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Kolumne: Forever Alone – Aber gerne…

Einsam! Ist es heutzutage überhaupt noch möglich einsam und allein zu sein? Bei all der Technik und den ganzen Wegen und Hilfsmitteln, die wir nutzen, um ständig in Kontakt zu bleiben, dürfte sich doch eigentlich niemand mehr alleine fühlen?!

Es gibt ständig jemanden, der sich mitteilt, mit dem man über WhatsApp Nachrichten schreibt oder dessen Beitrage man auf Facebook liked oder kommentiert oder oder oder. Ist die Einsamkeit in der heutigen Zeit eher ein Fluch, den wir zu tragen haben oder vielleicht sogar ein Segen und ganz schön, wenn endlich mal Ruhe einkehrt und man Zeit für sich hat?

Ich stehe hier mitten unter tausenden von Menschen. Ich bin auf einem Konzert, um genau zu sein, ist es sogar ein Festival. Die Musik ist großartig, obwohl ich nur wegen einem einzigen Lied gekommen bin. Die Menge tobt. Alle feiern ausgelassen, manche auch zu sehr, was auf einem Festival ja auch nicht gerade unüblich ist. Alkoholleichen liegen hier und da auf dem Boden herum, es riecht nach Schweiß, Alkohol und vielen andern Dingen, die ich hier nicht weiter erwähnen möchte, weil sich das sicherlich jeder denken kann. Neben mir stehen 2 junge Frauen, gerade mal 20 Jahre jung, würde ich schätzen. Beide haben blonde, lange Haare, sehen ein bisschen aus wie aus den 70ern, Blumenkinder! Und die beiden Mädels sind voll wie Bolle! Sie pusten wie wild Seifenblasen über meinen Kopf, die weiter über die graue Menschenmenge ziehen und dann irgendwann in der Ferne zerplatzen. Ich starre ihnen fasziniert hinter her, wie sie im Licht die Farbe wechseln und bin mit meinen Gedanken weit weg…

Alone? Nein, ich will jeden Tropfen des Nektars der Einsamkeit auskosten

So, da steh ich nun und mache etwas, das ich über alles liebe: Musik hören und das auch noch live, großartig. Und ja, ich bin alleine hier her gekommen, was für mich ganz normal erscheint, da ich zum Musik hören niemanden brauche, eigentlich. Doch heute ist alles etwas anders…

Wie ein großes schwarzes Loch, das aus dem Nichts auftaucht und mich einsaugt, ist auf einmal die Einsamkeit da. Ich bin kein unkommunikativer Mensch, ganz im Gegenteil. Prinzipiell würde ich mich hier schnell jemanden anschließen können, aber das will ich heute einfach nicht. Nein, ich will jeden Tropfen des Nektars der Einsamkeit auskosten, mich darin baden und mir selbst etwas weh tun (also rein metaphorisch, versteht sich!). Nicht nur baden, nein, untertauchen wenn nicht sogar ertrinken….. Aber warum kann dieses Gefühl von einer Sekunde auf die andere da sein und all meine Gedanken beherrschen und mich fest umklammern. Wieso reichen mir meine Freunde, die bis vor ein paar Stunden da waren, mit denen ich gefeiert, getanzt und gelacht habe, nicht aus? Was fehlt in meinem Leben, das ich gerade so vermisse? Und dann ist er da, der Moment, auf den ich den ganzen Abend gewartet habe: Mein Lied, der Grund dafür, dass ich heute hier her gekommen bin. Ich kann den Text natürlich auswendig und gröle (singen kann man das, was ich tue, nun leider wirklich nicht nennen) jedes Wort mit.

Ich bin so froh, dass ich hier bin, und glücklich, dass ich es, trotz 2-maligem Verlaufen, an die richtig Bühne geschafft habe und genau jetzt hier bin. Und doch bin ich so einsam unter all den vielen Menschen. Niemand neben mir, der in diesem Moment genau das gleiche fühlt, das ich fühle. Niemand da, der MICH sieht, obwohl mich unzählige Augenpaare anschauen. Leider kann die ganze Technik, alle Kommunikationsmittel der Welt, die Einsamkeit nicht wegschieben, auf meinem Telefon gibt es diese Taste oder diese App leider nicht. Dieser Knopf existiert leider auch weder auf meinem Laptop, noch auf meinem Handy, die mich fast überall hin begleiten. Auch wenn ich mich quasi nackt fühle, wenn diese 2 Kameraden nicht an meiner Seite sind, helfen können sie mir trotzdem nicht.

Nein, wenn die besonderen Menschen in unserm Leben nicht da sind, gerade keine Zeit haben, vielleicht gerade weggezogen sind, arbeiten müssen, sich nicht melden oder ein neues Leben leben, dann ist nur einer da, die Einsamkeit…

Foto: I Am Alone by Lendl Peralta via flickr.com, CC BY-SA 2.0

Mia Winter
Mia Winter
Mia Winter ist bekannt für ihre direkte und unverblümte Art, mit der sie die Themen Liebe und Erotik in ihrer Kolumne bei AJOURE´ angeht. Ihre Texte sind ein mutiges Eintauchen in die Tiefen menschlicher Intimität und Beziehungen, wobei sie kein Blatt vor den Mund nimmt. Mit einer Mischung aus persönlichen Anekdoten und scharfsinnigen Beobachtungen schafft Mia es, ihre Leser zu fesseln und gleichzeitig zum Nachdenken anzuregen. Ihre Kolumnen sind für viele ein Leuchtturm der Ehrlichkeit in einem Meer von Klischees und Tabus.

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