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Kolumne: Von Türknackern und Herzensbrechern

So gut wie jeder hat sich schon ein mal ausgesperrt. Und im übertragenen Sinne haben wir alle Erfahrungen darin, vor verschlossenen Türen zu stehen. Doch was passiert, wenn man unbedingt wissen möchte, was sich hinter dem Schloss verbirgt und ist es einfacher, gemeinsam vor unüberwindbaren Hindernissen zu stehen statt alleine?

Am Wochenende habe ich mich gemeinsam mit meinem Freund aus unserer Wohnung ausgesperrt. Während ich die Tür hinter mir zuzog, weil ich wusste, dass er seinen Schlüssel in der Hand hatte, dämmerte es ihm schon, er rief „Warte“, doch es war zu spät: Mein Schlüssel steckte von innen und wie wir ein paar Minuten später durch diverse Türknack-Methoden feststellen mussten, steckte er da auch ganz gut. Dieses Abschließen von innen hatte ich als Relikt meiner Zeit des alleine Wohnens mitgenommen. Was soll ich sagen, ich habe zwei Jahre lang im größten Kneipenviertel der Stadt gewohnt, da macht man so was halt. Vor allem, wenn man komische Nachbarn hat.

Und wie ich so dasaß, auf den Stufen des wunderschönen Altbau-Treppenhauses, kam ich auf den Gedanken des Schlüssel-Schloss-Prinzips. Ich kramte in meinen Gehirnwindungen nach den Überbleibseln meines Biologie-Abiturs, aber Wikipedia kann es definitiv besser erklären: Das Schlüssel-Schloss-Prinzip beschreibt die Funktion von zwei oder mehreren komplementären Strukturen, die räumlich zueinander passen müssen, um eine bestimmte biochemische Funktion erfüllen zu können.

Ha! Wenn das mal nicht die universelle Erklärung für eine funktionierende Beziehung ist. Fabelhaft, die Biochemie steht der Partnerschaft also nicht nur im Austausch körperlicher Flüssigkeiten nahe, sie beschreibt einen der wichtigsten Vorgänge in unserem Leben: Entweder etwas passt. Oder eben nicht. Entweder man kommt rein. Oder man bleibt draußen stehen. Wahlweise im Regen.

Mir fallen dazu vor allem diese sogenannten Halbbeziehungen ein. Ein paar Dates, die immer mehr werden, immer öfter übernachtet man beim anderen, immer öfter wird derjenige mitgebracht zu Geburtstagen und anderen Feierlichkeiten, wird vorgestellt, integriert und doch… ist man nicht zusammen. Zum Beispiel, weil einer von beiden sich nicht binden möchte, oder weil der andere bald für längere Zeit die Stadt verlässt und man einfach versucht, die Zeit zu genießen als Halb… ding. Und manchmal, da passt es einfach nicht hundertprozentig, aber man zieht deswegen noch lange nicht weiter, sondern man bleibt. Aus Gründen der Bequemlichkeit oder der Angst.

Mir tun Menschen, die mehr schlecht als recht in einer solchen Situation stecken, immer leid, weil ich selbst ein Liedchen davon singen kann. Zu einer Zeit, in der ich eigentlich verknallt in einen Schulkollegen war, wurde ich schier erobert von jemanden, der mich gar nicht interessierte. Als er nach meinem Korb schließlich unangemeldet und alleine bei meiner Abschlussvorführung an der Schauspielschule saß, habe ich ihn auf einmal gesehen. Nicht nur hinter den Scheinwerfen, sondern auch im wirklichen Leben. Von da an war es um mich geschehen, es begann eine wirklich typisch verlaufende und herzerwärmende Liebesgeschichte – minus dem Gespräch, in dem er mir nach drei Monaten Dates eröffnete, dass er keine Freundin wolle. Da war es aber schon viel zu spät, denn ich war head over heels und wenn er ehrlich zu sich selbst gewesen wäre, steckten wir schon längst in einer Partnerschaft. Nach einiger Zeit merkte ich, dass ich in dieser alleine war. Er zog sich immer mehr zurück und ich stand vor seinen verschlossenen Türen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir eines Nachts von einer Party angetrunken nach Hause gekommen waren und ich mir dachte, wie perfekt das eigentlich zwischen uns sein könnte. „Du lässt mich nicht herein“, hatte ich zu ihm gesagt. Er schaute mich an und verneinte es, aber wir beide wussten, dass er mich anlog. Ein paar Wochen später – ich hatte längst mein imaginäres Köfferchen gepackt, war aber immer noch himmelweit weg davon ihn zu vergessen – saß ich mit Freundinnen in einem Restaurant. Im hintersten Eck saß er. Mit seiner neuen Freundin. Ein Mädchen, das von Kopf bis Fuß so komplett anders war als ich. Da wusste ich, dass mein Schlüssel nie der Richtige gewesen war.

Letzten Sonntag hatte der gerufene Schlüsseldienst nach einer Minute unsere Tür offen und alles war wieder beim Alten. Es war ein teurer Spaß, aber trotzdem musste ich lachen. Denn wenn man weiß, dass man gemeinsam auf einer Seite einer geschlossenen Tür steht, dann gibt es immer Mittel und Wege, sie zu öffnen.

Foto: Anika Landsteiner privat

Anika Landsteiner
Anika Landsteinerhttps://anikalandsteiner.de/
Anika Landsteiner wurde 1987 geboren und arbeitet als Autorin und Journalistin. Ihr Fokus liegt dabei auf gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, Tabuthemen, Feminismus und Popkultur. Als Kolumnistin nimmt sie uns mit auf ihre gedanklichen Reisen und gibt uns immer wieder neue Denkansätze.

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