StartLifestyleKolumneKolumne: Der Liebe wegen.

Kolumne: Der Liebe wegen.

Als die Meldung vom Tode Nelson Mandelas Donnerstag Nacht um die Welt ging, herrschte tiefes Bestürzen. Alle Zeitschriften quollen über von emotionalen Nachrufen und die Internetwelt begeisterte sich für gefühlsüberladene Clips über das Leben eines der Menschen, von denen es immer noch zu wenige auf diesem Planeten gibt. Und zu viele, die dem Friedensnobelpreis blind vertrauen.

Es ist skurril und irgendwie deplatziert, dass wir immer erst über das Wohl eines Anderen, über den ursprünglichen Gedanken der Nächstenliebe oder den akuten Klimawandel denken, wenn eine Größe wie Mandela stirbt oder die nächste Naturkatastrophe Tausende von Menschen in den Tod reißt. Tja, der Mensch ist ziemlich einfach gestrickt und das wissen am besten die Medien, denn die holen uns auf emotionaler Ebene an der Straßenecke ab und setzen uns mittenrein in die traumatischen Geschichten dieser Welt, damit wir eifrig trauern, ein wenig nachdenken und eventuell unser Erspartes spenden. Warum nicht immer durchgehend versuchen, einen Tick besser zu werden? Etwas netter zu sein? Mal was zu tun, ohne einen Nutzen daraus ziehen zu wollen? Zu anstrengend. Ganz einfach.

Wir leben in einer Ellenbogengesellschaft, weil wir glauben, jeder andere würde uns im Wege stehen – dabei sind wir es am Ende nur selbst.
Ich bezweifle, dass der Mensch von Grund auf böse ist, ehrlich gesagt habe ich bei dieser Aussage das Bedürfnis, meinen Kopf auf der Tischplatte abzulegen und wegzudösen. Nein, niemand ist einfach so böse, wir machen uns gegenseitig dazu, sprich, die Gesellschaft verdirbt uns. Wir lernen, dass wir einen Job brauchen, der viel Geld bringt, damit wir die Verantwortung tragen können, die uns das Leben stellt. Und weil das die meisten wollen, rennt jeder in die gleiche Richtung und hat doch das Gefühl, er würde ohne Gewalt, Hinterlistigkeit und dem Austragen von Verhandlungen auf dem Rücken benachteiligter Menschen nicht weiterkommen.

In einer Zeit, in der Menschen wie Barack Obama den Friedensnobelpreis verliehen bekommen und Mahatma Gandhi zu Lebzeiten leer ausging und ihn nicht einmal posthum bekommen hat, stellt sich doch die Frage, ob diese Preisverleihung einer eher wahllosen Verteilung zugrunde liegt und was hinter diesen schwedischen Gardinen und weltweit gerade so abgeht.

Anika Landsteiner

Die meisten Menschen zeigen Mitgefühl bei Portraitaufnahmen armer Kinder. Die meisten Menschen identifizieren sich nicht mit den anderen Ellenbogen ihrer Gesellschaft, haben aber selbst zwei davon, die sie zumindest unbewusst zum Einsatz bringen. Ich sage mal ganz provokant, dass es auch für die meisten Menschen schwierig ist, etwas Gutes zu tun, ohne dafür belohnt zu werden oder einen Dank zu erhalten. Der Kosten-Nutzen-Faktor. Natürlich bringt man den Eltern gerne ein Mitbringsel aus dem letzten Urlaub mit und man hört sich auch nachts um drei den Liebeskummer der Freundin an. Aber nur, weil man einen Bezug zu diesen Menschen hat, sie liebt, und zwar ohne Bedingungen.
Warum können wir das also nicht im großen Stil auf die ganze Welt übertragen? Uns mal alle an den Händen halten, schließlich sitzen wir alle im gleichen Boot, sprich, auf dem gleichen Planeten. Was hält uns zusammen, wenn nicht wir?

Spread the love. Dafür hat es nie die Love Parade gebraucht und auch keine Katastrophenaufnahmen, die mal für ganze fünf Minuten das Bewusstsein wachrütteln. Ne, einfach mal so. Der Liebe wegen. Und bitte nicht nur in der Weihnachtszeit, denn das kann wirklich jeder.

Fotos: Anika Landsteiner privat

Anika Landsteiner
Anika Landsteinerhttps://anikalandsteiner.de/
Anika Landsteiner wurde 1987 geboren und arbeitet als Autorin und Journalistin. Ihr Fokus liegt dabei auf gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, Tabuthemen, Feminismus und Popkultur. Als Kolumnistin nimmt sie uns mit auf ihre gedanklichen Reisen und gibt uns immer wieder neue Denkansätze.

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