Im Herzen von Berlin befindet sich der Showroom von Esther Perbandt. Wir haben sie hier zum Interview getroffen. Wir sind sehr gespannt, welcher Mensch sich hinter dem Label verbirgt. Esther, eine große und androgyne Frau mit endloslangen Beinen und einer außergewöhnlichen Frisur. Bereits zu Beginn des Interviews wissen wir, diese Frau hat Power.
AJOURE im Interview mit Esther Perbandt:
Wie bist du denn zur Mode gekommen?
Eigentlich wusste ich mit 12 bereits dass ich Mode machen möchte. Ich habe sehr früh angefangen mit Identitäten zu experimentieren. Das hat mir wahnsinnig Spaß gemacht. Ich bin ohne Fernseher groß geworden, aber wir hatten eine riesige Verkleidungskiste. Hauptsächlich habe ich damit gespielt. Ich erinnere mich ebenfalls noch an eine Situation in der Schule. An meinem 10. Geburtstag bin ich als Madonna (Susan verzweifelt gesucht) mit tuppierten Haaren, Tüllschleife und zerfetzten Jeansminirock zur Schule gegangen. Meine Lehrerin musste so lachen, dass sie gar nicht richtig unterrichten konnte. Mein zweiter Berufswunsch war damals Architektin. Aber hatte damals das Gefühl, man müsste recht gut in Mathe sein, was ich nicht war.
Du hast deinen Master in Paris gemacht und danach in Südfrankreich gearbeitet. Wieso bist du zurück nach Berlin gegangen?
Das war nicht so geplant. Ich habe 1,5 Jahre in Südfrankreich gearbeitet. Als erster Job wurde ich da ziemlich ins kalte Wasser geschmissen. Es ging mit einem neuen Team aus Paris um die Neupositionierung einer Marke. Wir haben sieben Tage die Woche daran gearbeitet. Das war sehr anstrengend, physisch und psychisch. Ich wollte für 3 Monate zurück nach Berlin um mich zu erholen. Der Plan war, danach zurück nach Paris zu gehen und mich neu zu bewerben. Dann kam alles anders! 2003 ging es mit der Bread & Butter und der Premium in Berlin los. Es war eine besondere Stimmung in der Luft und ich hatte große Lust, das mit zu erleben oder Teil dessen zu werden. In Berlin gab es damals kaum freie Stellen in der Modebranche. Daraufhin habe ich relativ spontan und ehrlich gesagt fast naiv mein eigenes Label gegründet. Ich habe mich ohne eigene Kollektion bei der Premium beworben und alles hat geklappt.
Was inspiriert dich? Die Stadt Berlin?
Ich laufe auch nicht mit Scheuklappen durch die Stadt. Deswegen nehme auch ich meine ganz eigenen Kraftmomente aus der Stadt. Aber dass Berlin mich inspiriert würde ich nicht direkt sagen.
Wirklich nicht? Das hört man aber relativ oft…
Tatsächlich?! Das sind dann aber keine Berliner, das sind dann Zugezogene.
Ich nehme Berlin nicht mehr bewusst war. Ich bin eine Berliner Göre und lebe und liebe einfach hier. Ich beschäftige mich eher mit dem Körper als Inspiration und dessen Bedürfnissen. Also inspiriert mich auch mein eigener Körper. Ich versuche bewusst wahr zunehmen was ich brauche und wie ich mich als nächstes kleiden möchte. Das heißt möchte ich mich eher weiblich kleiden, sportlich oder vielleicht burschikos?
Wenn ich mir vorherige Kollektionen ansehe, dann ist das als ob ich in meinem Tagebuch lesen würde. Ich kann einer Kollektion zum Beispiel ablesen, ob ich zu dem Zeitpunkt eine feminine Phase hatte. Ich setze mich nie hin und zeichne, denn meine Ideen habe ich überall. Sie kommen ganz plötzlich. Ich sehe zum Beispiel unterwegs etwas und mein Hirn macht sofort etwas anderes aus dem Teil, was gar nicht Realität entspricht. Ansonsten ist mein Bett meine Akku Aufladestation, hier entspanne ich und habe die besten Einfälle.
Was ist typisch für das Label Esther Perbandt?
Mitunter natürlich die Farbe Schwarz. Meine ersten drei Kollektionen waren sehr bunt. Heute kaum vorstellbar. Nach ein paar Saisons habe ich selbst nur noch schwarz getragen. Jedoch wirklich ohne konkreten Grund. Ich glaube ich habe einfach Zeit gebraucht um mich selbst zu finden, das war ein persönlicher Findungsprozess und nach einiger Zeit war ich angekommen.
Authentisch. Ich wirke nach außen sehr streng, unnahbar und ernst. Das ist Teil des Images, jedoch nicht absichtlich. Eigentlich bin ich sehr humorvoll. Man sollte alles mit Liebe tun, deshalb auch mein Leitspruch: „Do it with love…“. Ich möchte die Menschen nicht verkleiden, denn meine Kleidung trägt den Träger und nicht andersrum.
Und was ist typisch für dich?
Grenzen auszuloten, versuchen mutig zu sein und meine Träume zu leben.
Macht dir dein zweiter Job noch Spaß?
Als Hausmeisterin? Ja ich lerne viele Leute kennen, da ich die Besichtigungen und Übergaben mache. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass ich im Haus mit Werkzeugkasten unterwegs bin und mich in meinen Highheels mit Rohrzange unter das Waschbecken hocke. Die Bezeichnung Hausmeister ist natürlich etwas überspitzt… ich überrasche einfach gerne. Außerdem ist mein Showroom ja im gleichen Haus. Ich habe hier seit über 6 Jahren so viel erlebt. In einer der Wohnungen habe ich das Interior Design gemacht. Ich mache das nicht, weil ich muss, aber das Haus und ich gehören irgendwie zusammen.
Hausmeisterjob und Modedesign. Ein richtiges Multitasking Talent. Was machst du denn privat?
Da gibt’s nicht mehr viel. Ich bin 6 Tage die Woche in meinem Laden. Wenn es nicht gerade die letzten Tage vor Fashion Week sind habe ich Sonntag frei, da mache ich meistens nichts. Ich bin sehr gerne alleine und entspanne. Täglich rauschen so viele Einflüsse auf mich ein. Da brauche ich Ruhephasen um meine Mitte zu finden. Mein Unternehmen, das ist mein Leben, mein Baby… keine Familie oder Kinder. Mir gefällt es. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit habe mein eigenes Label zu führen- das ist ein Geschenk und großer Luxus für mich.
Wie sieht die typische Esther Perbandt Kundin aus?
Eigentlich gibt’s das nicht. Gerade das finde ich spannend. Die Menschen, die in meinen Laden kommen sind sehr unterschiedlich. Da ich häufig hier bin, kenne ich meine Kunden sehr gut. Aber es sind bisher immer noch vermehrt Frauen. Das Alter der Kundinnen geht bis ca 65 Jahre hoch… die picken sich ein Teil raus und sehen damit großartig aus. Das macht mir große Freude. Wenn ich meine Kundin auf eine typische Schublade reduzieren soll, dann wäre das die Schublade Architektin. Für mich ist das gewissermaßen eine schöne Bestätigung, da ich damals selber Ambitionen hatte Architektur zu studieren. Ich denke das liegt zum einen an der Farbe schwarz und zum anderen daran, dass sie sich in einer Männerdomäne behaupten müssen. Diese Frauen wollen sich nicht zu sexy kleiden, sonst werden sie nicht ernst genommen. Trotzdem wollen sie sich nicht unweiblich stylen, sondern designaffin und intellektuell. Für diese Bedürfnisse gibt es Parallelen zu meinen Kollektionen.
Esther Perbandt als Gastdesignerin bei der Michalsky Stylenite. Wie passt das zusammen?
Meine ungebrochene Freude an der Mode erhalte ich mir durch neue Herausforderungen und genau das ist die Zusammenarbeit mit Michalsky. Sie erzeugt Reibung, aus der sich kreative Energie schöpfen lässt. Natürlich ist unsere Mode sehr unterschiedlich. Aber genau das erzeugt ja die Spannung. Dieser gemeinsame Abend ist auf gegenseitigem Respekt begründet für die unterschiedlichen Wege, die wir gehen.
Die Michalsky StyleNite bietet mir eine Plattform, bei der ich mit meiner Herangehensweise an Mode eine neue Ebene aufmache. Spannend wird es im kreativen Bereich doch immer erst an dem Punkt, an dem etwas erst nicht realisierbar erscheint und dann ein Weg gefunden wird, es doch umzusetzen. Letztlich sind wir beide Designer, die dem was sie machen mit Leidenschaft nachgehen. Etwas, dass sich im Zusammengang auch potenzieren lässt. Mein Antrieb ist ja nicht allein der, andere zu überraschen. Ich will mich auch selber dort wiederfinden, wo ich mich einen Moment zuvor nicht erwartet habe. Und das noch so oft wie möglich.
Dieses Mal werde ich mein Bühnendebüt als Sängerin mit meiner eigenen Band geben.
Esther Perbandt- eine Frau die gerne überrascht und ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Wir sind gespannt, was wir während der Berlin Fashion Week auf der Michalsky StyleNite erleben dürfen. Eins ist jetzt schon klar: Was Esther anfasst, wird besonders!
Portrait: Birgit Kaulfuß; Fotos Interview & Store: Tobias Bojko