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Kolumne: Frenemy

“Vollkommene Freundschaft ist das Wohlwollen unter Guten. Und weil sie gut sind, sind sie zugleich nützlich und bereiten einander Freude.” (-Aristoteles)

Sie ist unglaublich essentiell und ohne sie geht es nicht. Kaum etwas findet in der Geschichte, Mythologie oder Philosophie so viel Verwendung wie die Freundschaft.

Selbst Aristoteles, einer der größten und heute noch bedeutendsten Philosophen, widmete ein Kapitel seines Werks “Nikomachische Ethik” der Freundschaft. Unzählige Zitate kursieren über diesen Begriff wie: “Freundschaft: So etwas wie Liebe nur mit Verstand.” Jedoch besitzt sie, wie alle Dinge dieser Welt, zwei Seiten. Auch die Freundschaft zweier Menschen ist zu betrachten wie eine Medaille, auf der die eine Seite lichtdurchflutet und die andere hingegen mit Schatten befleckt ist. Sie prägt uns nach den Erziehungsmethoden unserer Eltern am meisten und findet stets in unserem Leben Platz. Es liegt es an uns, gute von schlechten Freundschaften zu unterscheiden und aus jeder freundschaftlichen Begegnung etwas für unsere Zukunft mitzunehmen. So produktiv, positiv und essentiell sie auch sein mag, ist ihre Schattenseite umso schädlicher und emotional dehydrierender, als kaum etwas anderes. Ich rede hier von der berühmt berüchtigten falschen Freundschaft, dem Freundfeind (frenemy). Vor dieser Art von Scheinfreundschaft warnten uns unsere Eltern bereits in früher Kindheit. Wir wurden stets ermahnt und daran erinnert, dass es durchaus Menschen gibt, die eben nicht unser Wohlwollen vor Augen haben. Denen es sogar komplett gleichgültig ist, wie es uns denn letztendlich geht. Nicht umsonst sind einige Kinder in verschiedenen Gesellschaften so stark abgestürzt. Drogenexzesse, kriminelle Interessen, bis hin zur Gewalttätigkeit. Dem düsteren Teil der Phantasie sind keinerlei Grenzen gesetzt. Was im ersten Augenblick wie ein mittelmäßiger Blockbuster klingt, ist nun leider doch für einige, wenn auch wenige, ernste Realität.

Schaden in Freundschaften zu erlangen, ist gar nicht so unüblich. Viele dieser Konstellationen beginnen zunächst mit einer harmlosen Freundschaft und kippen zu einem späteren Zeitpunkt in ein feindliches Verhältnis. Auf einmal stehen Beschuldigungen auf dem Tagesprogramm, Manipulationen sind das Hauptinteresse und schlechtes Gerede hinter deinem Rücken findet ebenfalls statt. Das ist der Punkt innerhalb einer Freundschaft, die die Umkehr dieser einleitet oder dir die wahren Absichten deines Freundes auf einem Silbertablett serviert. Eben dieser Moment, in dem sie statt großem Nutzen einen umso größeren Schaden ausrichten kann. Eine Wende von Freundschaft zu Feindschaft. Schließlich kennt kaum einer unsere Schwachpunkte, Träume, Wünsche, Alpträume, Sehnsüchte und Vergangenheit so gut wie unsere zweite, auserkorene Familie. Nun gut, falls du mehr einer introvertierten Person entsprechen solltest, die die Dinge eher für sich ausmacht, anstatt sie zu verbalisieren, sieht das ganze wiederum dezent anders aus. Es wäre auch gut möglich, dass du eben für diese thematischen Grauzonen der Freundschaft und den damit verbundenen Problematiken einen Therapeuten hast, aber davon gehen wir jetzt nicht aus.

Bei diesem Fall der Masken, ähnlich wie beim Ende eines Maskenballs, müssen vermeintliche Freunde auch früher oder später ihre wahren Gesichter ans Tageslicht bringen. Denn letztlich lässt sich schlecht mit Masken schlafen, wie ein jeder Schauspieler oder eine Frau, die Wert auf ein gute Foundation legt, vermutlich weiß. Das ist der größtmögliche Zeitpunkt der Wahrheit. Eine Art Soulstrip. Wie sieht dein Gegenüber wirklich aus? Wie bereits vertraut, nur mit leichten Unterschieden im Farbspektrum der Wangen? Oder hast du plötzlich ein komplett anderes Wesen vor dir? Falls zweiteres der Fall sein sollte, ist Vorsicht geboten. Denn möglicherweise geben sich deine Nächsten als Freunde aus, obwohl sie es offensichtlich nicht sind. Wie ist sowas denn überhaupt möglich? Wieso habe ich das denn vorher nicht erkannt? Das sind gegebenenfalls ein paar der Fragen, die du dir nun stellen wirst. Vielleicht wolltest du es einfach nicht wahrhaben. Eine andere Erklärung hierfür wäre der Moment des Kennenlernens. Für gewöhnlich müssen unsere Nächsten einige Pfade überqueren und eine gewisse Vertrauenswürdigkeit an den Tag legen, sodass wir uns ihnen überhaupt erst öffnen. Aus Angst davor alleine sein zu können und sich nicht mehr mit neuen Menschen vernetzen zu können, halten wir uns an dem vermeintlich letzten sozialen Grashalm fest, der sich vor uns befindet. Doch dem ist nicht so. Es sind nicht die letzten Menschen, deren Bekanntschaft und Freundschaft du machen wirst. Eine gewisse Gelassenheit, Ruhe und eine detektivische Raffinesse werden von dir verlangt, um falsche Freunde zu entlarven. Ähnlich war es doch laut biblischem Know-how auch bei Gott. Er hielt Luzifer für seinen Nächsten, ließ sich täuschen und zog daraus die Konsequenzen. Und so wurde die Legende vom gefallenen Engel geboren. Aus dem Erzengel Luzifer wurde Satan höchstpersönlich.

Was lernen wir hieraus? Sich zu täuschen ist nicht bloß menschlich, ja sogar göttlich, wie uns die Bibel lehrt. Was ist die logische Konsequenz für uns? Ganz einfach, wir müssen schlicht und einfach lernen die Spreu vom Weizen zu trennen, Perlen zu erkennen, wenn sie vor uns liegen und nach ihnen greifen. Fruchtbringende Freundschaften sind wie Sauerstoff, den wir atmen. Sie bringen uns voran, halten uns den Spiegel der Wahrheit vor und helfen uns auf die Sprünge, wenn wir mal ratlos sind. Dennoch gibt es hierzu ein Negativ-Exempel. Diese Chamäleons der Freundschaft sind eben nicht da, wenn wir eine Schulter zum Anlehnen oder eine wahre Meinung bräuchten. Ganz im Gegenteil, sie lachen dir ins Gesicht, erzählen dir das alles gut wird und rammen dir bei der erstbesten Gelegenheit den Dolch in den Rücken, wenn du es am Wenigsten erwartest. Dennoch hältst du ihnen die Stange, denn dein Verständnis von Freundschaft ist ein anderes und zwar ein von Neid und Missgunst freies Freundschaftsverständnis, das Loyalität und Güte an den Tag legt. Das sind natürlich alles gute Eigenschaften, die du keineswegs aufgeben musst oder nicht zeigen sollst. Wichtig ist zu erkennen, wem man sie reichen möchte. Eine der wichtigsten Fragen für dich sollten sein: Wer verdient meine Freundschaft? Was mache ich im Falle einer endlosen Ereigniskette an Verletzungen und Enttäuschungen, verursacht von meiner Freundschaft? Bin ich mir selbst denn ein guter Freund?

Die letzte Frage setzt sich zentral in den Vordergrund. Natürlich mag es sein, dass uns eine Freundin, ein guter Freund, ein Vertrauter möglicherweise enttäuscht hat, doch ist hier viel entscheidender, wie du damit umgehen möchtest. Verletzungen auf zwischenmenschlicher Ebene sind nahezu unvermeidbar, jedoch ist es entscheidend Grenzen zu ziehen und sich im Umgang mit einer Freundin/ eines Freundes immer zu hinterfragen, sowie zu differenzieren. Habe ich bestmöglich in der Streitsituation reagiert? War ich ehrlich zu meinem Gegenüber? Ist das, was hier passiert, überhaupt rechtens?

Fragen über Fragen. Tendenziell gilt, dass niemand einen schlechten, respektlosen Umgang verdient hat. Und jeder Streit immer zwei subjektive Versionen hat. Doch falsche Freundschaft ist nie eine Option und schützen davor kannst nur du dich selbst. Schließlich sind deine Eltern im Idealfall in ihren Erziehungsfunktionen in die Pension gegangen. Also müssen wir uns eigenständig fern von Schlangen halten, die uns einen verbotenen Apfel zu reichen versuchen. Denn Manipulation und böse Absichten standen noch nie im Sinne der Freundschaft. Mentoren und Elternersatz brauchst du im erwachsenen Alter nicht. So sei dir selbst der beste Freund und wähle deine Liebsten weise. Denke stets daran, Frenemies werden nicht geboren, sie werden geschaffen. Wer ihnen keinen Nährboden gibt, erstickt sozusagen den Ärger im Keim. Es werden noch viele Menschen in dein Leben treten, ob du nun 17 oder 70 bist, im sozialen Bereich des Lebens hat man nie ausgelernt.

Halte stets Ausschau nach Perlen, denn sie sind rein und vollkommen in ihrer Form und wenn du sie gefunden hast, bewahre sie in einer würdigen Schatulle auf. Denn es ist deine Verantwortung, deine Freundschaften zu pflegen.

Foto: AJOURE´ Redaktion

Umut Akcay
Umut Akcay
Umut, vom Bosporus ab ins idyllische Heidelberg, wo er sich dachte, er könne ja mal Germanistik studieren. Er kennt mehr Worte, als Langenscheidts komplette Enzyklopädie. Kaum jemand nimmt sich so oft selbst auf die Schippe und ist dabei gleichzeitig noch so zurückhaltend selbstkritisch.

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