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Kolumne: Einparkhilfe

„So, jetzt rechts rum, einschlagen, noch etwas zurück und stopp, wieder anders rum – nein so doch nicht, wieder zurück und jetzt einschlagen!…“ Ich kann echt viel, aber Einparken auf keinen Fall. Beim Parken brauche ich immer Hilfe von außen. Derjenige, den es trifft, hat dann alle Hände voll zu tun, mich an mein Ziel zu bringen. Meist suche ich mir dafür einen Mann, die können das irgendwie besser. Doch in einigen Fällen brauchen selbst Männer eine Einparkassistentin und zwar dringend! Zu guter Letzt kommen diese vermeintlich hoffnungslosen Fälle mit der richtigen Anleitung dann auch irgendwann zum gewünschten Ergebnis; der eine etwas schneller und manch einer eben auch gar nicht…

Ich werde gleich nach einer langen Beziehung das erste Mal mit einem anderen Mann Sex haben. Ich gebe offen zu, ich bin schon etwas aufgeregt. Passt das mit uns? Gefalle ich ihm nackt? Dann kommt mir sofort der Gedanke. „Hätte ich lieber mal die letzte Tafel Schokolade nicht gegessen, scheiße!“ Jetzt habe ich mich extra in Schale geworfen und dabei dummer Weise nicht bedacht, dass meine Hose wirklich eng sitzt und das Teil später sexy auszuziehen leider so gut wie unmöglich ist. Vermutlich wird es nachher mehr nach einem Herauswinden aus einer zweiten Haut und alles andere als sexy erscheinen, scheiße!

Er sieht unheimlich gut aus, wie gemalt, hat einen Sixpack, ist allgemein sehr muskulös und durchtrainiert, so dass jede römische Statur vor Neid erblassen würde. Seine Haut ist leicht gebräunt und weich wie ein Babypopo, keine Haarstoppeln oder Unebenheiten, nirgends. Wir küssen uns und ich schmelze dahin, es passt einfach wie Vanilleeis und heiße Himbeeren. Er schmeißt mich aufs Bett und zieht mir die Hose aus, was deutlich besser geht als erwartet. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich die Befürchtung, er müsste mich am Ende aus dem Teil rausschneiden, aber ich bekomme schnell den Eindruck, der Mann scheint zu wissen, was er da tut. Langsam wandert er mit seinen Küssen und seiner Zunge immer weiter nach unten. In meinem Körper schreit alles für einen leider viel zu kurzen Moment ganz laut auf. Meine Organe führen sich auf wie betrunkene Fußballfans bei einem Finale, in dem ihr Team den Sieg schon so gut wie sicher in der Tasche hat und vollführen eine Laolawelle nach der andern.

„Mhhh, etwas mehr links, nicht so schnell, schneller, da nicht so drücken, ja so, nein so doch nicht.“

Endlich hat er sein Ziel erreicht, aber alle betrunkenen Fans setzten sich wieder hin und sind ruhig, oder buhen sogar. Was zum Teufel ist denn da los??? Fehlentscheidung, Elfmeter verschossen und Abseits auf einmal?! Das gibt’s doch einfach nicht! Oh man wie konnte alles so gut passen und dann das? Ein wildes Gestochere und Gepiekse, wie ein blindes Huhn ohne Orientierungssinn – hoffnungslos verloren. Man kennt sich nicht, hatte noch nie zusammen Sex, also versuche ich ihm ein paar Anweisungen zu geben. Aber ehe ich mich versehe, habe ich das Gefühl, eine verzweifelte Frau wie mich in eine viel zu kleine Parklücke einzuweisen: „Mhhh, etwas mehr links, nicht so schnell, schneller, da nicht so drücken, ja so, nein so doch nicht.“

Und dann bin ich still. Ich schlage die Augen auf und schaue mir das Unheil an. Dazu muss ich vorwegnehmen, dass ich so gut wie nie die Augen auf habe. Wenn es um guten Sex geht, bin immer ganz bei mir und genieße jede Sekunde. Aber hierauf habe ich nun wirklich keine Lust – Ein Freizeitpark ohne rasante Fahrgeschäfte und professionelle Animation, wo gibt’s denn so was? Richtig – nirgends! Mittlerweile starre ich an die Decke und muss feststellen, dass sie erstens mal wieder gestrichen gehört und zweitens, in der Ecke eine kleine Spinne lebt, die uns bestimmt gerade zuschaut und mich entweder auslacht oder bemitleidet. Ich kann es nicht ganz nachvollziehen, dass Mann es nicht mitbekommt, wenn eine Frau auf einmal ganz leise ist und nicht ein winziges Bisschen mehr stöhnt. Wie kann er dann denken, dass es, oder viel mehr er, gut ist?

Dann noch die Sache mit dem Kitzler – Warum denken Männer immer, dass das Teil so etwas wie ein Buzzer oder ein An-Aus-Schalter ist? Liebe Männer da draußen: Das Ding ist echt empfindlich und auch irgendwann überreizt und dann geht nichts mehr! Da muss man doch mit etwas Feingefühl ran und nicht einfach ziellos drauf rumdrücken. Es wird mir langsam echt zu arg und ich rutsche etwas nach oben, und spätestens da sollte doch jeder Mann verstanden haben, dass das, was er da gerade tut, nicht das Wahre sein kann. Also Aufgepasst: Näherkommen bedeutet: „Super Junge, Du bist auf dem richtigen Weg, mach weiter so, wir sind auf der Zielgeraden!“. Aber Hochrutschen…Hochrutschen ist ganz übel und heißt übersetzt: „Oh Mann, Du hast ne‘ völlig falsche Abzweigung genommen und das Ziel liegt in der anderen Richtung!“. Ich versuche es noch einmal mit Einparkhilfen und Anweisungen. Am liebsten würde ich mich jetzt selbst hinters Steuer setzen und ihm „Einparken in drei Zügen“ vorführen, aber nach kurzer Zeit ist selbst die Option aus dem Rennen. Es hilft alles nichts, ich glaube dieser Typ hat gar keinen Führerschein oder er scheint zumindest keinen Praxisunterricht gehabt zu haben, sonst wären wir mit Sicherheit nicht in dieser dämlichen Sackgasse gelandet. Ich muss dieses Desaster so schnell es geht beenden, obwohl schnell eigentlich nie mein Ding ist. Aber was hier momentan läuft, das geht gar nicht.

Es gibt nur noch eine Lösung: Vortäuschen!

Also was tun? Um jeglichen Gesprächen und ähnlich peinlichen Situationen aus dem Weg zu gehen, da wir uns leider noch ein paar Mal über den Weg laufen werden, gibt es nur eine Lösung: Vortäuschen! Verdammt, das hab ich das letzte Mal im Teeniealter gemacht. Aber gut, das Ganze hier hat keinen Wert, also wird etwas gestöhnt und fertig! Puh, das war aber keine besonders gute schauspielerische Leistung. Die Goldene Himbeere für die schlechteste Leistung des Jahres 2014 in der Kategorie „Fake-Orgasmus“. Und der Preis geht an…….MICH! Wer hätte das gedacht… Ich hätte sie auch sofort entgegengenommen und dafür eine um so bessere Dankesrede gehalten.

Natürlich ist es schwer bei einem One-Night-Stand zu wissen, was der andere mag, ohne dass er oder sie es dem Gegenüber sagt, aber ich bin einfach kein Freund von Einparkhilfen beim Sex. Ich glaube, wir Frauen zeigen deutlich, wann uns etwas gefällt und wann nicht. Und manches Mal passt es einfach nicht zusammen. Deshalb ist der andere nicht unbedingt schlecht, aber eben nicht für Dich geeignet. Aber ich bin der festen Überzeugung, wenn so mancher Mann mal seine Antennen richtig ausrichten würde und mit offenen Augen und vor allem offenen Ohren im Verkehr unterwegs wäre, könnte es viel mehr glückliche Frauen geben, die ihre Befriedigung nicht im Schuhladen um die Ecke suchen müssten.

Foto: istockphoto.com

Mia Winter
Mia Winter
Mia Winter ist bekannt für ihre direkte und unverblümte Art, mit der sie die Themen Liebe und Erotik in ihrer Kolumne bei AJOURE´ angeht. Ihre Texte sind ein mutiges Eintauchen in die Tiefen menschlicher Intimität und Beziehungen, wobei sie kein Blatt vor den Mund nimmt. Mit einer Mischung aus persönlichen Anekdoten und scharfsinnigen Beobachtungen schafft Mia es, ihre Leser zu fesseln und gleichzeitig zum Nachdenken anzuregen. Ihre Kolumnen sind für viele ein Leuchtturm der Ehrlichkeit in einem Meer von Klischees und Tabus.

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