Die letzten Tage habe ich in London verbracht, um für meinen Blog einen Reiseartikel zu schreiben und meine bezaubernde Freundin zu besuchen, die sich neuerdings als waschechte Londonerin fühlen darf. Neben dem britischem Charme, unglaublich vielen und verschiedenen Eindrücken und schlechtem Bier, das ich trotzdem irgendwie mag, habe ich mich aber auch mit einer anderen Sache beschäftigt: Heimweh. Nach dem Liebsten. Und das bei vier Tagen Urlaub. Das kam mir nicht british vor – sondern spanisch.
Bei mir ist das nämlich meist so: Am ersten Tag meiner Städtetrips wache ich früh auf, bin voller Tatendran und Motivation – dazu brauche ich nicht mal einen Kaffee, ich bin mein persönliches Michelin-Männchen. Dabei verschwende ich kaum Gedanken an Zuhause, mal kurz eine SMS nach München und ab geht’s in die fremde Stadt.
Am zweiten Tag geht es mir ähnlich, aber ich sauge nicht mehr ganz so viel auf, wie am ersten Tag. Das kommt daher, dass ich langsam ankomme, mir Dinge bekannter vorkommen und ich anfange, diese in meinem Kopf zu ordnen.
Am dritten Tag kommt die Sehnsucht nach meinem Freund. Und das ist so kurios, dass ich das (bis jetzt) immer für mich behalten habe. Am dritten Tag Heimweh? Peinlich. Irgendwie. Vor allem vor dem Hintergrund, dass ich ja eh am nächsten Tag wieder zurückfliege? Ich weiß es nicht. Aber ich kann es auch nicht steuern. Sehnsucht, Heimat, Liebeskummer – alles so höchst emotionale Gefühle, die man so gut wie nicht beeinflussen kann. Außer zu lernen, mit ihnen umzugehen.
Natürlich hängt das auch immer mit dem Umfeld zusammen. Meine Freundin und ich waren am dritten Tag ziemlich geschafft. Jeden Tag waren wir einen kleinen Marathon gelaufen, wir hatten uns überfluten lassen von der europäischen Metropole und haben abends ordentlich angestoßen. So sehr ich in diesen Momenten dazu tendiere, mein eigentliches Leben kurz zu vergessen, so sehr werde ich daran immer erinnert, wenn der dritte Tag gekommen ist. Ich sauge nicht mehr auf, sondern schreibe die Erlebnisse schon in Gedanken nieder. Ich hüpfe nicht mehr wie ein kleines Kind durch die Pfützen, sondern laufe drum herum und bin eher still. Nicht traurig, eher paris-melancholisch. Kennt das jemand? Diese Sehnsucht, die man in Städten wie Paris (und neuerdings London) spürt? Die nicht das Herz brechen, aber einen zum Sinnieren bringen… ja, so ging es mir.
Sonntagnacht bin ich aufgestanden und zum Flughafen gefahren. Ich war gar nicht müde, saß aufrecht im Shuttlebus, hörte Musik und verabschiedete mich von einer Stadt, die im prasselnden Regen langsam aufwachte.
Ich dachte daran, wie viele SMS ich von meinem Freund in den letzten drei Tagen bekommen hatte und musste lächeln… wie berechenbar wir doch alle sind. Kaum ist unsere andere Hälfte ein paar Tage außer Landes, so fängt man an, die gemeinsame Zeit wieder radikal wertzuschätzen. Nicht, dass man das sonst nicht tun würde, aber sicherlich nicht so bewusst.
Am Flughafen in München angekommen, ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass ich noch nie von einem Partner überraschend abgeholt wurde. Und wie sehr ich mir das wünschen würde. Je mehr ich das spürte, desto mehr schob ich den Gedanken weg, denn ich wusste, dass er nicht da sein würde, sondern zuhause kochen wollte. Mein Heimweh wuchs, meine Sehnsucht kochte über. Schnell raus hier, dachte ich, nahm einen falsch ausgeschilderten Ausgang und fand mich mit ein paar einzelnen anderen Passagieren an einer verlassenen Passkontrolle wieder. Wir sahen uns ein bisschen verdutzt an, schauten uns nach den anderen Fluggästen um, und verließen schließlich das Gate.
Mich beschlich immer wieder das Gefühl, er würde hier sein. Vielleicht spürt man sich, je näher man sich kommt. Oder man wünscht es sich so sehr, dass es wirklich passiert. Denn in der S-Bahn sitzend rief ich ihn an, hörte im Hintergrund eindeutige Flughafengeräusche – und hatte Recht. Da stand er. Am richtigen Gate. Und wartete auf mich. Doch ich hatte es geschafft, einen anderen Ausgang zu nehmen. Um schneller zu Hause zu sein.
Ob ich lachen oder weinen soll, das weiß ich immer noch nicht genau.
Foto: Anika Landsteiner