächlich ein Problem geben könnte. Das weiß man erst, wenn man auf einmal in dieser Situation ist und denkt: „Hoffentlich überstehen wir das, denn wir haben noch zwei Monate und müssen weiterfahren und weitermachen.“

Wie viel Vorlaufzeit und Planung waren vor der Reise nötig?

Wir haben etwa ein Jahr vor der Reise die Idee gehabt. Dann hat es eine ganze Weile gedauert, bis wir uns tatsächlich dazu entschieden haben, dieses Abenteuer in die Realität umzusetzen und zu sagen: „wir machen es“. Alles rund um die aktive Recherche und die Kontaktaufnahme zu diversen Leuten startete etwa ein halbes Jahr vorher. Die Recherchen hielten wir anfangs für die Umsetzung als sehr wichtig, später, auf der Reise, wurde uns aber klar, dass wir unsere Protagonisten auch auf dem Weg finden konnten.

In welchem Land startete denn eure Reise und welche Länder folgten?

Der Start unserer Reise begann in Kenia und führte uns dann nach Hawaii. Danach gings nach Mexiko, wo wir den Käfer gekauft haben. Von dort aus fuhren wir mit dem Wagen durch die USA bis nach Neufundland. In Kenia haben wir ein Schildkrötenprojekt besucht und generell viel Wildlife gemacht. Aber wir haben uns auch mit der Ordensschwester Mary Jane getroffen, die alleine fast 300 Kinder großgezogen hat. Hawaii haben wir nur „angerissen“ und in Mexiko sind wir auf viele Menschen gestoßen, die uns bei der Autosuche unterstützt haben.

Leaving the frame

Wie offen waren die ganzen Leute für die Idee?

Eigentlich waren alle sehr offen. Nur einmal hatten wir ein unerwartetes Problem, als wir in Kenia zu einem Samburu-Dorf wollten, ein Frauendorf, ähnlich wie die Massai, aber ein anderer Stamm. Wir konnten mit ihnen leider nicht selbst Kontakt aufnehmen, da diese Menschen kein Englisch sprachen, was natürlich verständlich ist. Aus diesem Grund musste jemand für uns Kontakt zu den Samburu aufnehmen und dolmetschen. Doch als wir dann dort ankamen, stellte sich heraus, dass man von uns relativ viel Geld wollte, um drehen zu dürfen und mit den Frauen sprechen zu dürfen. Wir hatten aber nicht so viel Geld dabei, denn wir gingen davon aus, dass es sich vielleicht um einen Betrag handeln würde, der etwas über der regulären Eintrittsgebühr läge – zumindest hat unser Kontakt uns dies vorab so mitgeteilt. Aus diesem Problem haben wir allerdings gelernt und uns für die zukünftigen Treffen besser vorbereitet und informiert.

Am 30. August, noch vor dem Kinostart, erschien das Buch „Leaving the frame: Eine Weltreise ohne Drehbuch“. Oft ist es so, dass das Buch um Längen besser ist als der Film. Wie wird es bei „Leaving the frame“ sein?

Was im Gegensatz zu einer klassischen Romanverfilmung bei uns der Fall ist, ist, dass wir tatsächlich alles erlebt haben und wir den Film so gut wie möglich machen, sowie unser ganzes Herzblut hineinstecken wollten. Das Buch ist eine Art „Making Of & Behind The Scenes“ zum Film. Im Buch habe ich auch Momente niedergeschrieben, in denen wir mal keine Kamera dabei hatten und Dinge beschrieben, die man nicht nur in Bildern festhalten, sondern viel intensiver durch die eigenen Gedanken ausschmücken kann. Ich finde, das Buch ist eine schöne Ergänzung zum Film und ich hoffe, wenn man das Buch liest, möchte man anschließend den Film sehen, da man wissen will, wie es in Bildern aussieht. Andersherum möchte man vielleicht die Hintergründe im Buch erfahren, sofern man den Film gesehen, aber das Buch noch nicht gelesen hat.

Ist „Leaving the frame“ ein erster Schritt in Richtung Schriftstellerin?

Es hat mir sehr viel Spaß gemacht zu schreiben, aber es gab auch anstrengende Phasen und ich habe gelernt, dass ich jemand bin, der besser mit Deadlines arbeiten kann. Auch die Tatsache, dass man während des Schreibens eine andere Seite von sich selber kennenlernt, hat mir gefallen. Ich habe gelernt, dass ich in der Lage bin, ein Buch zu schreiben, selbst als nicht-studierter Mensch.

Gibt es denn schon eine Idee für ein zweites Buch?

Tatsächlich gibt es die (grinst). Hier handelt es sich um eine Geschichte, die ich mir bereits vor zehn Jahren ausgedacht habe. Seitdem hängt sie mir im Kopf. Aber es geht dann eher in Richtung Roman.

Wie leicht fiel es dir, die Seiten zu deinem Buch zu füllen? Lief es wie von selbst?

Ich hatte nie eine Schreibblockade, zum Glück, denn davor hatte ich definitiv am meisten Angst. Im Gegenteil, wenn ich richtig im Flow war, lief es wie von selbst. Es sind Sätze aus mir herausgekommen, bei denen ich mir dachte: „Wow, wo habe ich diese all die Jahre versteckt?“ Was anfangs schwer gewesen ist, war, dass ich eine riesige Mind-Map gemacht habe, auf der alles stand, was uns auf der Reise so passiert ist. Dieses Aussortieren war nicht einfach, denn ich wollte mehr mit ins Buch hineinpacken, als tatsächlich Platz vorhanden war.

Leaving the frame Neufundland

Du warst sieben Monate mit deinem Freund Manuel Vering, der Video-Journalist ist, unterwegs. Gab es Reibereien, wenn man so lange aufeinander sitzt? Wie verträgt man sich auf so einer Tour, so viele Monate auf engstem Raum?

Ich habe keine Ahnung (lacht)! Natürlich haben wir uns auch mal gefetzt. Die Gründe hierfür waren teilweise die bescheuertsten Lappalien. Zum Beispiel hatten wir ja nur dieses kleine Auto, in dem all unser Zeug verstaut war. Beim Einräumen war es wie beim Tetris. Alles musste exakt passen und an den Ort, der dafür vorgesehen war. Wenn zum Beispiel nicht gleich abgewaschen wurde, dann gab es natürlich Stress, da wir nicht sofort weiterfahren konnten, denn es war kein Platz vorhanden, um das Geschirr einfach so ins Auto stellen zu können.

Ein weiterer Stressfaktor war das ständige Filmen. Ich glaube, irgendwann lernt man, dass man miteinander auf einer Ebene kommunizieren muss, die einfach verständnisvoll ist. Ich zum Beispiel musste akzeptieren, wenn Manu mal einen blöden Tag hatte, da er vielleicht in unserem Dachzelt schlecht geschlafen hatte oder so.

Er musste aber im Umkehrschluss auch auf mich Rücksicht nehmen. Wir mussten also verstehen, dass der Andere einen nicht ärgern oder stressen will und diese Dinge nicht mit Absicht macht, sondern dass jeder von uns Tage hat, an denen er oder sie auf dem Zahnfleisch gegangen ist. Andererseits hatten wir auch wieder ganz grandiose Momente, die all diese Probleme und schlechte Laune auf Null gefahren haben.

Warum habt ihr euch für dieses Auto, einen Käfer, entschieden?

Die Idee kam von Manu. Ich dachte eigentlich, dass wir nach Mexiko wieder nach Hause fliegen würden (lacht). So passierte es dann, dass wir noch drei Monate länger mit diesem Käfer unterwegs waren. Er sagte, dass es in Mexiko diese alten Käfer günstig gäbe und dass diese hier bei uns so wahnsinnig teuer seien. Er ist halt ein Autofreak und liebt vor allem Oldtimer und war der Meinung, wir bräuchten so ein Ding, während ich anfangs nur den Kopf geschüttelt habe. Als wir dann begonnen haben, die Autos anzuschauen (wobei hier viele Schrottkarren dabei waren), habe auch ich langsam Gefallen an den Käfern gefunden und dachte irgendwann, dass es schon ziemlich cool wäre, mit so einem Oldtimer herumzufahren.

Da es sich um einen 2003er Käfer handelt, einer Última Editión (die letzten Käfer, die je gebaut wurden), hatten wir tatsächlich nie wirklich Schwierigkeiten mit dem Wagen. Etwas tricky war allerdings die Tatsache, dass wir das Auto ja auch zulassen mussten, denn ohne Nummernschilder geht auch in Mexiko nichts. Mit der Anmeldung war dann auch klar, dass es von Mexiko aus in den Norden Richtung USA und nicht in den Süden gehen würde, denn mit der besagten Anmeldung hatten wir die Genehmigung für das Überqueren der USA und Kanada, nicht aber für alles, was südlich liegt. Wären wir in den Süden gefahren, hätten wir den Wagen in jedem Land neu anmelden müssen, was enorm viel Zeit gekostet hätte. Wir haben uns am Ende der Tour so in dieses Auto verliebt, dass wir es von Kanada nach Deutschland verschiffen lassen haben.

Leaving the frame USA

Was würdest du ändern, wenn du nochmal so eine Tour machen würdest?

Ich glaube, dass ein etwas geräumigeres Auto nicht schlecht wäre, auch wenn ich unseren Käfer wirklich liebe. Den nächsten Urlaub werden wir aber auf jeden Fall erstmal ohne Kameras machen (lacht).

Welches war dein persönlich emotionalster Moment während der Reise?

Es gab tatsächlich mehrere. Immer wenn wir uns mit den Protagonisten getroffen haben, sie uns in ihre Welt geholt haben und wir sie dann wieder zurücklassen mussten, war das sehr emotional. Es waren magische Momente, auch wenn das immer so platt klingt – doch so war es einfach.

Es gab einen Moment, um auf deine Frage zurückzukommen, von dem ich behaupten würde, dass er das Zeug zum „emotionalsten Moment“ hat. Dieser ereignete sich, als wir in New York waren und eine Verabredung mit einem polnischen Juden hatten, der damals mit seinen Eltern im Warschauer Ghetto wohnte und den Holocaust überlebte. Er hatte diese Zeit nie wirklich verarbeitet, war eigentlich Chemiker und hatte dann einen schweren Unfall, der ihn halbseitig lähmte und plötzlich begann er, Bilder über den Holocaust zu malen. Zum Beispiel Bilder aus dem KZ, obwohl er nie dort gewesen ist. Er übernahm die Erlebnisse von seinen Eltern und malte seitdem jeden Tag ein Bild mit der linken Hand, obwohl er eigentlich Rechtshänder war. Er ist ein unglaublich berührender Mensch, der uns viel erklärte und von den damaligen Umständen erzählte. Er war gerührt, dass zwei junge deutsche Menschen zu ihm kommen und mit ihm sprechen wollten. Am Ende der Gespräche haben wir die Leute immer nach deren größten Wunsch befragt. Er meinte, sein größter Traum sei eine Ausstellung in Berlin und das würden wir ihm gerne ermöglichen.

Wie habt ihr all diese Personen, die ihr interviewt habt, entdeckt? Woher kamen die Informationen, dass es all diese besonderen Menschen gibt?

Bei Jurek, dem polnischen Holocaust-Überlebenden, war es tatsächlich Zufall. Wir sind in New Jersey bei einer unglaublich netten Frau untergekommen. Wir haben ihr erzählt, was wir so machen und sie sagte, dass sie da eine sehr interessante Person kenne und diese Person war Jurek. Wir haben also teilweise vorab recherchiert, aber manchmal auch die Informationen von Leuten bekommen, die Menschen kannten, die dort, wo wir gerade waren, lebten. Ich glaube, man findet überall auf der Welt spannende Geschichten, wenn man die Augen aufmacht, Menschen anspricht und danach fragt.

Ihr hattet ja überhaupt kein Drehbuch. Wie kompliziert wurde es teilweise, um all die Szenen einzufangen? Habt ihr euch das zu Anfang einfacher vorgestellt? Und wie kam Manuel mit dieser Herausforderung klar?

Vor allem ich habe es mir wohl anfangs einfacher vorgestellt. Wir hatten zwar kein Drehbuch, hatten aber vorbereitete Interviewfragen und uns war es wichtig, dass alles authentisch und echt ist. Deshalb haben wir uns vorher mit den Leuten getroffen, um ihnen zu erklären, worum es geht und ihnen mögliche Ängste zu nehmen. Aber dieses ständige „die Sonne steht gerade so gut und das Licht ist so schön“ war eine echte Herausforderung, denn diese Momente wollten mit der Kamera eingefangen werden. Irgendwann haben wir einen Weg gefunden, so entspannt als möglich alles aufzunehmen und gleichzeitig diese schönen Momente auch für uns genießen zu können.

Viele träumen von so einer Reise und nur die Wenigsten setzen diesen Traum in die Tat um. Welchen Tipp hast du für junge Leute, die sich zu so einem Abenteuer entscheiden?

Was uns sehr geholfen hat, war, uns vorab schon mit einigen Menschen aus den verschiedenen Ländern zu connecten. Vielleicht hätte all das auch geklappt, wenn wir auf gut Glück angereist wären, doch die Art und Weise, wie wir uns auf alles vorbereitet haben, hat vieles erleichtert. Was ebenfalls sehr hilfreich war, war, dass Manu fließend Spanisch spricht. Gerade in Mexiko standen uns deshalb alle Türen offen. Sehr wichtig ist auch, alle Vorurteile, die man ja manchmal hat, wegzulassen. Zum Beispiel war es so, dass wir beide die USA zuvor noch nie bereist haben. Dort sind wir aber so tollen und liebenswürdigen Menschen begegnet, die wir auf keinen Fall missen möchten.

Liebe Maria, vielen Dank für die viele Zeit, die du dir für uns genommen hast. Wir drücken dir die Daumen und freuen uns sehr auf den Film sowie auf das Buch.

 

Fotos: Leaving the Frame

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AJOURE´ Redaktion
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