Die Sportwelt war lange Zeit eine Männerdomäne. Die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, die heute in fast allen Disziplinen die Norm ist, war nur durch den beherzten Einsatz von mutigen Sportlerinnen möglich. Auch die Pokergeschichte beinhaltet zahlreiche weibliche Persönlichkeiten, die Stereotypen in der Gesellschaft bekämpft und ihre heute Stellung im Pokersport durchgesetzt haben.
Die ersten Pokerheldinnen in der Männerdomäne
Die erste bekannte Frau, die sich an den Pokertisch wagte, war Alice Huckert. Sie lebte im Wilden Westen an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Das Kartenspielen lernte sie von ihrem ersten Ehemann. Doch erst sein Tod, der die junge Frau in eine prekäre finanzielle Lage brachte, veranlasste ihren Einstieg in die Pokerszene. Jahrelang führte Huckert ein Vagabundenleben und baute sich einen Ruf als erfolgreiche Spielerin auf. 1910 nahm sie schließlich den Poker’s Palace in Betrieb. Der Saloon entwickelte sich zu einer wahren Attraktion für Kartenspieler des Wilden Westen, die eine lange Reise auf sich nahmen, um gegen Poker Alice anzutreten. Somit prägte sie als erste Frau den Werdegang des Pokerspiels für die Frauenwelt.
Die 1970er Jahre zählen zu den bedeutungsvollen Zeitspannen der Pokergeschichte. Eingestuft als Kneipenaktivität, schenkte die breite Öffentlichkeit dem Kartenspiel bis dahin wenig Aufmerksamkeit. Doch die Übertragung der World Series of Poker (WSOP) im Fernsehen nach 1970, unterstrich die sportliche Seite des Kartenspiels und erhöhte die Pokeraktivität in vielen Ländern sowohl privat als auch auf professionelle Ebene. Dabei wurden auch vermehrt Damenturniere veranstaltet, um die Inklusion der Frauen zu gewährleisten. Zu den erfolgreichsten Teilnehmerinnen zählte dabei Barbara Freer, die 1979 in einem Pokerwettbewerb für Damen ein Bracelet gewann. Aufgepeitscht von diesem Erfolg nahm sie schließlich als erste Frau offiziell an der WSOP teil.
Der nächste Durchbruch der Frauen im Poker erfolgte 1996 durch Barbara Enright. Sie hatte ihre Spielerkarriere bereits 1976 in speziellen Einrichtungen für Kartenspiele, in den sogenannten Cardrooms, gestartet. Ihre ersten Bracelets gewann sie 1986 und 1994 in Turnierveranstaltungen für Damen. Dann wagte sie sich in die Männerdomäne und landete 1995 als erste Frau im Finale der WSOP. Bereits ein Jahr später schlug sie ihren Gegenspieler im Pot-Limit-Hold’em-Finale und wurde zu großer Überraschung vieler Profis und Fans die erste Frau in der Geschichte, die einen ersten Platz in der WSOP für sich beanspruchte. 2007 wurde sie schließlich, wieder als erste Frau, in die Poker Hall of Fame in Las Vegas aufgenommen.
Wachsende Frauenpower ab den 1990ern
Große Veränderungen in die Pokerszene brachten in den 1990ern die Einführung des Personal Computers und des Internets in das Alltagsleben. Das Kartenspiel wurde innerhalb weniger Jahre in die digitale Welt eingeführt. Es entstand eine vielfältige Angebotspalette aus Webseiten, Blogs, Foren und Pokerräumen, die interessierten Menschen einfachen Zugang zu Pokerregeln und -strategien, Kreativität und Stil sowie zum allgemeinen Poker-Mindset gewährten. Infolgedessen stieg die Anzahl der Spieler. Auch Frauen zeigten ein deutlich wachsendes Interesse am Kartenspiel.
In den 2000ern brachen die Spielerinnen einen Rekord nach dem anderen. Jennifer Harman überholte Barbara Enrights Erfolg und gewann als erste Frau 2000 und 2002 zwei Bracelets in der WSOP. Ihr folgte Vanessa Selbst, die nacheinander 2008, 2012 und 2014 drei Bracelets in der Serie ergatterte. 2014 führte sie zudem für zwei Wochen als erste und bislang einzige Spielerin die Weltrangliste. Neben Jennifer Harman ist Selbst außerdem bis heute die einzige Frau, die in der Liste der fünfzig besten Spieler der Pokergeschichte aufgeführt ist.
Jenseits der Braceletgewinne treten Frauen vermehrt als Botschafterinnen des Kartenspiels in der Öffentlichkeit auf. Zwei der aktivsten Namen der Gegenwart sind in der Hinsicht Jennifer Shahade und Laurie Tournier. Die Spielerinnen sind nicht nur bekannte Gesichter von internationalen Turnieren. Sie streamen außerdem Pokerinhalte, wirken bei Konferenzen, Vorlesungen und Trainingsevents mit oder veröffentlichen Bücher über den Pokersport. Viele ihrer Erzeugnisse sprechen direkt Frauen an, um deren Einstieg in die Profiwelt zu erleichtern. Damit wird deutlich, dass Frauen ab den 2000ern ihre Position im Pokersport gestärkt haben. Die Eigeninitiative und Bemühungen der Powerfrauen in der Geschichte haben dabei einen enormen Beitrag zum heutigen Standpunkt geleistet, in dem der Anblick von Spielerinnen in der professionellen Pokerwelt eine Selbstverständlichkeit ist.
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