StartLifestyleKolumneKolumne: Beim Verlassen des Jahres bitte Türen schließen!

Kolumne: Beim Verlassen des Jahres bitte Türen schließen!

Ich möchte euch in dieser letzten Mittwochs-Kolumne für das Jahr 2013 damit verschonen, einen halbgaren Jahresrückblick hinzulegen oder die 10 schlimmsten Weihnachtslieder zu präsentieren, die ihr sowieso alle selbst kennt und ich mir ziemlich sicher bin, dass dem einen oder anderen Leser sowieso schon schlecht ist von den vielen Plätzchen. Aber so ganz soll das Jahresende hier nicht an mir vorbeigehen – denn ich merke: Wir stecken mittendrin, im Anfang vom Ende. Und diese Endzeitstimmung ist gar nicht so schlimm, wie sie sich vielleicht anhört.

Der Anfang vom Ende. Ich finde, das ist eine sehr große und gewichtige Redewendung. Man gebraucht sie meist, wenn eine Zeit vorbeigeht, die schwer war, und der Anfang greifbar nahe ist. Die Zeit, in der man spürt, etwas überstanden zu haben, und nun auf das Licht am Ende des Tunnels hoffen kann. Und dass dieses schwache Licht die Welt dahinter mit Sonnenlicht flutet.

Aber auch, wenn eine unvergleich tolle Zeit hinter einem liegt, setzt man sich unweigerlich mit dessen Ende auseinander. So oder so – alles hat seine Zeit.

Das Gleiche trifft auf den Jahreswechsel zu. Die Zeit einzuteilen ist keine dumme Idee, schließlich macht die Natur uns das vor und die weiß es immer am besten. Es hilft, Dinge, Projekte, Emotionen, Gedanken und alles, was mir gerade partout nicht einfallen will, zu verarbeiten, abzuschließen… – manchmal auch einfach gehen zu lassen.

Wenn aus einem Jahr nicht das wurde, was das Jahreshoroskop eigentlich versprochen hatte, dann möchte man es oftmals ganz schnell hinter sich bringen. Die Sache ist allerdings nicht so einfach. Ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die schon gelernt hat (oder noch mittendrin steckt), dass man immer erst eine Tür schließen muss, bevor sich eine Andere öffnen kann. Das muss gar nicht bewusst ablaufen – manchmal spürt man erst, dass etwas schon längst vorbei ist, eben weil etwas Neues gerade anklopft.

Ein neuer Anfang ist wichtig. Für Motivation, für das Glück, für die Struktur. Aber genauso wichtig ist eben das Ende. Also Schluss mit den neuen Vorsätzen, nur, weil wir davon ablenken wollen, dass es die Alten im Laufe des vergangenen Jahres nicht mal bis ins Krabbelalter geschafft haben. Schluss mit den großen Plänen für das anstehende Jahr, wenn man sich noch im Alten befindet, eventuell noch eine Rechnung offen hat oder sich vor einem unangenehmen Gespräch drückt. Denn die Sache ist die: Nur, weil sich eine oder ein paar Ziffern in der Jahresbezeichnung ändern, heißt es noch lange nicht, dass die vorherigen 12 Monate damit gelöscht sind. Spätestens wenn wir am 1. Januar verkatert aufwachen, merken wir jedes Jahr aufs Neue, dass sich doch eigentlich nichts geändert hat. Zumindest nicht, wenn wir es nicht selbst in die Hand nehmen und wirklich ändern wollen.

Das letzte Jahr war für mich ein großes Abenteuer. Ich bin bei tropischen Temperaturen umgezogen, ich habe mir eine neue Existenz aufgebaut, ich habe in wundervolle Gesichter geblickt,  ich habe um 7 Uhr morgens am Strand Yoga gemacht, ich habe eine schwierige Rolle gespielt, ich habe mich jeden Tag neu verliebt. Großartig. Und weil es so großartig war und ich weiß, dass in absehbarer Zeit unangenehme Dinge auf mich warten, bleibe ich in diesem Jahr bewusst so lange anwesend, wie es geht. Und schaue Pippi Langstrumpf, so wie jedes Jahr an Weihnachten.

Frohe Weihnachten an alle Leser und einen perfekten Sprung (Rutsch ist mir zu passiv, das ist doch doof, ich meine, wer rutscht denn bitte?) in das nächste Jahr. Mit ganz viel Glitzer und Lametta und Krone im Haar!

Zum Abschied, zum Ende, ein paar Zeilen aus meinem Lieblingsgedicht. Und damit trete ich mal einen Schritt zurück und überlasse es einem der großen Dichter und Denker, der nicht nur wusste, wovon er redet, sondern es auch verdammt nochmal genau so auf’s Blatt bekommen hat:

„Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“
(Hermann Hesse, Stufen)

Foto: „Door Knob“ von Wee keat chin via flickr.com, cc by 2.0

Anika Landsteiner
Anika Landsteinerhttps://anikalandsteiner.de/
Anika Landsteiner wurde 1987 geboren und arbeitet als Autorin und Journalistin. Ihr Fokus liegt dabei auf gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, Tabuthemen, Feminismus und Popkultur. Als Kolumnistin nimmt sie uns mit auf ihre gedanklichen Reisen und gibt uns immer wieder neue Denkansätze.

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