Zu kleiner Vorbau? Keine süße Stupsnase? Falten im Alter? Nichts, was der Doc nicht richten kann. Heutzutage ist alles möglich: Wer von Gott nicht das Schönheitsideal in die Wiege gelegt bekommen hat, der kriegt es halt in der Klinik. Verwerflich schon lange nicht mehr, aber wo hören die Grenzen des guten Geschmacks auf?
„Ich will gut aussehen, weil mich das erfolgreicher machen wird“, erzählt die 13-jährige Yuri. In ihrer Heimat Süd-Korea ist der Druck attraktiv zu sein besonders groß. Kein anderes Land der Welt verbucht prozentual so viele Schönheitseingriffe wie der Ostasiatische Staat: Schätzungsweise 20 Prozent aller 20-30-Jährigen haben sich unters Messer gelegt, Tendenz steigend. Die mit Abstand beliebteste Prozedur ist ein einfacher Eingriff, um de Augen größer wirken zu lassen. „Das bekomme ich von meinen Eltern zum Geburtstag geschenkt“, sagt Yuri stolz. Klingt in den meisten Ohren abgedreht, ist aber gar nicht so unüblich. Hier in Asien rechnet man Schönheit einen anderen Wert an; wer gut aussieht, ist nicht nur beliebter, der wird’s auch einfacher haben im Job, in der Liebe, im Leben. OP zum 14.? Wieso eigentlich nicht, das hat ja schließlich langfristige und mehrseitige Erfolge. Und leisten kann man es sich auch. „Große Augen, hohe Nase, schmales Kinn; so wie die Popstars.“ Das ist hier das Ideal, im besten Fall noch kombiniert mit makellos blasser Haut. Vorgelebt wird es von den Sängern und Schauspielern, die mit ihren fast schon surreal schönen Gesichtern den Ton angeben und die Masse beeinflussen. In den Ferien lassen sich viele Schüler gerne operieren, um ihren Idolen ähnlicher zu sehen. Zu Schulbeginn sind die Wunden verheilt und sie sehen um einiges besser aus. Das wiederum gibt Anlass für ihre Kameraden und Freunde, es ihnen gleich zu tun.
Aber nicht nur in Korea ist der Beauty-Wahn im vollen Gange. Auch in Europa und den Staaten können sich die Schönheitskliniken nicht über Besuchermangel beschweren. „Die rennen hierher mit Fotos von Gisele Bündchen oder Jennifer Aniston“, sagt ein bekannter Chirurg. Von der einen die Nase, von der anderen die Wangenknochen und so weiter. Wie man aussehen will, lässt sich mittlerweile wie ein Puzzle spielend leicht zusammenstellen. Lippen-Injektionen, Brustvergrößerungen und Facelifts sind hier die meist vorgenommenen Eingriffe, von Botox-Spritzen mal abgesehen, das heute etwas überzogen gesagt schon fast zum Make-Up-Produkt mutiert ist. Botox-Parties zum Beispiel sind der neuste Renner unter den Schönen und Reichen. Gut gemachte OPs sind auch so dezent, dass man ohne Vergleichsbilder nichts unnatürliches bemerkt. Dass manchmal doch ganz offensichtlich zu viel geschraubt und verfeinert wurde, stört viele nicht einmal.
Die Menschheit ist offener geworden. Für Entgrenzung und für neue Wege, Ziele zu erreichen. Früher noch als beschämend betrachtet, ist es nun kein Problem mehr mit OPs ans Licht zu gehen. Telefonnummern von Chirurgen werden getauscht wie der neuste Klatsch und Tratsch. Veruteilt wird heute keiner mehr für einen kosmetischen Eingriff. Paradox gegenüber dieser Offenheit für neue Werte steht der Röhrenblick für Schönheitsideale. Von den USA bis hin nach Korea wird einem einzigen Attraktivitätszustand nachgeeifert und der Blick für subjektive, individuelle Schönheit verloren und vergessen. Besonders traurig ist das für die ganz Jungen, für Mädchen wie Yuri, die im Alter von nicht einmal 14 schon den Druck verspüren, gefallen zu müssen. Ob sie sich so nicht hübsch findet? „Nein, meine Augen sind zu klein, das sieht nicht gut aus.“ Das junge Mädchen scheint ganz genau zu wissen, was schön ist und was nicht. Dass Schönheit aber im Auge des Betrachters liegt, hat ihr keiner gesagt.
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