Manchmal ist es bei all den Unterschieden zwischen Männern und Frauen auch mal angenehm, Gemeinsamkeiten zu entdecken. Leider rede ich hier nicht davon, dass beide Geschlechter einen Sonnenuntergang auf Ko Phi Phi tendenziell romantisch finden, sondern, dass beide Parteien gleich viel… na? Lügen! Bei Datingportalen! Aha!
Ich habe ja selbst keine Ahnung vom Onlinedating. Als es aufkam, war ich zu jung, um mich damit auseinanderzusetzen, danach immer in Beziehungen, beispielsweise, als Tinder weltweit die Runde machte und es mich in den Fingern kitzelte, es einfach aus Neugierde und Recherche herunterzuladen. Ich habe es natürlich – welch vorbildliche Freundin ich doch bin – gelassen und schaue lieber meinen Singlefreundinnen über die Schulter, wenn sie mal wieder rigoros über ihren Smartphone-Bildschirm wischen, wischen, wischen…
Aber mal im Ernst. Datingportale finde ich schon irgendwie faszinierend. Da sagen sich Leute, es sei zu schwer, im realen Leben den Prinzen oder das Dornröschen zu finden, also verlagern sie die Suche – wie wir das fast alle mit unserem Leben tun – schlichtweg ins Internet. Und die, die zu schüchtern sind, um abends in einer Bar auf Beutezug zu gehen oder schlichtweg zu wenig Zeit haben, ein Vereinsmeier zu werden, melden sich ebenfalls an.
Der Haken an der Sache: Die Anonymität des Netzes wird meist zeitgleich ausgenutzt und das Profil entspricht oft kaum der Realität beziehungsweise spätestens im virtuellen Gespräch wird gelogen, dass sich die Online-Balken biegen:
Interessanterweise liegen Frauen und Männer statistisch gesehen gleich auf – beide schwindeln, egal, ob es um den wahren Familienstand, die Bildung oder die Art der gesuchten Beziehung geht. Übrigens wird bezüglich Alter und Gewicht am meisten in die Flunkerkiste gegriffen – liegt nahe, jammern wir doch im Alltag mit am häufigsten über Gewichtsprobleme oder dem Herannahen des nächsten runden Geburtstages.
Ich frage mich dennoch jedes Mal, wenn ich darüber nachdenke, ob durch das Lügen ein persönliches Treffen mit dem Onlineflirt von vorne herein ausgeschlossen wird? Denn ist es nicht wesentlich peinlicher, dem Menschen erklären zu müssen, warum der Waschbrettbauch sich als Waschbärbauch entpuppt, als von Anfang an zumindest ansatzweise ehrlich zu sein? Gerade Gewicht und Alter sind Indikatoren, die man nur schwer überspielen kann. Lediglich bei Menschen, die nur nach einem Onlineflirt suchen, um ihrem realen Leben zu entwischen, kann ich nachvollziehen, warum sie sich als Ryan-Gosling-Verschnitt ausgeben.
Getrost dem Motto: Was im Internet passiert, bleibt im Internet.
Ich finde, wer die Anonymität des Internets für seine Zwecke ausnutzt, wird früher oder später derbe auf die reale Nase fallen. Denn wenn ich in einem Café sitzen würde und auf meinen versprochenen Ryan Gosling warte, dann aber ein untersetzter Herr Ende 40 auf mich zukommt, bin ich absolut nicht bereit, hinter die Fassade zu schauen und dem Charakter eine Chance zu geben: Denn genau der hat mich nämlich angelogen. Und einen Mann, der nicht zu sich steht und auch noch denkt, ich würde mich an der Nase herumführen lassen, ist mehr als unsexy.