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Kolumne: Schmollmund vs. Kaminfeuer

Männer kommen vom Mars, Frauen von der Venus? Könnte sein. Die Distanz zwischen den beiden Planeten schwankt übrigens zwischen circa 97 und 358 Millionen Kilometer. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie groß diese Lücke ist. Aber genauso wenig weiß ich die Antwort darauf, warum Frauen und Männer so oft aneinander vorbeireden. Eine Theorie:

Wir Frauen sind gar nicht so streitlustig, wie manch einer behaupten möchte. Nein, wir haben auch keine Haare auf den Zähnen. Zumindest nicht alle von uns. Ehrlich gesagt bin ich sogar vom Gegenteil überzeugt, vielleicht und hoffentlich spreche ich hier für viele meiner weiblichen Zeitgenossen, wenn ich sage, dass wir im Grunde sehr harmoniebedürftig sind. Ein romantischer Abend vor einem knisternden Kaminfeuer ist sicherlich erstrebenswerter, als gemeinsam in einem kalten Doppelbett zu liegen, bei dem man zum ersten Mal merkt, wie groß es wirklich ist. Und wie viel Leere zwischen einander. Wir sind uns einig, oder? Fein.

Warum gibt es dann aber – selbst in funktionierenden Beziehungen – oftmals Missverständnisse oder kleine Sidekicks, unausgesprochene Worte und schiefe Blicke? Ich glaube, weil wir Frauen oftmals lieber die Augen verdrehen und nichts sagen, anstatt Tacheles zu reden. Der Harmonie wegen. Und eventuell, weil wir intuitiv vermuten, dass es Jahre dauern könnte, die Brücke zwischen Mars und Venus bezüglich einiger Standpunkte zu überqueren. Eine Tatsache, die natürlich nicht ausschließt, den Hörer in die Hand zu nehmen und die Konversation mit der Freundin zu führen. Klar, ein Ventil braucht’s trotzdem.

Das Problem an der Sache ist schlichtweg, dass Männer keine Sensoren für Mimikveränderungen haben. Oder sie beachten ihre Sensoren nicht, auch das ist möglich. Männer möchten Informationen am Stück oder häppchenweise vorgelegt bekommen und nicht herumrätseln, sich gemeinsam mit der Frau um den heißen Brei drehen oder die Denkmaschine für in ihren Augen unnötige Dinge anschmeißen. Irgendwie ja auch nachvollziehbar. Und wenn wir uns nicht genauso verhalten, werden wir eben nicht verstanden. So einfach ist das.

Aber, um wieder zum Anfang zurückzukommen, ich schätze einfach, dass wir oftmals Dinge sehr lange nicht ansprechen, um den Frieden zu wahren. Um das Kaminfeuer am Abend zu bekommen. Und um den Männern die Chance zu geben, uns zu verstehen, ohne alles vorgekaut zu servieren. Denn wenn sie mal an den Punkt kommen, an dem sie mit dem richtigen Geschenk (oder überhaupt einem Geschenk) um die Ecke kommen oder bereit sind, ein Beziehungsproblem aus unserer Sicht zu sehen, dann handelt es sich um eins der schönsten Erlebnisse innerhalb einer Partnerschaft.

Das haben wir also nun begriffen. Tatsache ist: Solange wir Weiblein lieber schmollen, eine Schnute ziehen und lieber der Freundin alles brühwarm servieren, wird sich nichts davon ändern, was wir uns wünschen. Denn der ein oder andere Mann registriert zwar vielleicht den Schmollmund, ignoriert ihn aber gekonnt, denn warum ein Problem ansprechen, solange es möglich ist, den Elefanten unter den Teppich zu kehren?

Anscheinend ist es manchmal nicht nur das Problem der Männer, ihren Mund aufzumachen. Wir Frauen sollten eine Balance finden zwischen Schreien und Schweigen. Den Schmollmund können wir ja immer noch auspacken, wenn wir unbedingt etwas haben möchten. Als würde es dafür nicht genügend Situation geben.

Foto: Anika Landsteiner

Anika Landsteiner
Anika Landsteinerhttps://anikalandsteiner.de/
Anika Landsteiner wurde 1987 geboren und arbeitet als Autorin und Journalistin. Ihr Fokus liegt dabei auf gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, Tabuthemen, Feminismus und Popkultur. Als Kolumnistin nimmt sie uns mit auf ihre gedanklichen Reisen und gibt uns immer wieder neue Denkansätze.

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