Ich bin ein extremer Mensch, was meine Gefühle angeht. Beispielsweise kriege ich meine Klappe entweder nicht zu – oder ich bekomme sie nicht auf. Schwierig für mein Umfeld? Nun ja, meine besten Freunde kenne ich seit dem Kindergarten bzw. der Schule, d.h. die haben das über Jahre hinweg mitbekommen und mittlerweile gelernt, dass es einfach so ist.
Bei meinem Partner frage ich mich allerdings oft, wie er das gemeinsame Leben mit mir so aushält. Wenn ich beispielsweise meinen persönlichen Joker ziehe und wieder ein Mal einen Monolog über all das halte, was ich als verbesserungswürdig in unseren vier Wänden ansehe. Wenn ich ihn überrolle und er wie ein stummer Fisch vor mir sitzt und gluckst, weil ich kaum Luft holen muss zwischen meinen verbalen Ergüssen. Klar, mit einer Schauspielerin und Autorin hat man es verbal betrachtet nicht einfach, vor allem, wenn man Typ Mann ist: Erst nachdenken und dann sprechen. Eine Haltung, mit der ich ja grundsätzlich nichts anfangen kann. Schließlich passiert das Denken während dem Sprechen. Ansonsten entstehen minutenlange Pausen, in denen einfach nichts passiert und ich mich schon längst um den Abwasch kümmern könnte. Mein Hirn funktioniert einfach schnell… allerdings nur dann, wenn ich es wirklich will, das muss ich zugeben.
Diskussionen sind mein Revier und Meinungsäußerung ist ein Begriff, bei dem ich das Gefühl habe, ich hätte alleiniges Recht darauf. Wir Frauen kennen das zu gut, denn wir glauben, dass wir immer den Überblick haben. Schließlich riechen wir schon Wochen vorher, wenn sich eine Auseinandersetzung anbahnt. Da zieht es leicht im Nackenbereich, die Härchen stellen sich auf und wir wittern den ganz großen Streit. Gut, manchmal provozieren wir den auch mal gerne, um etwas Abwechslung in die Beziehung zu bringen, aber darum geht es hier nicht. Durch diese ausgeprägte Intuition haben wir natürlich einen meilenweiten Vorsprung in unserer Redegewandtheit, denn das männliche Geschlecht ist ja meist bis kurz vor einer Auseinandersetzung nicht auf den Trichter gekommen, dass der Haussegen schief hängen könnte. Ein großes Problem, schließlich wollen wir doch erstens Aufmerksamkeit (immer) und eine gewisse Gleichberechtigung in unserer Beziehung (zumindest offiziell).
Wie löse ich nun das Problem? Ganz einfach: Ich habe neuerdings angefangen, die Klappe zu halten. Das verwirrt meinen Freund nicht nur bis ins Mark sondern macht ihn auch noch unsicher. Er sucht auf ein Mal das Gespräch und ich nicke nur, verständige mich durch Blicke und zucke ab und an die Achseln. Manchmal auch nur eine, dann geht es allerdings um wirklich harten Tobak.
Durch diese – ja, ich gebe es zu – Trotzreaktion habe ich allerdings etwas Wichtiges gelernt:
Schweigen ist nicht besser als Reden. Und ein Thema tot zu quatschen ist das Schlimmste, was man sich und sein Gegenüber antun kann. Die beiden gehen Hand in Hand und das schon immer. Keine Option ist besser oder schlechter, es gibt nur verschiedene Zeitpunkte. Es kommt auf die Umstände an, ob ich auf die Tube drücken und loslegen sollte oder einfach mal still sein. Vielleicht hört man genau dann etwas, was sonst unverstanden geblieben wäre. Oder sieht Gesten. Und achtet auf die Mimik.
Man muss akzeptieren können, dass manche Menschen nicht gerne reden und sich eventuell nicht besonders gut ausdrücken können. Vor allem, wenn sie sich in die Ecke gedrängt fühlen und wissen, dass sie auf der Suche nach den richtigen Worten grundsätzlich falsch abbiegen. Aber wenn jemand einen dicken Klos hinunterschluckt, versucht deine Hand zu nehmen oder in seinem Blick eine Entschuldigung liegt, die weitaus tiefgreifender ist, als ein Liebesgeständnis aus dem Helikopter bei „Nur die Liebe zählt“, dann gilt eins:
Halt verdammt noch mal deine blöde Klappe. Und schalte dein Hirn aus. Und dein Herz an. Die beiden gehen nämlich nicht Hand und Hand, und das schon immer.
Foto: Anika Landsteiner privat