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Kolumne: Die perfekte Beziehung

Sozialkino. Kennt Ihr das? …man sitzt in einem Café, sieht so viele Leute an sich vorbeilaufen und könnte einfach nur laut loslachen, weil die Hose zu eng oder das Oberteil viel zu kurz ist und der halbe Bauch raus hängt, die Haare zu pink oder der Hund einfach nur hässlich ist.

Ich liebe es diese Dinge zu kommentieren, gerne auch stundenlang. Meine Mutter hat dieses, nennen wir es mal Hobby, Sozialkino genannt. Viele meiner Freundinnen hassen diese Angewohnheit an mir, dass ich nicht lange nachdenke und immer mal was raushaue. Auf einer Terrasse am Straßenrand mit einem leckeren Kaffee in der Hand laufe ich geradezu zu Höchstform auf… Zurzeit habe ich mein Hobby etwas verändert, ich betrachte nicht die Leute und gebe fiese Kommentare über sie ab, sondern ich betrachte Beziehungen. Ich betreibe quasi schon eine Art Sozialforschung, wenn man das so nennen will. Ich suche nach der perfekten Beziehung! Wer weiß, wenn ich das Ganze groß aufziehe, habe ich vielleicht bald schon Dieter Bohlen und Heidi Klum an meiner Seite und dann bin ich diejenige, die hier die Rosen verteilt. Ich muss gleich mal bei RTL und Pro7 anrufen und fragen, wer mir mehr für mein geniales Konzept bieten will.

Eigentlich betrachte ich nicht nur die Beziehungen, sondern auch deren Ende. Warum hat das nicht geklappt? Was ist schief gelaufen? Warum hat man aufgehört sich zu lieben? Eine Freundin hat mir von einer Bekannten erzählt, die es sehr schön umschrieben hat, warum ihre Beziehung kaputt ging. Sie meinte: „Wenn der Glitzer ab und der Feenstaub verflogen ist, dann wird es schwierig und für mich zu kompliziert.“ Sollte es also immer einfach sein? Nie kompliziert werden, sonst ist was falsch? Sollten wir also alles beenden, wenn es ein bisschen schwerer wird? Aber wenn man einmal etwas gespürt hat, was sich so richtig und gut anfühlt, will man das dann aufgeben, nur weil die Fee leider weitergeflogen ist? Gibt es überhaupt so etwas wie die perfekte Beziehung?

Dieses Thema wirft so viele Fragen in meinem Kopf auf, dass sie schon Karussell fahren und ich das Gefühl habe mich im Kreis zu drehen. Ich betrachte also die Beziehungen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis und versuche die perfekte zu finden, besser gesagt die, die meiner Meinung nach perfekt ist. Da gibt es einmal das WIR-Pärchen – die können einfach nicht genug von einander bekommen und sind ständig dabei sich anzukrabbeln und anzutätscheln. Die beiden können keine Entscheidung ohne den anderen treffen. Und ich liebe es, wenn ich meine Freundin frage, was sie am Samstag macht und zu hören bekomme: „Oh, ich weiß nicht, was wir vorhaben oder ob wir frei haben…“ Da könnte ich kotzen! Egal wann wir etwas ausmachen wollen, eigentlich will sie ihn immer mitnehmen oder muss ihn fragen, ob das okay ist, dass sie was ohne ihn macht? NEIN DANKE, ihr bekommt keine Rose von mir! Dann habe ich noch ganz rationale Planer – erst wird geheiratet, dann kommt das Haus und dann kommen zwei Kinder. Mit dem ersten Kind gerade schwanger, wird schnell noch der passende Familienhund besorgt, damit der weiße Lattenzaun um die Doppelhaushälfte auch einen Sinn hat. So macht man das schließlich heutzutage. Aber hier fehlt jegliche Leidenschaft, das Feuer, die Funken, nie fliegen mal so richtig die Fetzen, Reibung erzeugt doch Wärme. Sie haben zwar alles, was sie wollen und geplant haben, aber mich würde das nicht glücklich machen. Die chaotische Patchwork-Familie – Sie hat viel zu früh geheiratet, ein Kind bekommen und festgestellt, dass es doch nicht passt. Üble Scheidung, neuen Mann kennengelernt, ungewollt schwanger geworden und er hat natürlich auch schon ein Kind. Alles etwas ungeplant. Sie stehen immer unter Strom, wirken gestresst, da sie alle Kinder immer gleich behandeln wollen und versuchen es allen recht zu machen. Sie haben viel Spaß mit den Kindern und leben ihren Traum von einer großen Familie, das Chaos ist immer mit dabei, doch für sich und ihre Partnerschaft tun sie kaum etwas, sie haben sich in ihrer eigen Welt verloren, schauen sich an und sehen sich aber nicht mehr. Alle diese Paare denken, sie haben die perfekte Beziehung… Und dann wäre da noch die Aussichtslos-Beziehung.

Kennt ihr das Gefühl, jemandem in die Augen zu schauen, sich selbst zu sehen und sich gleichzeitig zu verlieren? Eine Beziehung zu haben, die zwar aussichtslos ist und es beide wissen, aber trotzdem nicht von einander lassen können. Sich so oft mit dem Vorsatz zu treffen, sich zu trennen und wenn man sich dann sieht, ist doch wieder alles ganz anders. Dann ist sie plötzlich wieder da, die Fee mit ihrem Zauberstaub, der einfach alles wieder gut macht und auch die tiefsten Wunden in deinem Herz heilt. Ein Blick oder eine Berührung und es wird schon eine Lösung für alle Probleme geben. Die gibt es aber leider nicht! Meine beste Freundin führt nämlich so eine Beziehung. Hier darf ich Gast am Gartenzaun sein und schaue mir das als neugieriger Nachbar, der ich nun einmal bin, auch gerne an. Wenn ich das Auf und Ab erlebe, wie schlecht es ihr oft geht, weil wieder irgendetwas vorgefallen ist, wieder mal alles schief ging und sie am liebsten alles hinschmeißen würde, weil sie und er in zwei verschieden Welten leben, nie genug Zeit füreinander da ist, dann frage ich sie oft, warum sie sich das antut. Sie ist nicht dumm und sieht toll aus, steht mitten im Leben und ich kann nicht verstehen, warum sie sich all diesen Stress antut. Andere Mütter haben ja bekanntlich auch schöne Söhne. Wenn ich sie darauf anspreche und dabei in ihre Augen schaue und sehe, wie sie strahlen, wenn sie von ihm erzählt, kann ich förmlich spüren, wie sie bebt und das hat nichts mit Sex zu tun. Nein, diese ganze Gewalt an Gefühlen, die sie in sich trägt, die ich bei keinem der anderen wahrnehmen kann, ist das nicht einfach alles was man braucht? Wenn ich sie so ansehe, mit ihrem „Honigkuchenpferd-Grinsen“, dann denk ich nur bei mir: Scheiß auf die perfekte Beziehung aus dem Hollywood-Streifen mit dem ganzen Glitzer, ich will genau dieses Gefühl, das sie hat und kein anderes! Eine perfekte Beziehung bedeutet eben nicht nur, dass jeden Tag die Sonne scheint. Ab und an regnet und donnert es auch mal. Aber genau dieser Wechsel zwischen Sonne und Regen steckt nun mal hinter dem Geheimnis eines wunderschönen Regenbogens unter dem als Goldtopf getarnt die Liebe steht…

Foto: clipdealer.com

Mia Winter
Mia Winter
Mia Winter ist bekannt für ihre direkte und unverblümte Art, mit der sie die Themen Liebe und Erotik in ihrer Kolumne bei AJOURE´ angeht. Ihre Texte sind ein mutiges Eintauchen in die Tiefen menschlicher Intimität und Beziehungen, wobei sie kein Blatt vor den Mund nimmt. Mit einer Mischung aus persönlichen Anekdoten und scharfsinnigen Beobachtungen schafft Mia es, ihre Leser zu fesseln und gleichzeitig zum Nachdenken anzuregen. Ihre Kolumnen sind für viele ein Leuchtturm der Ehrlichkeit in einem Meer von Klischees und Tabus.

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