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Kolumne: Können, Sollen, Wollen, Dürfen

Ich sitze seit ungefähr drei Stunden vor meinem Bildschirm und denke, denke, denke. Zwischendurch überlege ich auch mal. Geschrieben habe ich nichts. Weil mein Gedankenapparat mich daran hindert, Platz zu schaffen für Sinnvolles. Für ein bisschen Gefühl und was es sonst noch braucht für eine Kolumne.

Das ist wie ein Schritt nach vorne und gefühlte zweihunderfünfundvierzig zurück. Das ist, wie wenn eine Katze im Kreis rennt und versucht ihren Schwanz zu erhaschen. Einfach sinnlos und eine nicht enden wollende Karussellfahrt ins Land der Denker (minus Dichter).

Ich möchte damit nicht sagen, dass Denken unsinnig sei, denn alleine für diesen Satz muss ich kurz nachdenken. Eine Sache abzuwägen und mal innehalten, um zu überlegen, ist etwas vollkommen anderes, als sich immer und immer wieder im Kreis zu drehen. Na, schon schwindelig?

Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin – und das versuche ich so oft es geht – dann gestehe ich mir ein, dass mein Kopf randvoll ist mit so unglaublich viel Müll. So viele paradoxe, blöde, kontraproduktive Gedanken fliegen dort oben herum, dass ich sie kaum fassen und in eine Form bringen kann, die ansatzweise verständlich ist. Macht das Sinn? Kennt das wer? Sich vollkommen ausgeliefert zu fühlen, was all die unnützen Gedanken betrifft? Wir sollten sie ganz schnell in den Griff bekommen, aber zackig und dalli dalli oder wie man sonst noch sagt, denn wenn sie erst mal Überhand genommen haben, dann rette sich wer kann. Und retten kann man sich dann meist nicht mehr.

Löcher in die Wand starren. Situationen, Begegnungen, Emotionen, Sätze, einfach alles tausendfach überdenken, um dann wieder von vorne anzufangen. Alleine der Gedanke daran (Achtung, Wortwitz) macht mich unglaublich müde.

Descartes hat gesagt: Ich denke, also bin ich.

Hm. Sobald ich anfange, nur noch zu denken, ist es mir nicht mehr möglich zu schreiben. Denken und Fühlen gehen bei mir meist nicht Hand in Hand, denn mein Herz weiß zwar über vieles Bescheid, aber meine Gedanken kommen mir dabei immer wieder in die Quere. Sie versuchen mir zu sagen, dass sie mich und meine Entscheidungen kontrollieren können, dass sie immer Recht haben und dass ich das mal akzeptieren solle.

Und mal ehrlich: Wann lassen wir uns nicht von unseren Gedanken leiten? Wie viele Bauchgefühlmenschen gibt es eigentlich noch da draußen? Warum vertrauen wir unserem Gedankenkarussell, wenn uns dabei schlecht wird? Die meisten von uns haben Angst, auf Urinstinkte wie Herz oder Bauch zu hören, denn wenn die Denkmaschinerie erst einmal angeschmissen wurde, dann gibt es kein Zurück mehr.

Ich verheddere mich wirklich sehr oft darin, etwas unzählige Male zu überdenken, anstatt es loszulassen und mal zu schauen was passiert. Das kann ich nur, wenn ich mich sicher fühle. Die Irrungen und Wirrungen unseres Gedankenkarussells haben uns noch nie wirklich weiter gebracht. Und ich rede hier nicht von einer intelligenten Pro- und Contraliste, die säuberlich ausgefüllt und gut überdacht ist. Nein, ich rede von den schlaflosen Nächten, den Horrorszenarien, den Was-wäre-wenn-Fragen, der Angst im Nacken, irgendetwas könnte anders laufen als geplant.

Die Gedanken sind frei. Der Gedanke an dieses hoffnungsgebende, alte Volkslied macht mich gerade ganz hibbelig. Denn wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann wäre es, dass meine Gefühle frei wären und meine Gedanken eingesperrt. Zumindest so lange, bis ich sie unter Kontrolle habe und endlich wieder denken kann, was ich wirklich will.

Foto: Anika Landsteiner

Anika Landsteiner
Anika Landsteinerhttps://anikalandsteiner.de/
Anika Landsteiner wurde 1987 geboren und arbeitet als Autorin und Journalistin. Ihr Fokus liegt dabei auf gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, Tabuthemen, Feminismus und Popkultur. Als Kolumnistin nimmt sie uns mit auf ihre gedanklichen Reisen und gibt uns immer wieder neue Denkansätze.

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