StartPeopleInterviewsJulia Dietze über ihre überzeugendste und wandlungsfähigste Rolle

Julia Dietze über ihre überzeugendste und wandlungsfähigste Rolle

Iron Sky hat bis heute einen absoluten Kultstatus bei den deutschen Fans. Doch auch international war der erste Film ein Knaller, auch wenn Kinos weltweit damals unsicher waren, ob die Art Humor angenommen werden würde. Umso gespannter schauen wir auf Teil 2, der seit dem 20. März zu sehen ist und wir wollten es uns nicht nehmen lassen, uns mit Julia Dietze zu treffen, von der wir nach der Pressevorführung der Meinung waren, dass sie die beste Leistung im Film erbracht hat. So haben wir uns auf drei bis vier Kaffee getroffen und uns ausgiebig mit ihr unterhalten. Alles zu „Iron Sky: The Coming Race“, zur neuen Staffel von „Beck is Back!“ und was sie nach „Let´s Dance“ noch vom Tanzen hält, erfahrst du jetzt.

Was erwartet die Zuschauer im 2019er Iron Sky im Vergleich zu dem, der 2012 lief?

Es ist erst einmal ein ganz anderes Grundthema. Der 2012er baut auf der Verschwörungstheorie auf, dass die Nazis von der Antarktis aus zur dunklen Seite des Mondes geflüchtet sind. Meine Rolle Renate Richter wuchs in der zweiten Generation auf dem Mond auf, kannte die Erde nicht, hatte noch nie Sonnenlicht gesehen und war komplett konditioniert von der militärischen Ideologie der Mondnazis. Im Jahr 2018 landet sie dann durch einen afroamerikanischen Astronauten in New York, realisiert dort, was die Nazis alles an Verbrechen begangen haben und kämpft dann gegen eine Invasion und baut eine neue Generation auf dem Mond auf, während die Erde im Nuklearkrieg untergeht.

In „The Coming Race“ geht es darum, dass Aliens die höchsten politischen Funktionen auf unserer Erde besetzen und unsere Gestalt annehmen können. Das sind die sogenannten „Shapeshifter“. Somit baut der zweite Teil ebenfalls auf einer Verschwörungstheorie auf. Es gibt einen alten Kultfilm von Joe Carpenter „They Live“. Dort kann die Hauptfigur die wahre Gestalt dieser Shapeshifter sehen, wenn er eine Sonnenbrille aufsetzt. Die Menschheit ist unter diesen Reptilien-Aliens quasi versklavt und arbeitet in deren System. Außerdem beschäftigt sich der Film mit der „Hollow-Earth“-Verschwörungstheorie. Dort leben alle Aliens, die nicht gerade damit beschäftigt sind, die Oberwelt zu regieren.

Der Film beginnt mit der „alten Renate”, die schon eine erwachsene Tochter hat, welche Anfang bis Mitte zwanzig ist. Mein Spielalter liegt zwischen 24 und 85. Die Maske hat jeden Morgen vier Stunden gedauert. Ich bin jeden Tag um drei Uhr aufgestanden und wurde von vier bis acht Uhr in die alte Renate Richter verwandelt. Ich liebe es, mich so in eine Rolle zu transformieren. Wir hatten eine Maskenbildnerin von „Game of Thrones“ mit an Bord, die uns ein Gel auf die Haut aufgetragen hat, welches die Haut ganz faltig hat werden lassen. Zudem wurden mir hängende Wangen und ein faltiger Nacken angeklebt.

Ich habe mir zwei Monate lang im Altersheim die Körpersprache der Senioren angelernt. In Hinsicht auf meine Rollenvorbereitung bin ich ein absoluter Nerd. Meine Intention war komplett darauf gerichtet, mich so authentisch wie möglich wie eine alte Frau zu bewegen. Mein gesamter Fokus lag im Alltag auf der Körpersprache älterer Menschen, zum Beispiel wenn ich einen Hüftfehler in der Gangart beobachtet habe, der sich weiterleitet auf die linke Schulter und in einen baumelnden Arm bis hin zu einem krummen Rücken. Jedes kleine Detail wirkt sich auf die Haltung aus. Ich war aber nicht ausschließlich im Altersheim, sondern habe meine Beobachtungen zum Beispiel auch in der Innenstadt betrieben. Dabei ist mir aufgefallen, wie überrascht und erfreut die Reaktionen der älteren Leute waren, wenn ich ihnen direkt in die Augen schaue, da die meisten jungen Menschen entweder auf ihr Handy oder auf andere junge Menschen schauen. Das Alter wird in unserer heutigen Zeit unsichtbar.

Während des Drehs habe ich mit Michael Chekhovs „Imaginary Center Technik“ gearbeitet. Da ist der Fokus auf deine Vorstellungskraft gelegt. Mein „Imaginary Center“ war eine Eisenkralle im Nacken. Das hat meine Beweglichkeit im Hals eingeschränkt und mich emotional so bedrückt, dass es perfekt zur Atmosphäre meiner „alte Renate” gepasst hat. Selbst nach der aufwendigen Maske, der Perücke und dem Kostüm meinte der Regisseur zu mir, dass meine Augen noch zu wach für eine alte Frau seien. Also habe ich mir Nebelschwaden um mich herum vorgestellt was meinen Blick intuitiv getrübt und mich resignierter hat wirken lassen. Genau das, was ich für die „alte Renate” an Charakteristiken brauchte. So habe ich mir auch beim Sprechen trockenes Herbstlaub im Rachen imaginiert, so dass meine Stimme tiefer und älter klang. Das sind die ganzen feinen, geheimen Tricks die man als Schauspieler eigentlich nicht verraten sollte (lacht).

Iron Sky: The Coming Race
Julia Dietze als Renate Richter in Iron Sky: The Coming Race

Erinnerst du dich noch an damals, als dir die Rolle angeboten wurde? Was war der ausschlaggebende Grund für dich, sie anzunehmen?

Ich weiß noch, dass mich der Caster Uwe Bünker, den ich persönlich sehr schätze, angerufen hat. Am Telefon meinte er, dass er ein mega Drehbuch auf dem Tisch hätte und ich der Geschichte, so absurd sie auch klingt, eine Chance geben solle. Als ich mir das Drehbuch durchgelesen habe, dachte ich nur, dass es sich hierbei um eine wahnsinnig starke Frauenrolle handelt. Solche Rollen bekommt man nicht alle Tage angeboten. Die deutsche Filmlandschaft hat noch ein wenig Berührungsängste vor dem Genre-Kino. Das ändert sich zum Glück gerade.

Zudem war es ein frisches neues Thema und genau das hat mir gefallen. Als ich mit meinem damaligen jüdischen Freund nach Israel gereist bin, wurde ich gefühlte vier Stunden bei der Einreise aufgehalten. Ein ausschlaggebender Faktor war wohl das erste Bild bei Google, welches erscheint, wenn man meinen Namen eingibt und auf dem ich in meinem Filmkostüm eine sehr fragwürdige Uniform trage. Der Film war auch in Israel ein voller Erfolg.

Im zweiten Teil geht es vielmehr darum, dass Aliens die Menschheit versklavt haben. Unsere Gesellschaft wird sehr satirisch mit einem Augenzwinkern beleuchtet. Die Obrigkeitshörigkeit wird auf jeden Fall hinterfragt, was ich persönlich immer gut finde und dazu kommen dann noch Dinosaurier, Aliens und eine etwas andere Menschheitsgeschichte als die, die wir in der Schule gelernt haben.

Der Trailer lässt zwar vermuten, dass es sich um einen reinen Sci-Fi/Action-Film handelt, aber eigentlich ist es eine Nazi-Komödie inklusive Adolf Hitler. Hat man bei diesem Thema schon mal Bedenken, dass er nicht gut angenommen werden könnte?

Das Thema um die Nazis ist im ersten Teil abgehandelt worden. Es ist aber auf jeden Fall ein Science-Fiction/Action-Film. Der Humor ist sehr düster. Genau diese Art von schwarzem Humor, die mir liegt. Slapstick-Comedy ist nicht so mein Fall. Visuell ist der Film gigantisch. Der Look ist sehr an den Marvel-Film orientiert, hat aber nur ein zehnprozentiges Budget. Quasi das Budget, was ein Marvel-Film für das Catering springen lässt (lacht).

Beim ersten Iron Sky hatte ein amerikanischer Freund von mir die Befürchtung, dass wir sämtliche amerikanische Zuschauer in der Szene verlieren könnten, wo wir die Freiheitsstatue zerbomben, da es so ein starkes Symbol für die Amerikaner ist.

Dann hat der Film aber trotz aller Erwartungen einen Kult-Status erlangt und erfreut sich einer großen weltweiten Fanbase.

Iron Sky hatte damals ein Budget von 7,5 Millionen. Eingespielt hat er in den Kinos 8,1 Millionen. Der Erfolg war damals also da, aber nicht so, wie man es sich vorgestellt hat. Was hat sich zu Teil 1 denn verbessert, das eine Steigerung der Zuschauer vermuten lassen könnte?

International hat der erste Teil einen größeren Erfolg als hier in Deutschland verzeichnet. In England ist Iron Sky damals als erstes angelaufen. Alle anderen Länder haben die Kinoveröffentlichung erst danach angesetzt. Am zweiten Tag gab es den Film dann schon in DVD-Qualität im Internet und unsere technikversierte Zielgruppe hat sich den Film natürlich sofort heruntergeladen. Deshalb ist der finanzielle Erfolg etwas auf der Strecke geblieben. Der amerikanische Verleih hat den Film natürlich sofort an Netflix verkauft.

Mein IMDB-Rating war aber auf einmal auf Platz 45. Davon musste ich schnell einen Screenshot machen, um diesen Moment festzuhalten. (lacht)

Mit dem dreifachen Budget wuchs auch der Druck am Set perfekt zu performen. Da war ich froh, dass ich den Regisseur schon so gut durch den ersten Teil kannte. Durch die Vertrauensbasis haben wir uns bei den Regieanweisungen fast blind verstanden. Seitens der Produktion und Regie gab es noch einen viel größeren Erfolgsdruck. Gedreht haben wir knappe eineinhalb Monate.

Wie können wir uns deine aktuelle Rolle als Renate Richter vorstellen? Ändert sich etwas im Vergleich zum ersten Teil?

Anders als im ersten Teil bin ich Mutter einer erwachsenen Tochter, die es in Teil eins noch nicht gab. Am Ende vom ersten Iron Sky kommt meine Figur mit Washington zusammen, mit dem sie auch die besagte Tochter bekommen hat. Die Figur ist durch das Alter und krankheitsbedingt nicht mehr die ideologische Kriegerin. Gleichgeblieben ist allerdings die Tatsache, dass sie für die gute Seite der Menschheit einsteht. Die Rolle hat sich sehr interessant weiterentwickelt. Allein die Tatsache, dass ich eine Altersspanne von 24 bis 85 Jahren spielen durfte, war ein Geschenk für mich als Schauspielerin.

Wie viele bekannte Gesichter werden wir sehen und wie war die Zusammenarbeit fast sieben Jahre später?

Die Zusammenarbeit war wunderschön, vertraut, aufregend, emotional, fokussiert und konzentriert – man geht jeden Drehtag je nach Pensum durch verschiedene Phasen und es ist jedes Mal ein Abenteuer. Tom Green ist neu mit dabei, den man als Comedian kennt. Die Rolle von Udo Kier ist im ersten Teil eigentlich gestorben. Der Regisseur war von seinem Spiel aber so angetan, dass er ihn wieder hat aufleben lassen. Lara Rossi ist auch neu mit dabei. Sie spielt meine Tochter und hat ihre Rolle meiner Meinung nach wahnsinnig gut gespielt. Sie hat etwas Tomb-Raider-Charakter mit reingebracht. Früher sind viele Regisseure vor weiblichen Hauptrollen und weiblichen Heldenreisen noch zurückgewichen, weil sie dachten, solche Filme ziehen nicht stark genug an der Kinokasse, aber mittlerweile haben wir ihnen zum Glück das Gegenteil bewiesen. Außerdem finde ich es wichtig, dass junge aufwachsende Mädchen starke Heldinnen im Kino sehen können, weil es ihnen unterbewusst das Vertrauen und die Kraft gibt, einen anderen Selbstwert zu entwickeln und ihre Träume zu erfüllen. Für mich war ein solcher Film „Thelma & Louise”. Es war das erste Mal, dass ich weibliche Heldinnen gesehen habe, die agieren, wie ich sonst nur Männer in Filmen habe agieren sehen.

Es gibt ja noch mehr Neuigkeiten! „Beck Is Back!“ Die zweite Staffel steht in den Startlöchern. Worauf dürfen sich die Zuschauer freuen?

Der Regisseur Ulli Baumann hat sich sehr von der US-amerikanischen Anwaltsserie „Suits“ inspirieren lassen. Sowohl in Sachen Kameraeinstellung, Inszenierung und dem Tempo. Es wird spannend, unglaublich amüsant und es werden wichtige Familienthemen abgehandelt, die mich beim Lesen der Drehbücher sehr berührt haben.

Beck Is Back!
Julia Dietze als Susanne in Beck Is Back!

Ändert sich etwas an deiner Rolle als „Susanne“, die in der ersten Staffel leider nur eine Nebenrolle bekam?

Ja, denn ich verliebe mich in einen zehn Jahre jüngeren Drogendealer, mit dem ich untertauche, nachdem wir von einem SWAT-Team zu Hause überrascht wurden. Der arme Kerl war komplett unbekleidet und wurde vom SWAT-Team auf diesen schönen alten Berliner Holzboden gedrückt. Diese Szene war sehr amüsant aber auch skurril. So möchte ich im realen Leben wirklich niemals morgens aufwachen. Das war einer der komischsten Drehmomente meines Lebens.

Was machst du denn, wenn mal keine Dreharbeiten anstehen? Etwa am Tanzen festhalten?

Ja, Tanzen fühlt sich für mich an, wie wenn ich meinen Akku auflade. Es löst so viele Endorphine und Glücksgefühle in mir aus. Ich bin mit afrikanischem Tanz und Breakdance aufgewachsen. Als ich in Los Angeles war, habe ich sogar zeitweise unterrichtet. Ansonsten beschäftige ich mich mit der Recherche für neue Filmprojekte und nehme weiter Schauspielunterricht. Beim Schauspiel ist es wie in der Musik, das Instrument möchte gespielt werden. Manchmal betrachte ich es auch wie Trainingsphasen zwischen den Filmen, wo ich den Muskel mit meinem Schauspielcoach trainiere und mich quasi aufwärme für die nächste Phase.

Als Steinbock hat man ja relativ viele Stärken. Welche ist die Größte, wenn wir deine Freunde danach fragen würden?

Ich finde, dass meine größte Stärke das ist, was andere Leute an meinem Sternzeichen wohl als größte Schwäche bezeichnen würden. Meine Dickköpfigkeit. Ich kann eine unglaubliche Willensstärke entwickeln. Ohne diese Eigenschaft hätte ich schon wer weiß wie oft meinen Beruf aufgegeben und alles hingeschmissen. Steinböcke sind aber nicht nur sehr dickköpfig, sondern auch ehrgeizig, loyal, geduldig und nicht nachtragend. Gerade was mein Freundeskreis betrifft, bin ich wirklich sehr loyal. An Pünktlichkeit und Ordnung arbeite ich noch. (lacht) Außerdem lehne ich Obrigkeitshörigkeit ab.

Julia Dietze

11-Highspeed-Fragen: Was fällt dir spontan dazu ein?

Iron Sky – The Coming Race… eine neue Alienrasse regiert die Menschheit.

Ich wünschte, ich wäre etwas… mehr Superheldin.

Ein bisschen mehr geht immer, wenn… man zufrieden und satt ist.

Frühling oder Herbst? Frühling.

Couch-Potato oder Action-Weekend? Action-Weekend.

Wenn schon Musik, dann… tanzen.

Solange es Spaß macht… und keiner heult.

Ich wünsche mir echt mal wieder… auszuschlafen.

Winterurlaub oder Beach-Time? Beach-Time.

Frühstück oder Abendessen? Abendessen.

Dein Ziel für 2019? Eine Rolle als Catwoman (lacht)

 

Fotos: Max Sonnenschein; Oliver Wand; MG RTL D / Conny Klein; Splendid Film

AJOURE´ Redaktion
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