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Kolumne: Kiss my ass.

Letzte Woche habe ich in der Stern-Kolumne von Meike Winnemuth gelesen, dass es neuerdings ein weiteres der unzähligen Körpermerkmale einer Frau gibt, die als schön und erstrebenswert bezeichnet werden. Einmal ist es der perfekte Brustansatz, dann die nicht vorhandene Cellulite und nun können wir uns freuen auf, taadaaa: Die Lücke zwischen den Beinen, wenn Frau steht und die Füße geschlossen hält, Neudeutsch auch „Thigh Gap“. What? Ja, genau, das muss man erst mal selbst nachmachen (und dabei nicht langestreckt den Boden küssen), um überhaupt mal zu kapieren, auf welchen Bereich man sich neuerdings zu fokussieren hat.

Und dabei frage ich mich immer: Wer hat die Zeit und Muse, diese sinnlosen Vorgaben festzusetzen? Etwa die Forscher und Ärzte, die neue Körperteile entdecken und benennen? Sind es die Schönheitschirurgen, die vom nicht vorhandenen Selbstwertgefühl zu vieler Frauen profitieren? Sind es direkt spezielle Designer oder Magazine, die eventuell zusammenarbeiten und Frau auf vernachlässigte Region hinweisen möchten?

Im 17. Jahrhundert war es die Rubensfrau, deren üppige Figur die Adelsdamen dieser Welt erleichtert hat seufzen und genüsslich zu einem Stück Torte greifen lassen.

Mit Marilyn Monroe als zauberhafte Erscheinung und Sexsymbol wurde einer ganzen Generation in den Arsch getreten, und zwar par excellance von ihrem Allerwertesten selbst. Denn so sehr ich Audrey Hepburn geliebt habe – ein paar Kilos hätten ihrem Talent keinen Abbruch getan und ich hätte mich hier und da viel mehr auf ihre schauspielerische Leistung konzentrieren können, als ihre spitzen Ellenbogen leicht angewidert zu betrachten. Daher, chapeau!, Miss Monroe, wer sich in nichts zwängen lässt, außer vielleicht einem Cocktailkleid, ist Statement pur.

Und nun? Die Magazine dieser Welt sind auf den glänzenden Werbeseiten voll mit Zahnpastalächeln schmieriger Typen und Models, die wahrscheinlich bei den Aufnahmen von hinten gehalten wurden, damit sie nicht wie Streichhölzer einfach umkippten. Und zwischen all diesen optisch festgehaltenen Lügen, die uns die Wahrheit vorgaukeln, findet sich die aufmerksame Leserin zwischen pseudo-high-end Reportagen von essgestörten Mädchen wieder. Man soll ja schließlich nicht den Blick fürs Wesentliche verlieren, sagt sie sich, und reißt die Werbung auf der nächsten Seite heraus, um ihrem Ehemann die neue super-skinny-Jeans subtil zu präsentieren.

Ach ja, ich habe ein Faible für perfekt sitzende Doppelmoral. Ein bisschen leid tun mir allerdings die jungen Hüpfer, die bei jedem Gramm, das sie tagsüber mehr mit sich herumtragen, als am frühen Morgen, schon wieder zu der nächsten Diät schlechthin greifen. Und leider nicht verstehen, dass es die übermäßige Auswahl an Cellulite-Behandlungen, Diäten und Faltencremes nicht geben würde, wenn auch nur eine Sache ein mal richtig funktioniert hätte.

Dann lieber mal gleich in die Schönheitschirurgie stolzieren und ein bisschen Geld in Hand nehmen, was? Von nichts kommt schließlich nichts. Und wenn man dem werten Chirurgen dann erklärt hat, dass man neuerdings und total unabhängig vom Körperbau eine Lücke zwischen den Beinen haben müsse, dann kriegt der das sicherlich hin. Und alle sind glücklich. Vor allem der Herr Chirurg und seine Frau, die sich vom Geld ihres Mannes bei einer Anti-Aging-Bauch-Beine-Po-Back-To-Skinny-You-can-do-it-Treatment-Behandlung richtig verwöhnen lässt.

 

Foto: „Marilyn Monroe“ von Floorvan (flickr.com) via cc-sa-2.0

Anika Landsteiner
Anika Landsteinerhttps://anikalandsteiner.de/
Anika Landsteiner wurde 1987 geboren und arbeitet als Autorin und Journalistin. Ihr Fokus liegt dabei auf gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, Tabuthemen, Feminismus und Popkultur. Als Kolumnistin nimmt sie uns mit auf ihre gedanklichen Reisen und gibt uns immer wieder neue Denkansätze.

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