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Kolumne: Der Zirkus vor einem Date

Ob Männer auch so einen Zirkus veranstalten, wenn sie zu einem Date gehen? Oder ist das nur so ein Frauen-Ding? Ich habe gefühlt jetzt schon einen ganzen Marathon an Vorbereitungen hinter mir und bin schon völlig aus der Puste. Es ist Samstag und ich habe mir frei genommen, da ich wichtige Vorbereitungen für heute Abend treffen muss. Ich gebe keine große Party mit vielen Gästen oder habe noch schnell ein Wohnzimmer zu renovieren. Nein, viel komplexer – Ich habe ein Date!

Ich habe mir generalstabsmäßig in meinem Kopf eine Liste erstellt, was ich heute alles noch erledigen muss, damit auch ja alles klappt. Diese Liste ist mein Rettungsanker, ohne sie würde ich vermutlich in einer Stunde auf der Couch mit einer Tüte Chips liegen und das Date per SMS absagen. Ich müsste feststellen, dass mein Zeitmanagement nicht das Gelbe vom Ei ist oder ich einfach keine Energie mehr habe das Ganze durchzuziehen. Als Erstes brauche ich eine Kanne Kaffee und bloß keine so dünne Brühe. Nein, einen richtigen Kaffee, durch den der Boden der Tasse nicht mehr zu sehen ist. Nur starker Kaffee, ist ein guter Kaffee! Dann kann’s auch schon losgehen! Falls mein Date wirklich gut läuft, könnte es ja passieren, dass ich ihn mit hier her nehme, oder dass er etwas zu früh kommt und ich ihn nicht unten im Auto warten lassen will und ich ihn dann hoch bitte. Habe schon feststellen müssen das Männer das nicht gut finden, wenn man sie nicht rauf lässt. Was aber am wahrscheinlichsten ist, er kommt pünktlich und ich bin noch nicht fertig, weil ich natürlich in meinem überfüllten Kleiderschrank nichts zum anziehen habe. Und – wie könnte es auch anders sein – viel zu lange im Bad gebraucht habe. Egal welcher Fall eintritt, hier kann zurzeit keiner rein! Sollte jemand, der mich noch nicht kennt jetzt meine Wohnung betreten, würde er vermutlich noch im Flur rumdrehen und verschwinden. Auf dem Weg nach unten noch schnell mich aus Facebook löschen und bei Whatsapp für immer blockieren. Vielleicht sogar noch schnell bei Immoscout nach einem neuen Wohnsitz schauen, damit die Kontaktaufnahme von meiner Seite unmöglich wird.

Wenn man mich und meine etwas chaotische Art erst mal kennen und lieben gelernt hat, weiß man, was man zu erwarten hat, wenn man mich besuchen kommt, aber wie heißt es so schön: „Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck“, von daher gehe ich heute mal lieber auf Nummer sicher und polier die Hütte auf Hochglanz. Ich weiß nicht, wie das immer passiert, aber innerhalb weniger Stunden verwandelt sich wie durch Zauberhand meine aufgeräumte, hübsche und schön eingerichtete Wohnung in eine chaotische Bruchbude. Also räume ich, als zweiten Punkt von meiner Liste, meine Wohnung auf. Das tue ich natürlich so, dass mich meine Nachbarn noch etwas mehr leiden können – mit viel zu lauter Musik und noch mehr Kaffee. Tanzender Weise hänge ich die ganzen, zum größten Teil auch noch ungetragenen, Klamotten in den Schrank zurück, die überall in der Wohnung verstreut waren. Die Sachen habe ich alle irgendwann mal nur kurz angezogen, um dann festzustellen, dass nichts davon heute zum Gewinner-Outfit wird. Dummer Weise habe ich sie danach nicht mehr aufgeräumt sondern meine Wohnung, wie Tine Wittler, damit dekoriert. Leider verlässt mich nach kurzer Zeit die Lust den ganzen Kram ordentlich aufzuhängen und ich stopfe den Rest einfach in den Schrank und drücke die Tür, so weit es geht, zu. Ich sauge, wische , staube ab, putze die Spiegel und bringe auch noch alles andere auf Vordermann.

Ich werde heute Abend sexy Unterwäsche tragen, wo BH und Slip auch noch zusammenpassen!

Kurz kommt mir der Gedanke, ob das hier jetzt nicht alles ZU ordentlich ist? Ich müsste ja ab jetzt immer so einen Aufwand betreiben – Oh nein, sicher nicht! Oder sieht das hier einfach nur viel zu sehr bemüht aus? Oder fällt einem Mann das gar nicht auf? Mittlerweile ist es schon Nachmittag und ich mache mir noch schnell was zu Essen, sofort hat meine Küche wieder den zurzeit so beliebten Used-Look. Also wird mir klar, das Problem mit dem viel zu sauber aussehen, wird sich innerhalb der nächsten Stunden wieder einmal von selbst erledigen. Nächstes Großprojekt lautet Haarentfernung! Falls da heute was laufen sollte, wird er mit Sicherheit kein Haar an einer Stelle finden, wo es nicht hin gehört. Nicht, dass ich beim ersten Date immer gleich Sex habe, aber ich sage nur soviel: Ich werde heute Abend sexy Unterwäsche tragen, wo BH und Slip auch noch zusammenpassen! Hab seit Tage auf meine geliebte Schokolade verzichtet, was die Laune nicht unbedingt hebt. Aber ich will auf den Fall der Fälle vorbereitet sein. Wie oft hatte Frau schon den Fall, dass sie gern mit einem Mann ins Bett gegangen wäre, aber er sie ausgezogen hätte und die gute, kleine Hello Kitty dem Ganzen den Gar ausgemacht hätte. Mal ehrlich, wer von uns Frauen zieht sie nicht gerne an, die „Ich-geh-nur-schnell-zum-Bäcker-Unterwäsche“, in der mich heute eh garantiert niemand nackt sehen wird? In so einem Aufzug einem potentiellen Liebhaber gegenüber zu stehen, wäre so was von unangenehm, dass wir dann lieber gänzlich auf heißen Sex verzichten. Oder? Auch nicht sonderlich förderlich, aber vermutlich allen Frauen schon passiert, so auch mir: Beim Duschen die Beine rasieren und denken „Den Rest kann ich mir doch heute einmal sparen“ und zack: Erste Fehlentscheidung des Tages und ab auf die Ersatzbank…

„Mia, du kleines Flittchen, lass die Beine beim ersten Date zusammen!“

Auf jeden Fall sitze ich jetzt auf dem kalten Klodeckel, habe alle Lichter im Bad an, so dass hier OP-ähnliche Verhältnisse herrschen, um auch jedes noch so kleine Härchen zu entdecken. Es wird epiliert, gezupft und getan was nur möglich ist, um dann festzustellen, dass ich aussehe wie eine gerupfte Gans. Überall habe ich rote Pünktchen bekommen. Was bitte soll das auf einmal? Möchte mir mein Körper etwas mitteilen? „Mia, du kleines Flittchen, lass die Beine beim ersten Date zusammen!“ Nein, nicht mit mir! Das entscheide ich schön selbst! Schnell wird in allen Schubladen im Bad gewühlt, da gibt es doch bestimmt noch eine Salbe oder Creme, die das wieder hinbekommt? Die gibt es tatsächlich und ich creme mich einmal von oben bis unten ein. Einmal komplett schmierig und nackt stehe ich nun im Bad und muss den Ablauf auf meiner To-Do-Liste ändern, da ich jetzt erst mal meine Dalmatiner-Pünktchen loswerden und trocknen muss. Also lackiere ich mir als nächstes die Fußnägel. Da ich natürlich noch nicht genau weiß, was ich heute Abend tragen werde, dieser schreckliche Kampf steht mir noch bevor, wähle ich eine schlichte Farbe, die zu allem passt und dann fällt es mir ein: Verdammt! Meine Wäsche liegt noch in der Maschine unten im Keller, die Sachen müssen noch in den Trockner und da ist auch meine sexy Unterwäsche drin. Scheiße!

Da ich ja gerade vor ein paar Stunden alle Klamotten in meine Schränke und Schubladen gestopft habe und ich auch mit meinem Creme-Körper nichts einsauen will, finde ich nichts, was ich anziehen kann, außer meine Schlafsachen. Ohne Socken, da meine Zehnägel natürlich noch nicht trocken sind und ohne Unterwäsche, weil das nur unnötige Zeitverschwendung wäre, schleiche ich die Treppen runter in den Keller. Hoffentlich kommt mir keiner meiner Nachbarn entgegen! Wieder fast oben an meiner Wohnung angekommen, nehme ich beschwingt die letzten paar Stufen auf einmal, was ohne BH für Männer anscheinend besonders interessant aussieht… wir alle wissen, was unsere Brüste tun wenn wir keinen BH tragen?! Genau, sie haben miteinander ein Pingpong Match, bei dem es echt heiß her geht und genau in diesem Moment entdecke ich meinen Nachbarn der sich dieses Match gerade sehr genau anschaut und auf ein nächsten Satz hofft. Ohne mich dazu zu äußern, verschwinde ich wieder in meine Wohnung und kehre zurück ins Badezimmer. Jetzt wir geduscht, Haare gewaschen, gekurt und gepflegt, dass ich im besten Falle wie ein Model aus der Shampoo-Werbung aussehe. Meistens klappt das aber nicht wirklich, da ich einen Lockenkopf habe und da hat jede Strähne nun einmal ihren eigenen Willen. Das artet dann auch beim Föhnen in ein Geziehe, Gerupfe und Gereiße aus, was wiederum in Fluchen und kleinen Wutanfällen endet. Bis ich mit fast 30 zum Finale meiner „Löwen-Mähne-Bendiger-Nummer“ mit Tränen in den Augen vorm Spiegel stehe. Ich fühle mich hässlich, fett, scheiße und ungeliebt zugleich. Wo ist die Schokolade noch gleich?

Dabei wollte ich doch nur meine Frisur hinbekommen. Der nächste Punkt auf meiner Liste ist ebenfalls ziemlich undankbar. Ich versuche das perfekte Outfit zu finden. Leider habe ich da noch ein zusätzliches Problem, ich besitze keinen bodentiefen Spiegel, was mich bei jedem Outfit zum Trapezkünstler werden lässt. Ich steige mit Highheels auf die Badewannenkante und versuche mich im Spiegel zu betrachten. Ich werde hier irgendwann mal richtig böse abstürzen und verenden und man wird mich ewig nicht finden. Kurz überlege ich, was der Kriminalpolizist, der mich dann findet, wohl in seinen Bericht schreiben würde? Aber gut, dieses Spielchen mit der Badewanne spiele ich ca. eine Stunde, da ich mittlerweile alle meine Klamotten einmal an hatte und mit allem kombiniert habe und schon wieder den Tränen nahe bin, wie ein kleines Mädchen, dem man sein Spielzeug wegnimmt. Oh man, eigentlich mag ich schon gar nicht mehr zu meinem Date. Ich würde mich aktuell am liebsten unter dem Berg an Klamotten, der jetzt wieder auf meinem Bett liegt, mit gaaanz viel Schokolade verkriechen und mich selbst bemitleiden. Mache ich dann natürlich doch nicht, sondern ich finde letztlich noch ein Outfit, das ich ganz annehmbar finde. Selbstverständlich war es das erste, das ich anprobiert hatte. Ich hätte mir also diese ganz Modenschau sparen können. Aber egal!

Jetzt noch schnell schminken und versuchen dabei ein kleines Kunstwerk zu zaubern, die Augenringe verschwinden lassen und richtig viel tarnen und täuschen, ohne dass ich aussehe wie ein Clown. Ich kann es selbst kaum glauben, aber ich bin genau in der Zeit und das Meisterwerk ist vollbracht: Mia Winter 2.0 ist fertig aufgehübscht und bereit abgeholt zu werden…

Foto: clipdealer.com

Mia Winter
Mia Winter
Mia Winter ist bekannt für ihre direkte und unverblümte Art, mit der sie die Themen Liebe und Erotik in ihrer Kolumne bei AJOURE´ angeht. Ihre Texte sind ein mutiges Eintauchen in die Tiefen menschlicher Intimität und Beziehungen, wobei sie kein Blatt vor den Mund nimmt. Mit einer Mischung aus persönlichen Anekdoten und scharfsinnigen Beobachtungen schafft Mia es, ihre Leser zu fesseln und gleichzeitig zum Nachdenken anzuregen. Ihre Kolumnen sind für viele ein Leuchtturm der Ehrlichkeit in einem Meer von Klischees und Tabus.

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