Home People Interviews DIDO im Interview: „Es fühlt sich nach Ewigkeit an“

DIDO im Interview: „Es fühlt sich nach Ewigkeit an“

Am 08. März ist es endlich soweit. Nach sechs Jahren Pause kommt Dido mit einem Knall zurück. Die erste Singleauskopplung „Hurricanes“ erschien bereits im November 2018 und ging mit Millionen Views direkt durch die Decke. „Give You Up“ erschien kurz darauf im Januar und auch hier stehen alle Zeiger auf Erfolg. Es ist also kaum verwunderlich, dass ihre Fans händeringend auf die Erscheinung des neuen Albums „Still on my mind“ warten. Zwölf Songs, in denen Dido auch nach über zwanzig Jahren Erfolg zeigt, dass sie aus dem Musikbusiness nicht wegzudenken ist. Von Balladen, bis hin zu Popsongs ist alles dabei und in jedem Track ist eine Sache stets unverkennbar: Ihre Liebe zur Musik, ihr Talent, ihre eigenen Songs zu kreieren und ihre Liebe zu den Fans. Beim Anhören des neuen Albums denkt man unweigerlich, dass Dido einen sechs Jahre langen Anlauf genommen hat, um genau jetzt mit einem riesigen Urknall zurückzukommen. Für diejenigen, die es nicht abwarten können, sei gesagt: Das Warten hat sich gelohnt! Wir haben uns mit Dido getroffen und wollten alles über ihre letzten Jahre und die Entstehung des neuen Albums wissen.

Willkommen in Berlin, liebe Dido. Hattest du bei all den Terminen denn wenigstens etwas Zeit, die Stadt zu genießen?

Danke. Es geht so, denn ich bin gestern Nachmittag angekommen und momentan jagt ein Termin den nächsten. Aber ab und zu nehme ich mir dann trotzdem eine halbe Stunde, gehe hinaus und genieße die Stadt. Ich liebe Berlin sehr und bin immer mal wieder hier. Aber aktuell steht eben das neue Album im Vordergrund.

Apropos Album! Sechs Jahre ist es her, seit dein letztes Album erschien. Wie aufgeregt bist du vor der Veröffentlichung?

Ich bin super aufgeregt. Ich will einfach nur, dass das Album jetzt rauskommt. Wenn du erst einmal ein Album fertig hast, dann willst du es nur noch veröffentlichen. Gerade jetzt fühlt es sich nach einer Ewigkeit an. Am liebsten würde ich gar nicht warten und es direkt rausbringen.

Steckt da auch eine gewisse Nervosität hinter der Aufregung?

Ich bin auf keinen Fall nervös, sondern wirklich aufgeregt. Immer, wenn ich Musik mache und auch veröffentliche, fühle ich mich stolz. Deshalb mache ich Musik und mit dem neuen Album fühle ich mich sehr wohl. Es ist weniger die Nervosität und mehr das Interesse, welcher Song bei den Leuten am besten ankommen wird. Heute ist ein sehr spannender Tag für mich, weil so viele Leute hier schon in das Album reingehört haben und einige von ihnen berufen sich immer wieder auf denselben Track. Es ist sehr interessant zu sehen, wie die Lieder aufgefasst werden. Wenn du etwas veröffentlichst, lernst du immer ein Stück mehr darüber, was es bedeutet, ein Songwriter zu sein.

Hast du die Songs alle selbst geschrieben?

Nicht alle. Einige Songs sind mit meiner Mutter, andere mit meinem Bruder und wieder andere mit meinem Freund Ryan entstanden, der die ganze Sache irgendwie ins Rollen gebracht hat. Aber es handelte sich immer um Personen, die mir persönlich sehr nahestehen.

Dido

Was war denn der Grund für diese lange Pause bzw. für ein Comeback 2019?

Nun, dafür gibt es einen sehr guten Grund, denn ich habe ein Kind bekommen. Und wie es so ist, nehmen Kinder jede Menge Zeit in Anspruch und das ist auch gut so. Ich liebe es, Zeit mit meinem Kind zu verbringen und ich wollte die ersten Jahre meine ganze Konzentration in meine Mutterrolle legen.

Vermisst du denn die Zeit vor deiner Pause?

Nein (lacht)! Ich liebe es, ein Kind zu haben. Um ehrlich zu sein, ist es der größte Spaß, den ich je hatte. Wir hatten wirklich eine tolle Zeit. Dennoch muss ich folgendes sagen: Als wir am Freitag angefangen haben zu proben, ist dieses wirklich starke Gefühl in mir wieder hochgekommen, welches ich unglaublich vermisst habe. Aber eben nur dieses Gefühl. Ich habe es gar nicht mitbekommen, dass ich es überhaupt vermisst habe. In meiner Freizeit spielt Musik natürlich dennoch eine große Rolle. Auch wenn Freunde vorbeikommen oder ich mit meinem Mann alleine bin, wird immer Musik gespielt. Aber dieses Gefühl, wenn du mit deiner Band rausgehst und echte Leute deine Musik hören, habe ich wirklich vermisst. Auch wenn mir das all die Jahre nicht klar gewesen ist.

Im Jahr 2000 hast du für dein Album „No Angel“ 3-fach-Gold in Deutschland und 10-fach-Platin im Vereinigten Königreich bekommen. 21 Millionen verkaufte Platten. Wahnsinn! Hoffst du, mit deinem neuen Album dort anschließen zu können?

Nein, darüber denke ich nicht wirklich nach. Erfolg definiert sich für jeden anders. Für mich ist Erfolg, dass ich zufrieden mit einem Song bin, den ich geschrieben habe. Auch damals war es nicht wirklich anders. Was mich früher aus den Socken gehauen hat, waren eher die Orte, an denen ich war. Zwischen all den Konzerten bin ich ins Nirgendwo gefahren. Und auf einmal war ich zum Beispiel mitten in Afrika oder im fernen Osten und jemand singt dein Lied oder du hörst es irgendwo laufen. Das waren die Momente, die mich wirklich begeistert haben. Du reist an Orte, die du dir niemals hättest träumen lassen und kriegst etwas von deiner Arbeit mit. Das hat mir sehr viel bedeutet. Heute möchte ich einfach ein gutes Gefühl mit der Arbeit haben, die ich mache. Das fasst es eigentlich ganz gut zusammen.

Auf was dürfen sich deine Fans bei dem neuen Album freuen?

Ich kann nur sagen, dass die Entstehung des Albums sehr entspannt war. Es ist eine Art Zuhause-Album, welches auf dem Sofa entstanden ist. Es ist eine sehr relaxte und ehrliche Platte. Wir haben es einfach nicht gedanklich zerrissen. In mir hat sich ein Gefühl des Neuanfangs mit diesem Album festgesetzt. Es ist wie ein kleines neues Leben und es hat sich auch ein wenig so angefühlt. Allerdings hatte ich von Beginn an meine 25 Jahre Musikerfahrung. Ein gewisses Selbstvertrauen war also schon vorher vorhanden.

Am 22. Januar erschien die zweite Single-Auskopplung „Give You Up“. Ein perfekter Trennungssong. Gibt es eine Story, die dich diese Strophen hat schreiben lassen?

Es gibt eine Story dahinter, diese ist aber nicht meine, weil ich ihn nicht geschrieben habe. Das ist tatsächlich der allererste Song, den ich nicht selbst geschrieben habe. Es wurden mir schon immer Songs eingesendet und ich habe mich immer gefragt, warum ich das Lied von jemand anderem singen sollte, da ich ja Songwriter bin. Genau genommen sollte ich eigentlich niemals Sängerin werden, denn ich war schon immer Songwriter. Es hat sich allerdings einfach so ergeben, dass ich im Endeffekt doch auf der Platte geblieben bin. Jedenfalls hat mir eine Freundin diesen Song eingesendet und ich dachte mir nur: „Wow, das ist abgefahren. Ich wünschte, ich hätte ihn geschrieben. Er ist so gut, dass ich ihn aufnehmen will.“ Also habe ich mich für ihn entschieden. Was ich an dem Song so liebe ist, dass er ähnlich wie meine sonstigen Titel geschrieben wurde, denn die Bedeutung ist ambivalent. Die Message ist zwar, dass ich über diese Trennung hinweg bin, aber auch sowas von nicht über diese Trennung hinweg bin. Ich liebe diese Doppeldeutigkeit in dem Song. Gleichzeitig könnte der Song eine Geschichte von jedem von uns sein. Wer hat nicht schon einmal mit jemandem Schluss gemacht und sich danach miserabel gefühlt? Ich kenne niemanden, der das nicht schon einmal durchleben musste.

Wie viele deiner eigenen Erfahrungen sind in diesem Album verewigt. Und sind alle davon in den letzten sechs Jahren passiert?

Es sind ziemlich viele meiner eigenen Erfahrungen mit in das Album geflossen. Manche davon sind letzte Woche passiert, andere, wie „Travel With Me Over Time“, liegen sieben oder zehn Jahre zurück. Die Songs ändern sich mit der Zeit. Meine Emotionen und die Dinge, die mir passiert sind, fließen immer mit rein. Auf diese Art und Weise habe ich schon eh und je meine Songs geschrieben. Es ist aber nicht so, dass dich die Tracks nur über mein Leben nachdenken lassen. Ich lasse immer mein Herzblut mit einfließen. Wenn mir die Leute sagen, was ihnen der Song bedeutet, meinen sie aber ihr eigenes Leben. Was auch das Ziel ist, welches ich versuche zu erreichen.

Musst du dich in eine gewisse emotionale Lage versetzen, um die Songs zu schreiben oder brauchst du ein besonderes Ambiente, wie zum Beispiel Kerzen, um mit dem Schreiben von Balladen loslegen zu können?

Nein (lacht). Der Tag, an dem ich die Zeit habe, eine Kerze anzuzünden, wenn ich einen Song schreibe, wird ein schöner Tag sein. Nein, ich hatte noch nie eine Kerze beim Schreiben an. Ich brauche tatsächlich keine besondere Umgebung, um Schreiben zu können. Ich fokussiere mich darauf und dann entstehen die Songs. Aber die Frage mit der Kerze wurde mir heute schon einmal gestellt (lacht). Es amüsiert mich, dass alle glauben, dass ich Kerzen mag. Ich kann einen Song wirklich überall schreiben. Und das musst du in diesem Business auch können. Einige Songs kommen dir einfach in den Sinn, wenn du die Straße entlanggehst und du siehst eine bestimmte Sache. Dann schreibst du die Idee auf. Die meisten Songs kommen aber tatsächlich nicht davon. In den häufigsten Fällen sitze ich am Piano oder an der Gitarre und fange einfach an zu schreiben. Dann legt sich ein Schalter im Gehirn um. „Oh, wir schreiben einen Song, alles klar“. Und schon fangen die Erinnerungen an, sich aus dem Unterbewusstsein hervorzutun. Es ist eine Mal-So-Mal-So Geschichte. Manchmal hast du unterwegs diese guten Ideen. Alles was ich brauche, ist meine Wenigkeit, ganz alleine in einem verschlossenen Raum.

Wer denkt, dass es sich um ein Album voller Balladen handelt, der irrt sich. Es ist eine Abwechslung aus langsamen Songs, doch es gibt auch poppige, die einen echt guten Beat haben. Wie wichtig ist dieser Mix zwischen Ballade und Pop-Song?

Ich denke, es ist einfach die Art Musik, die ich mag. Ich bin kein guter Planer und wüsste auch nicht, wie ich ein gutes Album machen würde. Ich weiß nicht einmal, was ein gutes Album ausmacht. Was ich aber machen kann, ist die Musik zu schreiben, die mir gefällt. Ich persönlich mag Dance-Music, Hip-Hop und Balladen. Für mich muss Musik nur eine Emotion im Kern haben. Mit Dance-Music hat für mich alles angefangen und sie bewegt mich auch heute noch. Auf dem Album gibt es sogar einen Song, der davon handelt, wie sehr ich diese Musik liebe.

Er heißt „You Don’t Need A God“. Ein toller Aspekt des Albums ist, dass wir ganz unverschämt all diese Dance-Töne benutzt haben. Obwohl wir die Beats nicht benutzen, sind die Töne trotzdem vorhanden. Ich weiß nicht, wie andere Leute die Musik hören, aber bei mir ist es so, dass Gefühle wie Nostalgie, Hoffnung oder Wohlbefinden aus der eigenen Geschichte hochkommen. Dieses Album ist sehr repräsentativ für alle Dinge, die ich schon immer geliebt habe.

Beim Hören der Platte kriege ich genau die Emotionen raus, auf die ich es abgezielt habe. Ob es jemand anderes mag? Ich habe absolut keine Ahnung (lacht).

Wenn man sich die Songs anhört, dann ist ganz klar die Dido zu erkennen, die wir schon zwei Jahrzehnte lieben. Dennoch merkt man, dass eine Weiterentwicklung stattgefunden hat. Es ist modern, es ist tiefgründig und die Melodien bleiben im Kopf. Ist dies ein Erfolgsrezept in der heutigen Zeit? Oder hat Altes durchaus auch eine Chance?

Ich weiß nicht so recht. Für mich müssen einfach Emotionen und Sounds, die ich persönlich mag, in einem Song sein. Irgendjemand hatte damals eine sehr tolle Definition zu diesem Thema. Genannt wurde sie Dance-Musik mit Herz. Das fand ich damals sehr cool. Ich selbst habe kein bestimmtes Rezept dafür. Alles was ich tue, ist ziemlich instinktiv. Die Songs schreiben sich teilweise von selbst und manchmal passieren einfach Unfälle. Ich drücke den falschen Knopf aber hey, das Ergebnis ist gar nicht so übel. Der Song „Mad Love“ ist so entstanden. Ich habe ihn ursprünglich auf der Gitarre geschrieben. Im Studio hat das aber so gar nicht gepasst. Kurzum habe ich den Track auf dem Keyboard gespielt. So ist dieser komplett andere Track aufgrund meiner eigenen Limitation entstanden. Es passieren so viele Dinge nur, weil du dich hinsetzt und Musik machst. Dann kommt dieser magische Moment, indem du dein Gehirn einfach instinktiv arbeiten lassen solltest.

Welches ist dein persönlicher Lieblingstrack auf deinem neuen Album? Und warum? Unsere drei Favoriten sind: „Hurricanes“, „Hell After This“ und „Take You Home”.

Ich liebe den Song „Hurricanes”. Ich wollte, dass er der erste Track ist, den die Leute hören, weil er sehr repräsentativ für den Klang des ganzen Albums steht. Es ist auch die beste Produktionsarbeit meines Bruders. Der Titel „Take You Home“ ist ein sehr emotionaler Song für mich. Der Refrain ist mir schon Ewigkeiten durch den Kopf geschwirrt. Das Gefühl, das dahintersteckt, drückt so viel aus wie: Ich sehe so aus, als ob ich alles im Griff habe, aber in Wirklichkeit läuft alles aus der Bahn. Ich kann dir einen Song spielen, der es schafft, dass du dich besser fühlst. Auf der anderen Seite weiß ich nicht einmal, wie ich das bei mir schaffe. „Hell After This“ war eine Zufallstat aus dem Buche. Ich habe ihn geschrieben, die Produktion übernommen und mich um alles selbst gekümmert. Das volle Programm sozusagen. Dann habe ich mir aber gedacht: „Das ist doch doof.“ Das Gefühl kennst du sicher, wenn du etwas machst und auf einmal überkommt dich diese Gewissheit, dass es einfach nur dumm ist. Ich war der Überzeugung, dass mein Bruder es schrecklich findet. Es stellte sich aber heraus, dass er den Song geliebt hat. Der Track ist ein Paradebeispiel für das instinktive Songwriting. Ich habe einen Beat gefunden, den ich mag und habe angefangen zu schreiben.

Ab 10. Mai startet deine Deutschland-Tour in fünf Städten. München, Frankfurt, Berlin, Hamburg und Düsseldorf. Gibt es eine Stadt, auf die du dich am meisten freust?

Berlin ist so eine schöne Stadt und in den letzten Monaten war ich schon einige Male hier. Ich bin mir aber nicht sicher, was mein Lieblingsort hier ist. In Deutschland hatte ich immer eine gute Zeit und habe auch viele schöne Erinnerungen mitgenommen. Unter anderem einen unglaublich schönen Auftritt in München, auf diesem großen Platz an einem Sommernachmittag. Es sind diese Momente, die alle Knöpfe bei mir drücken. In Berlin hatten wir auch schon einen super Auftritt. Das war damals auf einer großen Freifläche hier in der Nähe. Wir haben unsere eigene Bühne gebaut. Die Zeit in Deutschland war für mich immer sehr schön. Ich mag auch die Fans hier. Sie lieben die gleiche Musik wie ich.

Liebe Dido, vielen Dank, dass du dir so viel Zeit für uns genommen hast. Wir drücken die Daumen für die kommende Tour und weiterhin viel Erfolg. Bis nächstes Mal.


 

Fotos: BMG

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