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Kolumne: Cry me a river

Ich habe in den letzten Tagen aufgrund eines Abschiedes, den ich lieber vor mir hergeschoben als durchgemacht hätte, sehr viel geweint. Mit schwammigem Blick bin ich dann auf eine Fotoserie gestoßen, die Tränen verschiedensten Ursprungs unter dem Mikroskop zeigt. Und dann war mir erneut zum Heulen zumute.

Ich bin, was viele Dinge angeht, unglaublich nahe am Wasser gebaut. Und ich hoffe, dass ich damit nicht alleine dastehe, sondern die eine oder andere Leserin jetzt auch zumindest innerlich nickt. Das reicht schon, danke.

Wenn eine Freundin weint, dann dauert es nicht lange, dass ich mit einstimme. Und ich kann mich noch an eine Beerdigung erinnern, bei der ich den Verstorbenen nicht mal kannte, und trotzdem schluchzend in der Kirche stand.
Es ist nicht so, dass ich das sonderlich schlimm finde. Emotionalität bringt einen in vielen Situationen weiter, man setzt sich automatisch mit der eigenen Lage auseinander. Wegrennen, Fehlanzeige. Verdrängen? Nicht möglich. Aber manchmal, wenn die Sturzbäche wiedermal nicht aufhören wollen zu fließen, da wünsche ich, mir dass es nur eine Träne weniger wäre. Oder zwei. Für den klaren Blick und ein bisschen Licht am Ende des Tunnels.

In der Fotoserie (lifebuzz.com/tears/#!M869J) ist unschwer zu erkennen, dass jede Träne anders strukturiert ist. Wenn ihr Ursprung bei Trauer liegt, liegt ein ganz anderes Muster vor, als bei Tränen der Erleichterung oder beispielsweise auch beim Schneiden von Zwiebeln. Ich finde die Aufnahmen unglaublich schön und faszinierend. Wie etwas so Kleines wie ein Tropfen Salzwasser so große Auswirkungen auf uns haben kann, und trotzdem so fragil aufgebaut ist…wahrscheinlich eben, wie wir selbst. Wenn wir weinen, wirken wir zerbrechlich. Wir wirken sensibel, aber auch – und das ist das Schöne – voller Leben. Weinen kann trotz des Schleiers vor den Augen helfen, Dinge zu überwinden oder loszulassen. Und es zeigt, dass man nicht gleichgültig ist und nicht über alles hinwegschauen kann.
So lange man nicht selbst im eigenen Meer der Tränen ertrinkt, ist also alles gut.

Wer aber wusste, dass Weinen und Lachen die gleiche Ursprungsquelle inne haben, sprich die gleichen Hirnregionen anregen? Ich finde, dass es einen kaum beruhigenderen Gedanken gibt, als den, dass Sonne und Mond, Licht und Dunkelheit, Freude und Trauer immer Hand in Hand gehen. Zusammengehören.

In nächster Zeit wünsche ich mir allerdings wieder mehr Freudentränen. Die erlaubt man sich sowieso viel zu selten.

Foto: Cry Me A River von Moxkyr (flickr), cc by sa-2.0

Anika Landsteiner
Anika Landsteinerhttps://anikalandsteiner.de/
Anika Landsteiner wurde 1987 geboren und arbeitet als Autorin und Journalistin. Ihr Fokus liegt dabei auf gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, Tabuthemen, Feminismus und Popkultur. Als Kolumnistin nimmt sie uns mit auf ihre gedanklichen Reisen und gibt uns immer wieder neue Denkansätze.

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