StartLifestyleKolumneKolumne: Warum YOLO in der Liebe nichts zu suchen hat

Kolumne: Warum YOLO in der Liebe nichts zu suchen hat

Beziehungen und Affären werden immer kürzer, dafür immer zahlreicher. Erst neulich ist mir aufgefallen, wie viele Beziehungen um mich herum in die Brüche gehen. „Es hat einfach nicht gepasst…“ Ja aber…was genau passt eigentlich immer nicht? Und wieso springen wir von einer Kurzzeit-Beziehung in die nächste?

Es ist schon irgendwie erschreckend: Kaum eine Partnerschaft in meinem Freundeskreis, die in den letzten Jahren gehalten hat, der Club der Singles nimmt zahlenmäßig gut zu und glückliche Pärchen mutieren zu einer Rarität. Eine typische Beziehung knackt heute nicht einmal die 2-Jahres-Grenze, meist ist nach einem halben oder einem Jahr das Fassüberlaufen erreicht. Unterschiedliche Einstellungen und Denkweisen, zu viele Streitereien, Bad Timing oder „jemand anderes“ sind nur einige Gründe, wieso es so oft nicht mit der Liebe klappt. Aber haben wir denn heute mehr Probleme als unsere Eltern und Großeltern? Haben nicht auch die mit dem gleichen Stress zu kämpfen wie wir? Wieso kriegen es dann ältere Generationen gebacken, langjährige Partnerschaften zu führen, während wir mehr oder weniger jedes halbe Jahr unsere Beziehung für das Singleleben oder aber eine neue Beziehung eintauschen?

Vielleicht sind wir einfach zu egoistisch geworden?

Wenn ich so darüber nachdenke, scheint es mir mit den Kurzzeit-Liebeleien und Turbo-Beziehungen eher ein jüngeres Phänomen zu sein. Und das liegt nicht daran, dass man heute mehr zwischenmenschlichen Problemen ausgesetzt ist als noch vor 20 Jahren. Vielleicht sind wir einfach zu egoistisch geworden? Nach dem Motto „YOLO“ (übrigens ein total bescheuertes Wort), „Nutze jeden Tag und trenn dich von allem, was miese Laune verbreitet“, „Du bist nur einmal jung, also hau auf die Kacke!“ streben nicht wenige nach vollkommener Zufriedenheit und Wohlbefinden, alles andere wäre ja auch reine Verschwendung wichtiger Lebenszeit. Dass der Blick für’s Gesamte dabei verloren geht, geschieht ohne Beabsichtigung. Was ich damit meine?

Wir sind mittlerweile so weit gekommen, dass wir sogar in der Partnerwahl, bewusst oder unbewusst, nach Perfektion suchen und uns mit „gut“ nicht mehr zufrieden geben. Gut ist manchmal eben nicht mehr gut genug. Wo Mama und Papa noch Kompromisse machten, ist unsere Generation auf Ego-Trip: Individualismus und Selbstverwirklichung stehen nicht selten an erster Stelle. Wenn etwas nicht hundertprozentig passt, wenn eine Beziehung anfängt Stress zu machen oder einem langweilig wird – und das passiert ganz automatisch nach dem Abklingen des blinden Verliebtseins in den ersten sechs Monaten – dann ist man eher gewillt, aufzugeben und wegzuschmeißen. Schließlich gibt es noch andere Fische im Meer, klügere Fische, attraktivere Fische, Fische, die besser schmecken (und dann gibt es natürlich noch die, die momentan kein Bock auf Fisch haben…).

Das Reißaus ist schlichtweg komfortabler als lästige Diskussionsarbeit

Doch das Meer war schon immer so groß, wie es heute ist, nur war es früher nicht so geläufig angeln zu gehen, wenn man zu Hause noch satt wurde. Dank der größten Single-Börse überhaupt, dem Internet und dem Smartphone, ist es auch so schrecklich einfach geworden, neue Menschen kennenzulernen. Die Versuchung ist dann groß, den jetzigen Partner gegen einen neuen, mit dem es gerade einfach spannender und lustiger ist, auszutauschen. Und wenn’s mit dem nicht klappt, dann lernt man eben wieder jemand anderes kennen, nichts einfacher als das. Wozu gibt’s denn Facebook und Whatsapp? Im Dauer-Online-Zeitalter könnten wir theoretisch alle zwei Sekunden den nächsten Traumpartner finden, Vermittlungsseiten und -Apps wie Elitepartner oder Lovoo (a.k.a. die Ansammlung aller Verzweifelten „Wir hams echt nötig, deswegen sind wir hier“) machen’s einem noch leichter.

So gesehen wird es immer jemanden geben, der besser zu uns passt als unser aktueller Partner, das aktive Suchen oder allein schon das Offensein für reizvolle Alternativen war früher nur weniger gängig und weitaus schwieriger. So mobil, wie wir heute sind – selbst Flugtickets über den Ozean buchen wir heute ganz gemütlich via Mausklick – dazu kommend unser Selbtverwirklichungsdrang, werden wir oft dazu verleitet, nicht genug in einer Beziehung zu arbeiten, mehr an uns selbst als an den Partner zu denken. Probleme und Krisen werden lieber vermieden als gelöst, denn das Reißaus ist schlichtweg komfortabler als lästige Diskussionsarbeit. Dass unsere Beziehungen heutzutage die Haltbarkeit von Vollmilch haben, liegt wohlmöglich zu großen Teilen an uns selbst. Zu anstrengend ist die Arbeit an einer langjährigen Liebschaft, zu groß und verlockend die Auswahl an neuen Partnern.

So sammeln sich über die Jahre unsere Kurzzeit-Beziehungen und -Affären. Wer seine Liebe langfristig wahren möchte, der sollte sich schnell von YOLO verabschieden (überhaupt sollte man sich mal so langsam von YOLO verabschieden). Eine Beziehung bedeutet Arbeit und eine gute, lange Beziehung eben oftmals besonders viel Arbeit. Die „Scheiß-auf-alles-es-gibt-noch-besseres“-Einstellung lässt uns höchstens von einer puren Verliebtheit in die nächste springen, aber niemals bei der großen Liebe landen, die sich eben auch durch Streitereien, Mühe und schlechte Zeiten auszeichnet.

Foto: clipdealer.de

Hien Thuy Dung
Hien Thuy Dung
Hien Thuy Dung ist ein echtes Urgestein unserer Redaktion und bringt ihre umfassende Expertise aus dem Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft ein. Mit ihrem Wohnsitz in der pulsierenden Metropole Frankfurt am Main hat sie den Finger stets am Puls der Zeit und ein wachsames Auge auf die neuesten Strömungen in der internationalen Modeszene und Popkultur. Ihre Artikel sind geprägt von einer tiefen Verständnis für globale Trends und digitalen Wandel, was sie zu einer unverzichtbaren Stimme in unserem Team macht. Hien Thuy Dungs Beiträge sind nicht nur informativ, sondern auch inspirierend, und spiegeln ihre Leidenschaft für die vernetzte Welt und ihre kulturellen Phänomene wider.

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