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Kolumne: Schubladensituationen

Seit Längerem behauptet eine Bekannte von mir immer wieder, wenn wir uns sehen, dass ich „die Nächste sei“ oder sie es „bei mir schon immer gewusst hätte.“ Die Rede ist hier nicht von Hochzeit, sondern vom Kinderkriegen. Ich, diejenige, die noch nie vorhersehbar leben wollte und sich schon gar nicht von jemand anderen in eine Schublade verweisen lies, hörte das nun immer häufiger. Und, Freunde, es geht mir gewaltig auf die Nerven.

Ich habe nichts gegen Kinder, dieses Fass mache ich gar nicht erst auf. Zwei meiner Freundinnen haben bereits Babys bekommen und ich finde sie zuckersüß und verbringe gerne Zeit mit ihnen, fahre sogar mit Kind und Kegel in den Urlaub! Hätte mir das jemand vor zwei Jahren prophezeit, hätte ich damals schon die Flucht ergriffen, um heute nicht gefunden zu werden. Aber nur weil ich so ganz grob und irgendwie und in einem sehr langsamen Modus auf die 30 zugehe, heißt es noch nicht, dass meine biologische Uhr tickt und ich Panik kriege, wie so manche Trulla, deren Leben an ihr vorbeifährt und winkt, während sie die verbleibenden Tage ihrer Fruchtbarkeit am Kalender anstreicht.

Doch eigentlich geht es hier gar nicht nur ums Kinderkriegen. Es geht darum, dass ich es überhaupt nicht mag, wenn mir andere einen Stempel aufdrücken wollen. Man sei nun in einem gewissen Alter und man hätte ja auch eine feste und ernsthafte Beziehung und man wolle doch mal und sowieso und überhaupt: Bullshit. Die Zeiten haben sich längst geändert und zwar so, dass ich tun und lassen kann, was ich will. Und vor allem, wann ich es will.

Und natürlich haben wir alle ein paar festgefahrene Vorstellungen und Bilder im Kopf, wenn wir an eine bestimmte Person in unserem Leben denken. Da ist beispielsweise Caroline, die schon zwei Kinder und einen Mann hat. Da gäbe es Katharina, notorischer Single, diejenige, die alle bespringt, wenn sie nicht bei drei auf dem Baum sind. Und vielleicht ist da auch noch Ines, die einen Partner hat, der kein Kind möchte, dafür Ines umso mehr. Das sind nun aufgezählte Steretypen und keine Freundinnen, die ich selbst habe. Doch jeder hat bestimmte Facetten an sich und steckt in Lebenslagen, die anderen helfen, sie zu pauschalisieren. Und eben in eine Schublade zu stecken.

Wer bist du? Und wer bin ich? Und so lange ich vielleicht nicht genau weiß, wer ich bin, muss ich dann trotzdem ein bestimmtes Bild erfüllen? Damit andere mich einordnen können?
Ich glaube ja, dass manche Menschen dazu neigen, andere in Schubladen einzuordnen, damit sie sich selbst sicher fühlen können. Sobald man jemanden gelabelt hat, hat man automatisch das Gefühl, ihn zu kennen und greifen zu können.

„Das ist die, deren Freund sie ständig betrügt.“ „Na, du weißt schon, der, der sich gerade so eine lange Auszeit genommen hat – wer weiß, warum!“
Reicht das manchen Menschen? Definitiv ja. Und das finde ich schade, ich finde es ehrlich gesagt fast schon gefährlich. Warum?

Meine besagte Bekannte hat mich noch nie gefragt, ob ich überhaupt Kinder wollen würde. Sie hat es weder als Idee, noch als Vorschlag oder Komplimentà la „du wirst sicherlich eine tolle Mutter sein“ formuliert, nein, eher sogar als Vorwurf. Als unausweichlicher Fakt, wenn man in ein paar Jahren schon 30 ist und den richtigen Mann an seiner Seite gefunden hat.
Heißt das also nun, ich müsse mich entweder für meinen Lebensstil rechtfertigen oder schnell ein Kind bekommen?

Ehrlich gesagt möchte ich diese Frage nicht beantwortet haben. Und ich persönlich kann nur so viel dazu sagen: Je langsamer die Uhr tickt, desto schöner ist das Leben. Und desto mehr Raum gibt es für Gedanken, die Platz brauchen. Damit man selbst entscheiden kann, was man möchte. Beispielsweise ein Kind.
 

Foto: Anika Landsteiner privat

Anika Landsteiner
Anika Landsteinerhttps://anikalandsteiner.de/
Anika Landsteiner wurde 1987 geboren und arbeitet als Autorin und Journalistin. Ihr Fokus liegt dabei auf gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, Tabuthemen, Feminismus und Popkultur. Als Kolumnistin nimmt sie uns mit auf ihre gedanklichen Reisen und gibt uns immer wieder neue Denkansätze.

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