StartLifestyleKolumneKolumne: Zwischen Pfirsichhaut und kratzenden Küssen

Kolumne: Zwischen Pfirsichhaut und kratzenden Küssen

Ich habe letzte Woche zwei witzige Artikel gelesen. Über das Thema Rasieren. Einmal aus Sicht der Frau. Und dann aus Sicht des Mannes. Und daraufhin festgestellt, dass da anscheinend Aufklärungsbedarf herrscht – beiderseitig.

Der Mann schrieb darüber, dass man sich grundsätzlich nicht an die erste Rasur erinnert, weil sie einfach total egal ist. Da gibt es keinen Zauber und auch kein Kribbeln im Bauch, wenn der erste Flaum zu sehen ist und die Klinge darüber kitzelt. Während die Frau der absoluten Meinung ist, dass dieser Akt der erste Schritt in die Männlichkeit bedeutet und daher doch sicherlich zelebriert wird. Anscheinend Pustekuchen, sagte ich mir und dachte automatisch an die Jungs, denen nie genug Bartwuchs geschenkt wurde, um eine Rasur zu rechtfertigen. Diejenigen, die in der Schule deswegen immer bemitleidet wurden. Anscheinend ist das gar nicht so schlimm, wie wir Frauen immer mutmaßten?

Interessant ist das ja schon. Dem Mann geht seine Rasur am Arsch vorbei, während die Frau eine Krise bekommt bei jedem sprießenden Stoppel an ihren Beinen und allen anderen zu rasierenden Stellen. Quasi tagtäglich wünscht sie die Härchen in die ewigen Jagdgründe. Es sei denn, es ist Winter und sie ist Single, dann kann sie sich dazu beglückwünschen, die nächsten Wochen den Rasierer aus dem Badezimmer zu verbannen und ihn nur in äußersten Notsituation zücken zu müssen.

Ich als Frau möchte hier mal behaupten, dass meine erste Rasur zwar nicht unspektakulär war, sich jedoch – anscheinend wie beim Mann – schnell in eine Sache verwandelt hat, die man einfach nur jedes Mal hinter sich bringen wollte. Anfänglich überfordert mit der Auswahl an Nassrasierern, Cremes, dem Akt des Epilierens, dessen alleiniger Gedanke daran mich schon zusammenzucken lässt, bis hin zum Wachsen: Kalt oder heiß – das war lange die Frage.
Die Antwort: Heiß. Und auf keinen Fall selbst im eigenen Kämmerlein.
Alles, was mit dauerhafter Haarentfernung zu tun hat, tut höllisch war, da bringt es gar nichts, wenn der Ladyshaver in einem süßen Pink daherkommt und es bringt auch nichts, wenn die Dame im Wachsfigurenkabinett aufmunternd meint:

„Das erste Mal tut es so richtig weh, danach immer noch, wird aber besser!“ Einmal und nie wieder sage ich dazu, es sei denn, mein Körper wird irgendwann dazu fähig sein, explizit Schmerzerinnerungen zu löschen.

Die weibliche Rasur scheint ein kleiner Mythos für die Männerwelt zu sein. Sonst würde man nicht so oft in weit aufgerissene Augen blicken, wenn man erklärt, dass Wachs und elektrische Rasierer die Haarwurzel he-r-aus-rei-ßen. Und dass es zumindest gefühlt so ist, dass je öfter man sich rasiert, desto schneller und widerspenstiger die Haare nachwachsen. Manche Männer sollen ja ihre Frauen persönlich im Wachsstudio vorbeibringen, damit an den empfindlichsten Stellen wiedermal ein Überblick geschaffen wird. Den Mann, Freundinnen, den könnt ihr mitsamt seines blankgeputzten Rasierers auf den Mond schicken.

Mal abgesehen von herrischen Machos und der Welt der weiblichen Pfirsichhaut: Je mehr Haare ein Mann im Gesicht hat, desto attraktiver finde ich ihn. Der typische Hipster-Schnauzer, der im zurückliegenden #Movember häufiger zu sehen war, ist ganz ok, um ehrlich zu sein, steht er sogar einigen Vertretern. Aber so ein gepflegter Drei-Tage-Bart oder – noch besser – ein in seine Schranken gewiesener Vollbart ist für mich das optisch Männlichste. Da kann kein Sixpack mithalten, wenn die Gesichtshaut genauso weich ist wie meine. Denn würde ich eine Frau küssen wollen, würde ich eine Frau küssen. Will ich aber nicht, so einfach ist das.

Deswegen können Männer von mir aus aufhören, sich akribisch zu rasieren. Stutzen, Freunde, das ist das Zauberwort. Es sei denn, es geht um die Haare auf dem Rücken, bei denen man das Gefühl hat, sich im Dschungel der haarigen Tatsachen zu verirren. Das ist allerdings ein ganz anderes Thema.

Foto: Anika Landsteiner

Anika Landsteiner
Anika Landsteinerhttps://anikalandsteiner.de/
Anika Landsteiner wurde 1987 geboren und arbeitet als Autorin und Journalistin. Ihr Fokus liegt dabei auf gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, Tabuthemen, Feminismus und Popkultur. Als Kolumnistin nimmt sie uns mit auf ihre gedanklichen Reisen und gibt uns immer wieder neue Denkansätze.

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